Operation Luxor: Ermittler entdecken brisante Feindes-Liste
Die Hausdurchsuchungen bei mutmaßlichen Muslimbrüdern führten zu brisanten Funden, darunter eine Liste mit sämtlichen in Österreich lebenden Kritikern des politischen Islams samt Fotos von ihnen. Die Betroffenen sind entsetzt. Zwei arabisch-stämmige Journalisten sprechen gegenüber dem eXXpress von einem “Staat im Staat” und einem eigenen “Geheimdienst” der mutmaßlichen Islamisten.
Seit Anfang November laufen die Ermittlungen gegen den politischen Islam in Österreich auf Hochtouren. Sie stützen sich auf tausende Dokumente und Datenträger, die Anfang November, wenige Tage nach dem Terroranschlag von Wien, bei Hausdurchsuchungen in insgesamt 60 Wohnungen und Häusern ausfindig gemacht wurden. Die Razzien dienten dem Innenministerium zufolge dem “Kampf gegen die Hintermänner der Ideologie des politischen Islams und der Terrorfinanzierung”. Konkret geht es um mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der Muslimbruderschaft und der Hamas. Von mehr als 100 Beschuldigten ist die Rede. Die Hausdurchsuchungen fanden im Auftrag der Staatsanwaltschaft Graz statt. Ein Ermittlungsstück sorgt bereits für einiges Aufsehen.
Betroffene sind überrascht und teils verängstigt
In der Mappe eines Verdächtigen fanden die Behörden eine Namensliste samt Fotos der Genannten. Unter den schätzungsweise 40 Personen befinden sich öffentlich Bekannte und weitgehend Unbekannte, zahlreiche Muslime und ebenso Nicht-Muslime, alle von politisch teils höchst unterschiedlicher Weltanschauung. Was sie aber eint: Sie leben in Österreich und haben zumindest schon einmal Kritik an Vertretern des politischen Islams geübt. Das – so nehmen die Ermittler an – ist der Grund für die Erstellung dieser Liste: Es ist eine Feindesliste. Wie bei einer Behörde wurden alle vermeintlichen Feinde des politischen Islams darin angeführt. Warum eigentlich?
Die Genannten wurden mittlerweile einvernommen. Gegenüber dem eXXpress zeigten sie sich komplett überrascht. Manche wollen aus Angst nicht öffentlich genannt werden. Zwei arabisch-stämmige Journalisten, die schon viele Jahre in Wien leben – Kawther Salam aus Hebron und der irakischstämmige Journalist Amer Albayati – gaben dem eXXpress eine Stellungnahme ab.
"So etwas darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen"
“So etwas darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Muslimbrüder sind gefährlich”, erklärte Kawther Salam gegenüber dem eXXpress. Ihr Name samt Foto ihres Presseausweises befanden sich in der Mappe. “Ich habe nichts gegen den Islam. Aber für die Muslimbrüder bin ich offensichtlich ein Feind. Diese Liste wandert herum. Was bezwecken diese Menschen damit? Was ist ihr Plan für die Zukunft?”
Salam stammt aus Hebron. Im Dezember 2002 erhielt sie Asyl in Österreich, nachdem sie zuvor, wie sie berichtet, Todesdrohungen vom israelischen Militär und von israelischen Siedlern, sowie von islamischen Fundamentalisten erhalten hat. Seither lebt sie in Wien. In ihren Berichten attackierte sie massiv die Korruption in der palästinensischen Regierung, lange Zeit kritisierte sie auch Israel. Doch mittlerweile, wie sie unterstreicht, drehen sich ihre Berichte vor allem um Österreich.
Salam denkt, dass es vor allem zwei Gründe dafür gibt, dass ihr Name auf der Liste gelandet ist: ihre Kritik an der Islamophobie-Forschung und ihre Kritik an einer Gaza-Demo in Wien.
"Ich wurde indirekt bedroht"
Zunächst wurde Salam Anfang 2009 von mutmaßlichen Mitgliedern der Muslimbrüder auf eine Anti-Israel-Demo in Wien eingeladen. Es ging um Gaza. Vor Ort hat sich Salam, wie sie erzählt, nicht bei den Frauen eingereiht, sondern bei den Männern, noch dazu ohne Kopftuch und auch sonst nicht so gekleidet, wie gewünscht. „Sie haben mich angeschrien und verlangten, dass ich weggehe. Danach habe ich das in einem Artikel kritisiert. Am darauffolgenden Tag erhielt ich einen Anruf. Der Anrufer (Anm. Er wird von einigen Personen als Chef der Hamas in Österreich bezeichnet) hat mir indirekt, verklausuliert gedroht, indem er wörtlich gesagt hat: ‚Was würde wohl passieren, wenn ich diesen Artikel übersetzen lasse und dem türkischen Geheimdienst zukommen lasse?‘“ Ein klärendes Gespräch mit Salams Ehemann im Millenium-Tower konnte danach die Wogen etwas glätten.
