In Europa entsteht ein neues Medienkartell gegen Unwahrheiten. Mit dabei: ORF, ZDF, BBC und 15 weitere öffentlich-rechtliche Anstalten. Ihr Ziel? Faktencheck unter Freunden – im Namen der Wahrheit. Laut ORF geht es um „internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Fake News und Desinformation“, und zwar im Rahmen der Initiative „Eurovision News Spotlight“, die von der Europäischen Rundfunkunion (EBU) ins Leben gerufen wurde.

Neue Hüter der offiziellen Erzählung?

Für dieses Vorhaben braucht es selbstverständlich auch „Experten für Wahrheit“ – und die gibt es offenbar. Helene Voglreiter, ORF-Redaktionsleiterin für Verifikation, spricht von internationalen Faktencheck-Profis, die künftig gemeinsam Falschinformationen aufdecken und „einordnen“ sollen.

Man selbst verbreite hingegen „vertrauenswürdige Nachrichten“, wie EBU-News-Chefin Liz Corbin betont. Die Unwahrheit – so das unausgesprochene Motto – kommt immer von den anderen. Florent Latrive, stellvertretender Nachrichtenchef bei Radio France, formuliert es so: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss ein sicherer Hafen für Fakten in einem Meer aus Fakes und Unsicherheit sein.“ Wir lernen: Staatliche Rundfunkanstalten organisieren künftig ein Spotlight auf die Wahrheit – aber bitte nur die eigene!

Hafenecker warnt vor Meinungskontrolle

Die neue Initiative stellt sich als Bollwerk gegen Fake News dar – doch Kritiker befürchten: Hier wird nicht Wahrheit verteidigt, sondern Kritik gezähmt. Ein Netzwerk öffentlich-rechtlicher Gleichgesinnter soll definieren, was sagbar ist.

Dieser angebliche Krieg gegen Falschmeldungen werde sich am Ende vor allem gegen Meinungsvielfalt richten, warnt FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker. Er spricht von „einem Kampfbündnis links-medialer Sittenwächter, die sich die alleinige Urteilsmacht darüber anmaßen, welche Standpunkte gut oder böse sind – und welche Nachrichten dem System genehm sind und welche nicht“.

Die Meinungskorridore werden enger

Im Übrigen mache man den Bock zum Gärtner: „Wenn ‚Fake-News‘-Sender sich zum gemeinsamen ‚Fakten checken‘ zusammenschließen, dann ist Meinungsmache und Manipulation vorprogrammiert“, kritisiert der FPÖ-Politiker.

FPÖ-Mediensprecher Christian HafeneckerAPA/EVA MANHART

Ziel sei die Schaffung enger Meinungskorridore, in denen sich der öffentliche Diskurs künftig bewegen solle. Alles außerhalb werde mit Schlagwörtern wie „Fake News“, „Desinformation“, „Hass“ oder „rechtsextrem“ diskreditiert. „Der ORF mit seinem linksgedrallten Redakteursrat ist ein Paradebeispiel dafür, wie öffentlich-rechtliche Medien zu Propagandaanstalten der Regierungen umgebaut werden“, so Hafenecker. Statt zentralisierter „Wahrheitswächter“ brauche es ein breites Angebot an Medien mit vielfältigen Meinungen und Zugängen: „Das ist für den politischen Diskurs in einer Demokratie unerlässlich.“

Gericht stoppt Correctiv-Faktencheck – Meinung bleibt Meinung

Dass Faktenchecker mit Vorsicht zu genießen sind, zeigen mehrere Beispiele. Das Medienhaus Correctiv, das von Spenden, Mitgliedsbeiträgen und öffentlichen Geldern lebt, widmet sich intensiv dem Faktencheck – mit wechselhaftem Erfolg.

Im Jahr 2019 markierte Correctiv einen Beitrag von Tichys Einblick über den angeblichen „Klimanotstand“ als „teils falsch“. Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied später: Die Bewertung war unzulässig. Es handle sich bei dem Beitrag um eine zulässige Meinungsäußerung. Die Kennzeichnung musste entfernt werden. Faktenchecks seien schließlich nicht dazu da, Meinungen zu bewerten.

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Potsdam und die millionenfache Empörung

2024 folgte der nächste Paukenschlag: Correctiv veröffentlichte einen Bericht über ein „Remigrations-Treffen“ in Potsdam. Die zentrale Behauptung: Teilnehmer hätten gefordert, „nicht assimilierte deutsche Staatsbürger abzuschieben“ – und zwar „aufgrund ihrer Ethnie“. Diese Formulierung wurde später stillschweigend entfernt, nachdem Medienkritik laut wurde und der öffentliche Druck stieg. Doch der Bericht verfehlte nicht seine – gewünschte? – Wirkung: Massendemonstrationen gegen rechts mit bis zu einer Million Teilnehmern folgten.

Medienexperten wie Stefan Niggemeier warfen Correctiv vor, mehr zu unterstellen als zu belegen. Die Neue Zürcher Zeitung sprach von einem „offensichtlich unrichtigen“ Bericht. Das Landgericht Berlin II stellte im Dezember 2024 klar: Correctiv habe den Eindruck erweckt, es sei in Potsdam über die Ausweisung deutscher Staatsbürger gesprochen worden – das sei unzutreffend. Correctiv räumte später ein: Es ging beim Treffen tatsächlich nicht um rechtswidrige Ausweisungen.

Potsdam und die millionenfache Empörung

Der Jurist Ulrich Vosgerau – Teilnehmer des Treffens – erwirkte zusätzlich eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Hamburg. Ihm war von Correctiv unterstellt worden, er halte massenhafte Wahlprüfungsbeschwerden für sinnvoll. Das Gericht stellte fest: Vosgerau hatte explizit das Gegenteil gesagt.

Auch AfD-Politikerin Beatrix von Storch ging gegen Correctiv in die Offensive – verbal: Sie sprach von einer „dreckigen Correctiv-Lüge“. Correctiv klagte – verlor. Das Landgericht Berlin sah in der Äußerung eine zulässige Meinungsäußerung im politischen Diskurs.

profil/Faktiv: „Zwei Geschlechter“? Irreführend!

Auch profil und seine Rubrik „Faktiv“ lieferten 2024 ein Lehrstück über den schmalen Grat zwischen Fakten und Zeitgeist. Kanzler Karl Nehammer sagte damals: Es gebe „nur zwei Geschlechter“. profil bewertete die Aussage als „falsch“. Der Presserat rügte den Artikel als einseitig, woraufhin profil die Bewertung zu „irreführend“ korrigierte.

Der Faktencheck stützte sich auf Sonderformen wie das Klinefelter-Syndrom – eine biologische Ausnahme, die die alltagspraktische Geschlechtertrennung kaum infrage stellt. Für manche zählt heute aber auch, was gesellschaftlich oder modisch im Trend liegt. Vielleicht ist die Aussage demnächst „gefühlstechnisch ungenau“.

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Das neue Bollwerk gegen Lüge

Beim ORF-„Verifikationsteam“ unter Redaktionsleiterin Voglreiter freut man sich jedenfalls bereits auf die internationale Vernetzung. Wird künftig  alles durchgecheckt – bis auch die letzte Meinung passt?

Es wird sich zeigen, welche Resultate das neue Bollwerk gegen Lüge zu Tage fördert.