Olena Selenska: „Wir haben uns bereits zweieinhalb Monate nicht gesehen.“
Wolodymyr Selenskyi und seine Frau Olena Selenska sind seit 19 Jahren ein Paar – privat wie beruflich. Zuerst arbeiteten beide in der Filmindustrie, seit 2019 ist Selenska First Lady an der Seite ihres Mannes. Der Krieg verlangt ihr viel ab – als Mutter wie als Ehefrau Präsidenten, wie sie zugibt. Ihren Ehemann hat sie seit Kriegsbeginn nicht mehr gesehen.
Am 20. Mai 2019 wurde sie mit der Amtseinführung ihres Ehemannes First Lady der Ukraine, sei 24. Februar 2022 ist das weibliche Gesicht des Krieges. 2,9 Millionen Menschen folgen ihr auf Instagram. Olena Selenska (44) gibt Interviews und wurde bereits von der amerikanischen First Lady Jill Biden besucht. Nur ihren Ehemann Wolodymyr Selenskyj (44) hat sie seit zweieinhalb Monaten nicht mehr gesehen, wie sie nun erzählt. Seit Beginn der Invasion sind die beiden nur mehr telefonisch in Kontakt.
Bald ist es 19 Jahre her, dass sich die beiden am 6. September 2003 das Ja-Wort gaben. Beide arbeiteten im Film-Geschäft und gingen zur selben Schule. Kennengelernt haben sie sich an der Universität, wo Olena Selenska ein Bauingenieur-Studium absolvierte. Das Paar hat zwei Kinder, Oleksandra (2004) und Kyrylo (2013).
“Dass meine Familie und ich gejagt werden, kommt mir vor wie ein schlechter Actionfilm”, meinte Selenska Ende März gegenüber der “Zeit”. Vor Beginn der politischen Karriere ihres Mannes war sie bei der Fernsehproduktionsgesellschaft Studio Kwartal 95 beschäftigt, die auch die Fernsehserie “Diener des Volkes” mit ihrem Mann in der Hauptrolle produziert hat. Das Paar ist alleiniger Eigentümer der Serie.
Das letzte Mal sah Olena Selenska ihren Mann zu Beginn des Krieges. Bis zuletzt wollte sie einfach nicht an eine große russische Invasion glauben – bis sie am 24. Februar, zwischen vier und fünf Uhr am Morgen, von einer Explosion geweckt wurde. Ab diesem Moment sollte sich ihr Leben grundlegend ändern, berichtete sie gegenüber “Vogue”.
Ihr Mann sei im Anzug vor ihr gestanden und habe nur kurz und bündig erklärt: “Es hat begonnen.” Russland hatte die Ukraine angegriffen. Zum letzten Mal hat sie ihren Mann an diesem Tag im Anzug gesehen. Seither trägt der ukrainische Präsident nur noch Militärkleidung. “Bis zur letzten Minute konnte ich nicht glauben, dass das passieren würde, im 21. Jahrhundert.”
In den ersten Stunden des Krieges herrschte nicht Panik, aber “vielleicht Verwirrung”, erzählt Selenska. Ihr Ehemann habe sie gebeten, die wichtigsten Habseligkeiten und Dokumente zusammenzupacken – “nur für den Fall”. Dann sei er verschwunden. Die Hoffnung ihn wieder zu sehen sei bald verflogen. Der Präsidentenpalast wurde zur militärischen Schaltzentrale und Wolodymyr Selenskyj aus Sicherheitsgründen von seiner Familie getrennt.
Das jetzige Leben im Krieg verlangt ihr viel ab. “Wir fühlen uns, als würden wir alle gefoltert, vergewaltigt oder getötet”, meinte Olena Selenska. “Manchmal kommt mir alles, was uns widerfährt, wie ein Albtraum vor”, erzählte sie der “Zeit”. “Ich möchte aufwachen – aber das ist die Realität! Eine schreckliche Wahrheit.”
Die Belastung für die beiden Kinder sei enorm. “Wir besprechen, was passiert. Unser Junior erkennt auch, dass die Ukraine ums Überleben kämpft. Er zeichnet Kriegsbilder – das finde ich furchtbar. Ich hätte gerne, dass er etwas anderes malt.” Die Kinder seien aber sehr diszipliniert, erzählt sie. “Eines Nachts war ich so müde, dass ich einschlief und den Luftalarm nicht hörte. Mein Sohn weckte mich ganz ruhig und sagte: ‘Mama, wir müssen wieder in den Keller. Steh auf. Du wirst später schlafen.'”
Als First Lady der Ukraine wurde Olena Selenska Anfang Mai von US-Präsidentengattin Jill Biden überraschend in der Ukraine besucht. Beide sprachen gut eine Stunde miteinander. Jill Biden sagte, sie sei bewusst zum Muttertag gekommen. “Ich dachte, es sei wichtig, dem ukrainischen Volk zu zeigen, dass dieser Krieg aufhören muss”, erklärte die First Lady der USA.
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