Reichsbürger: Ein Jahr im Gefängnis, keine einzige Anklage in Sicht
Eine Großrazzia mit 3000 Polizisten sorgte vor genau einem Jahr für großes Aufsehen. Angeblich wurde durch die Festnahmen von Prinz Heinrich XIII. Reuß (72) und weiteren mutmaßlichen Reichsbürgern ein Putsch in Deutschland vereitelt. Doch bis heute hat es nicht zu einer einzigen Anklage gereicht.
Wenn für sie kein kleines Weihnachtswunder geschieht, werden 23 Untersuchungshäftlinge in unterschiedlichen Gefängnissen auch ihren zweiten Heiligen Abend hinter Gittern verbringen. Am Donnerstag dieser Woche jährte sich eine der größten Razzien in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Es ging jedoch nicht um Terroristen der RAF wie in den blutigen 1970-er Jahren, sondern um sogenannte Reichsbürger. Am 7. Dezember 2022 stürmten 3000 Polizisten in elf Bundesländern über 100 Objekte. In Kitzbühel traf es den Spitzenkoch Frank Heppner (63), was für ein überregionales Echo sorgte. Bei Heppner handelt es sich um den Vater der Verlobten von ÖFB- und Real Madrid-Star David Alaba. Er sollte angeblich im Netzwerk der Staatsverweigerer für die Versorgung von 130 geplanten Heimatschutzkompanien werden, was dieser bestreitet. Heppner wurde inzwischen enthaftet.
23 andere sitzen noch. Darunter der mutmaßliche Anführer: Prinz Heinrich XIII. Reuß, ein adliger Kaufmann aus Frankfurt am Main. Unter seiner Führung – so sind die Ermittler des Generalbundesanwalts überzeugt – sollte der Reichstag in Berlin gestürmt, Politiker festgesetzt und ein neues deutsches Fürstentum ausgerufen werden. Zu seinen Helfern sollen neben einerv ehemaligen AfD-Bundedstagsabgeordneten auch frühere Polizisten und Elitessoldaten des Bundeswehr-Kommandos “Spezialkräfte” (KSK) gehört haben.
Justiz erwägt, an drei Gerichten gleichzeitig zu verhandeln
Die Umsturzpläne klangen verwegen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sollte angeblich verschleppt und live vor TV-Kameras vorgeführt werden, bevor Prinz Reuß die Neugründung des Fürstentums verkündet hätte. Deutschland wäre quasi über Nacht von den paar Reichsbürgern übernommen worden. was nach Phantastereien älterer Herrschaften klingt, erfüllt für die Ermittler zumindest den Tatbestand der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, wenn es nicht sogar zum Hochverrat reicht.
Allerdings gibt es bis dato keine einzige Anklage gegen einen der Reichsbürger. Ein Jahr hat offensichtlich nicht ausgereicht, um genügend stichhaltige Beweise zusammen zu tragen. So sitzen nach wie vor 23 angebliche Staatsverweigerer in U-Haft, 69 weitere werden als Beschuldigte geführt.
Das Verfahren hat eine derartige Größenordnung angenommen, dass die Justiz ernsthaft erwägte, an drei Landgerichten parallel zu verhandeln. Sollten denn jemals die Anklageschriften fertiggestellt werden.
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