Der zweite Grund: Ein österreichischer Islamophobieforscher, gegen den die Behörden zurzeit ebenfalls ermitteln, ist gleichfalls an Kawther Salam herangetreten und sandte ihr eine Rede zu, die er anlässlich der Entgegennahme des Bruno-Kreisky-Preises gehalten hat. „Ich habe gerade Ihre Homepage besucht und dachte, dass Sie das vielleicht interessant finden“, schrieb er. Kawther Salam fand an seiner Rede aber keinen Gefallen. Sie antwortete ihm und veröffentlichte ihr Entgegnung. „Für mich war das alles nur Hetze gegen Österreich. Das ist meine Meinung. So etwas sollte man nicht unterstützen. Was ich dem Dozenten – und nicht nur ihm – klar machen möchte: ‚Die Österreicher sind nicht gegen Sie! Sie sind nicht Ihre Feinde.‘ Aber diese Leute setzen sich das in den Kopf. Sie sind gegen alle, und halten alle anderen für ihre Feinde.“
Salam: Sie sehen uns als Feinde
Kawther Salam ist über die Liste, die ihr die Behörden nun vorgelegt haben, entrüstet. Für sie ist das Ausdruck einer bestimmten ideologischen Einstellung: “Die Islamisten leben hier in einem Rechtsstaat. Für uns alle gelten dieselben Gesetze, aber diese Personen bilden ihren eigenen Staat in unserem Staat und akzeptieren uns nicht als Mitbürger. Sie formieren eine Gesellschaft, um gegen unsere Gesellschaft zu arbeiten und alle zu bekämpfen, in denen sie ihre Feinde sehen. Sie machen das alles im Untergrund. Nehmt Euch in Acht vor diesen Menschen. Nach außen zeigen sie ein anderes Gesicht.”
Was für Kawther Salam entscheidend ist: “Wo wandert diese Liste hin und was bezweckt sie? Wir, die wir auf dieser Liste sind, wir sind ihre Feinde und ihr Ziel. Ich weiß, wie diese Leute arbeiten von meiner eigenen Heimat. Ich war neun Jahre alt, als ich auf offener Straße von meinem Schullehrer attackiert wurde, weil ich kein Kopftuch getragen habe.“ Islamisten würden die Menschen und den Islam für ihre Zwecke manipulieren. “Sie sammeln hier Gelder, angeblich für die Menschen in Syrien und Palästina, aber dann stecken sie die Hälfte ein. Arme Menschen geben ihnen sogar Schmuckstücke, weil sie glauben, damit würde Essen für die armen Kindern im Nahen Osten finanziert. In Wahrheit bereichern sich die Muslimbrüder damit selbst.”
Amer Albayati: Sie haben ihren eigenen Geheimdienst
Amer Albayati, 1942 in Bagdad geboren, ist ein prominenter Journalist in Wien, der für sämtliche internationale Print- und TV-Medien arbeitet und häufig TV-Studio-Gast ist. Mit dem Islamismus und Terrorismus hat er sich auch als Buchautor befasst. Er floh aus dem Irak und lebt seit 1980 mit seiner Familie in Wien. Sein Name befindet sich ebenfalls auf der Liste. “Ich war sehr überrascht über diese Liste”, sagt er gegenüber dem eXXpress. “Ich pflegte seit Jahren freundschaftlichen Kontakt mit dem Eigentümer dieser Liste. Ich war immer höflich zu ihm. Eine gewisse Zeit lang besuchten wir sogar dieselbe Moschee. Mein Kontakt zu ihm und seinen Freunden war freundlich.“
Allein die Existenz der Liste verblüfft ihn: “Viele namhafte Persönlichkeiten sind darunter, angesehene Personen, auch Journalisten und ein ehemaliger Nationalratsabgeordneter, aber auch ganz einfache Menschen.” Für Amer Albayati ist klar: “Diese Liste zeugt davon, dass es hier eine Art Geheimdienst gibt. Ich denke, die Fotos wurden herumgereicht. So betreiben sie Hass und Hetze gegen unbescholtene Menschen.” Unter türkischen Islamisten seien solche Listen auch üblich, und es gebe Hinweise, dass sie an den türkische Geheimdienst weitergeleitet werden.
Von Politikern in Europa hofiert
Ein einziges Mal sei er aber von dem Besitzer der Liste öffentlich angegriffen worden: “Das war in einem Restaurant. Wir waren beide von einem gemeinsamen Freund zum Essen eingeladen worden. Plötzlich attackierte er mich vor allen und warf mir vor, ich sei gegen den Islam. Diese Feindseligkeit hat mich überrascht. Ich habe die Muslimbrüder nie als Feinde gesehen.”
Was Albayati bis heute empört: “All diese Menschen wurden in Österreich im Fastenmonat Ramadan zum Fastenbrechen in das Wiener Rathaus, das Bundeskanzleramt und das Bundespräsidentenamt eingeladen. Beim damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) war sogar der Chef der Hamas in Österreich. Mir wurde erzählt, dass die Behörden Gusenbauer zuvor vorgewarnt und informiert haben.“
Für Albayati steht fest: “Die Muslimbrüder betreiben Hass und Hetze, nicht nur in islamischen Ländern, sondern auch in Europa.” Vor allem linke Parteien würde sie aber in Europa unterstützen.
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