FPÖ-Chef Herbert Kickl hat am Mittwochnachmittag in der Hofburg den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgelegt. Trotz erneuter Beratungen konnten sich beide Parteien nicht auf Kompromisse einigen. Aus Sicht der FPÖ trägt die ÖVP die volle Verantwortung für das Scheitern, da ihre Forderungen laut Kickl überzogen waren. Die Volkspartei habe keinerlei Kompromissvorschläge akzeptiert und zudem für die FPÖ zentrale Kernministerien für sich beansprucht.

ÖVP: „Es ging um das Land, nicht um Posten“

Die ÖVP hingegen sieht die Situation völlig anders. Am Abend war ÖVP-Chef Christian Stocker in der ZiB2 zu Gast. ZiB2-Moderatorin Margit Laufer stellte die Frage, ob es an einer klaren Kompromissstrategie gefehlt habe, um einen Verhandlungserfolg zu erzielen. Stocker wies dies entschieden zurück und betonte, dass man über Monate hinweg in verschiedenen Konstellationen nach Lösungen gesucht habe. Im Gegensatz zu den Darstellungen von FPÖ-Chef Kickl sei es der ÖVP stets um das Wohl des Landes gegangen – nicht um persönliche Posten oder Einzelinteressen.

Stocker verwies auf die 230 Seiten an geleakten Verhandlungsprotokollen, die seiner Meinung nach beweisen, dass es nicht nur um Posten gegangen sein könne, sondern dass auch inhaltlich bereits Fortschritte erzielt worden seien. „An Kleinigkeiten ist oft ersichtlich, wie Haltungen sind“, erklärte der ÖVP-Chef und fügte hinzu: „Es wäre für uns undenkbar gewesen, die EU-Fahne aus Amtsgebäuden zu entfernen.“

Die ÖVP sei „weite Wege gegangen“, betonte Stocker. „Wenn es uns um Macht gegangen wäre, warum sollten wir dann das Finanzministerium abgeben?“

Auslöser für das Platzen der Koalitionsverhandlungen war unter anderem der Streit um das Innenministerium.APA/AFP/ALEX HALADA

Stocker: Innenministerium „nicht verhandelbar“

Die Sicherheit des Landes sein ein zentraler Punkt – „deshalb haben wir das Innenministerium beansprucht“, erklärte ÖVP-Chef Christian Stocker und betonte: „Das war nicht verhandelbar.“ Laut Stocker ging es beim Innenministerium um die Sicherheit des Landes und seiner Bürger. Er behauptete, die ÖVP habe Warnungen ausländischer Geheimdienste ernst genommen, die darauf hingewiesen hätten, dass die Zusammenarbeit gefährdet gewesen sei.

Stocker erklärte zudem, dass die ÖVP nach dem Scheitern der Dreier-Verhandlungen im Januar einen einfacheren Weg hätte wählen können. „Ich habe aus Verantwortung eine Verhaltensänderung vollzogen, um für dieses Land eine Regierung zu finden“, verteidigte er seine Wende hin zur FPÖ. Es könne kein Fehler sein, sich um eine Regierung zu bemühen, so Stocker weiter. Allerdings sei „zur Kenntnis zu nehmen, dass wir in einem wesentlichen Punkt nicht zusammengekommen sind.“

Stocker dementiert Parallelverhandlungen mit SPÖ

Doch wie soll es nun weitergehen? Stocker fordert eine zügige Lösung: Wenn eine neue Regierung gebildet werden soll, sei es notwendig, „Gespräche zwischen den Parteien weiterzuführen“. Allerdings glaube er nicht, dass „wir noch großartig die Zeit haben, herumzuverhandeln.“ Eine Regierung mit parlamentarischer Mehrheit wäre von Vorteil, fügte er hinzu. Gleichzeitig bezeichnete er Berichte über angebliche Parallelverhandlungen mit der SPÖ während der Gespräche mit der FPÖ als „Mythos“.

Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, erneut mit Kickl zu verhandeln, antwortete Stocker: „Herbert Kickl hat den Regierungsbildungsauftrag zurückgelegt; dieses Kapitel ist geschlossen.“ Es sei nicht ausreichend, dass „nur einer will“. Er betonte, er sei bereit, mit jeder Partei zu sprechen – unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung.