Reisner mahnt: Stärke zeigen statt Panik – Drohnen testen Europas Lufthoheit
Drohnen über Europa, Alarm in der Bevölkerung, hektische Behörden: Für Oberst Markus Reisner ist das kein Zufall, sondern Teil einer gezielten Strategie Moskaus. Russland teste die Lufthoheit und die Nerven Europas. Sein Rat: „Wir dürfen uns nicht in Panik versetzen lassen, sondern müssen Stärke zeigen.“
Drohnen über europäischen Städten, verunsicherte Bürger, hektische Behörden: Für Oberst Markus Reisner, Leiter des Instituts für Offiziersgrundausbildung an der Theresianischen Militärakademie, ist das kein Zufall. Die zunehmenden Sichtungen seien Teil einer gezielten Strategie Moskaus, sagt er.
„Jetzt zeigt sich, ob wir unseren Luftraum wirklich unter Kontrolle haben“, warnt der Militäranalytiker gegenüber ntv. Fragen nach Zuständigkeiten, rechtlichen Grundlagen und der Reaktionsfähigkeit Europas würden plötzlich brennend aktuell. Szenarien, die man bisher nur in Planspielen diskutierte, seien Realität geworden. „Denn wenn der Staat den Luftraum nicht mehr beherrscht, verliert er die Kontrolle.“
„Die Russen wollen Panik verbreiten“
Reisner erkennt in den jüngsten Drohnenaktivitäten eine bewusste psychologische Kriegsführung – sowohl über der Ukraine als auch zunehmend in Europa. „Fast jeden zweiten Tag fliegen schwere Angriffe auf ukrainische Städte, täglich dringen Drohnen in den Luftraum ein“, erklärt er. Diese Attacken seien Teil einer doppelten Strategie: In der Ukraine solle die Bevölkerung zermürbt werden, im Westen wolle Moskau durch Sichtungen und Alarmmeldungen Panik und Unsicherheit säen.
Während die Ukrainer nach vier Jahren Krieg eine bemerkenswerte Resilienz entwickelt hätten, reagierten westliche Gesellschaften schon auf vereinzelte Drohnensichtungen mit Aufregung. Genau darauf ziele der Kreml ab – eine Gesellschaft, die sich selbst verunsichert, brauche keinen militärischen Schlag, um ins Wanken zu geraten.
Flughäfen lahmgelegt – das Schreckensszenario
„Genau dieses Bild der Ohnmacht wollen die Russen erzeugen“, warnt Reisner. Ein realistisches, aber beunruhigendes Szenario: Drohnen oder vermeintliche Angriffe legen den zivilen Luftverkehr lahm. Flughäfen stehen still, Flüge werden gestrichen, Hunderttausende Passagiere stranden.
Für Reisner ist das kein Science-Fiction-Szenario, sondern eine konkrete Gefahr. Das Ziel des Kremls sei klar: Chaos erzeugen, staatliche Organe blamieren, das Vertrauen in westliche Strukturen untergraben. Ein Angriff auf die Psyche – nicht auf Beton oder Stahl.
Putins Muster: „Demoralisieren, destabilisieren, einmarschieren“
Der Oberst sieht darin eine Wiederholung sowjetischer Taktik. Schon im Kalten Krieg habe Moskau versucht, zunächst die Bevölkerung zu demoralisieren, dann den Staat zu destabilisieren, um schließlich mit dem Versprechen der „Wiederherstellung der Ordnung“ einzumarschieren.
„Das gleiche Muster erkennen wir heute wieder“, sagt Reisner. Nur die Mittel hätten sich geändert: Drohnen, Cyberattacken, Desinformation – moderne Waffen in einem alten Spiel. Ziel bleibe die Schwächung westlicher Gesellschaften, die dadurch ihre Handlungsfähigkeit infrage gestellt sehen.
Abfangquote fällt dramatisch – neue Phase des Krieges
Besonders alarmierend: Die ukrainische Abfangquote russischer Raketen sei laut Reisner von rund 40 auf nur noch sechs Prozent gesunken. Russland habe seine Systeme technisch aufgerüstet – mit Flugbahnen, die sich während des Fluges ändern, tiefer fliegen und schwerer zu erfassen sind.
Während die Ukraine unter massivem Druck steht, bereitet sie sich auf eine neue Phase des Krieges vor – mit Angriffen auf russisches Territorium. Dafür fordert Kiew die Lieferung weitreichender Präzisionswaffen – der exxpress berichtete.
„Hier kommen etwa die US-amerikanischen Tomahawk-Marschflugkörper ins Spiel“, erklärt Reisner. Mit ihrer hohen Reichweite könnten sie russische Abschussrampen tief im Landesinneren treffen. „Sie würden perfekt ins System passen, weil sie die Fähigkeit haben, Navigation und Orientierung mehrfach zu wechseln – das macht sie äußerst störresistent.“
Auch europäische Entwicklungen wie der britisch-deutsche Marschflugkörper FP-5 Flamingo oder die Drohne An-196 Ljuty seien entscheidend. Beide Systeme hätten Reichweiten von bis zu 2000 Kilometern. „Diese Waffen können Sprengstoff mit hohem Tempo in weit entfernte Ziele bringen“, sagt Reisner, „doch sie müssen erst beweisen, dass sie technisch wirklich ausgereift und resistent gegen russische Störversuche sind.“
Winter als Prüfstein
Mit Blick auf die kommenden Monate warnt Reisner vor einem erneuten russischen Angriff auf die ukrainische Infrastruktur. Schon im vergangenen Winter seien bis zu 80 Prozent der Energieversorgung zerstört oder beeinträchtigt gewesen.
„Die Sorge ist groß, dass die Russen versuchen, die Ukraine mit Luftangriffen in die Knie zu zwingen“, meint Reisner. Um dem zu begegnen, brauche Kiew weitreichende Waffen, eine stabile Energieversorgung und internationale Unterstützung.
„Die Ukraine ist unser Testfeld“
Reisners Bilanz ist klar: Ohne westliche Hilfe könne die Ukraine den russischen Angriff nicht durchhalten. Doch auch Europa müsse lernen, aus diesem Krieg die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Die Ukraine ist in vieler Hinsicht unser Testfeld“, sagt er.
Entscheidend sei, ob Europa gelernt habe, mit hybriden Bedrohungen umzugehen – militärisch, technisch und mental. Die USA spielten dabei eine zentrale Rolle: Ihre Aufklärung ermögliche viele der präzisen Gegenschläge Kiews. „Ohne die USA wären viele dieser Operationen gar nicht möglich“, unterstreicht Reisner.
Gleichzeitig warnt er vor der psychologischen Dimension: „Für Putin ist Chaos im Westen ein Gewinn – selbst dann, wenn es die NATO wachrüttelt.“ Jeder Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Westens sei ein Erfolg für Moskau.
Reiners Rat: „Wir dürfen uns nicht in Panik versetzen lassen, sondern müssen Stärke zeigen. Der Gegner zielt auf unsere Nerven – nicht nur auf unsere Systeme.“
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