Noch verhältnismäßig? Ungeimpfte bereits 61 Tage weggesperrt
Seit 61 Tagen müssen ungeimpfte Österreicher im Lockdown sitzen – sie fühlen sich nicht nur schlicht vergessen von der Politik, sondern auch ungerecht behandelt. Denn wie die Omikron-Welle deutlich zeigt: Das Virus ist nicht zu stoppen, es infiziert auch Geimpfte. Und es belastet die Spitäler bisher nicht.
Ein Thema, über das kaum gesprochen wird, aber massive Einschränkungen für 1,8 Millionen Österreicher bedeutet: Seit 15. November 2021 läuft der Lockdown für Ungeimpfte. Sie dürfen seither nur im Notfall, für dringende Besorgungen oder für die Arbeit das Haus verlassen. Shoppen, Essen gehen oder ins Konzert – all das ist für Ungeimpfte seit Wochen Tabu.
Hinzu kamen in der Zwischenzeit 300.000 weitere Österreicher, die zwar geimpft sind, aber über kein gültiges Impf-Zertifikat mehr verfügen. Für sie gilt dasselbe: Hausarrest, obwohl sie nichts angestellt haben.
Wo 2G gilt, wird auch kontrolliert
Natürlich: Der Lockdown wurde nicht immer streng kontrolliert, schon gar nicht auf der Straße. Doch überall dort, wo 2G gilt, haben Ungeimpfte eigentlich keine Chance – es sei denn sie haben das “Glück”, genesen zu sein. Seit 15. November gilt nämlich auch 2G, und zwar überall dort, wo zuvor 3G gegolten hat, etwa in der Gastronomie, im Theater, bei Konzerten, Sportveranstaltungen oder bei körpernahen Dienstleistungen wie dem Friseur. Mit den Worten des Gesundheitsministeriums: in allen “Betriebsstätten des nicht-lebensnotwendigen Handels”. Hier sind auch Kontrollen zwingend vorgesehen. Spätestens nach Erwerb einer Ware müssen Kunden den 2-G-Nachweis vorlegen.
Anscheinend geht das der Regierung noch nicht weit genug. Künftig blühen auch Strafen – dank Impfpflicht. Aber vielleicht tauscht ja die Politik am Ende die Impfpflicht gegen den Lockdown für Ungeimpfte? Nun ja, wer das glaubt, wird vom Gesundheitsminister im Ungewissen gelassen. Das sei kein Automatismus, mahnte Wolfgang Mückstein bereits.
Das alles wirft Fragen auf, vor allem nach der Verhältnismäßigkeit.
Sinkende Zahlen in Spitälern und Intensivstationen
Ursprünglich sollten solche Maßnahmen nur punktuell und als Notfall eingesetzt werden, wenn sich die Lage in den Intensivstationen entsprechend bedrohlich entwickelt. Nur ist seit Wochen das Gegenteil der Fall.
Seit sich die Omikron-Variante in Österreich auszubreiten beginnt, steigen zwar – wie überall auf der Welt – die Infektionszahlen rapide in die Höhe, so explosionsartig wie noch nie, doch die schweren Verläufe gehen zurück, und ebenso ist die Situation in den Intensivstationen so entspannt wie seit Wochen nicht mehr. Die Zahl der Todesfälle sinkt ebenfalls.
Omikron infiziert alle, verschont aber bisher die Spitäler
Im Gegensatz zu Alpha und Delta finde die neue Virus-Variante in den Spitälern bisher rein gar keinen Niederschlag.
Nun könnte man einwenden: Dieser Anstieg wird ja noch folgen, zeitversetzt, wie bisher immer. Das stimmt. Je nach Welle dauerte es bisher zwei bis drei Wochen, bis die Hospitalisierungs- und Intensiv-Zahlen gestiegen sind, und etwa vier Wochen, bis die Todesfälle folgten.
Auch in jenen Ländern, die bereits mitten in der Omikron-Welle stecken – oder sie möglicherweise gerade hinter sich lassen – ist die Zahl der Patienten in den Spitälern dann schließlich doch angestiegen. Nur ist man von den bisherigen Höhepunkten meist weit entfernt, wie etwa in Israel und Großbritannien.
Eine Politik, die auf Verbote, statt auf Informationen setzt
Vieles deutet auf Entspannung hin: Omikron verschont offensichtlich die Lunge weit mehr als die bisherigen Varianten und darüber hinaus ist die Immunisierung der Bevölkerung schon stark fortgeschritten, sei es durch Impfung, sei es durch Genesung.
Die Politik sollte lieber auf die Menschen hören, den Austausch mit ihnen suchen und mit ihnen auf gleicher Augenhöhe reden, anstatt sich permanent mit sich selbst und den eigenen Vorhaben zu beschäftigen. Natürlich, mit Blick auf sämtliche Studien gibt es Argumente für die Wichtigkeit der Impfung. Darauf könnte die Politik hinweisen – mit Information und Kampagnen. Nur gerade darauf hat sie in den vergangenen Wochen so gut wie vollständig vergessen. Seit die Debatte über die Impfpflicht eingesetzt hat, wollen sich die meisten Ungeimpften kaum noch einen Stich verabreichen lassen.
Die Folge: Seit Ende November sinkt die Zahl der Ungeimpften kaum, umso mehr wächst aber ihre Wut.
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