Richter im Kurz-Prozess: Selbst verurteilt - doch befangen?
Wie desaströs ist das denn? Im Polit-Prozess des Jahres gegen Ex-Kanzler Kurz wegen mutmaßlicher Falschaussage wurde ausgerechnet ein schwer angezählter Richter eingesetzt, der zu Beginn der Beweisaufnahme selbst nur die halbe Wahrheit erzählte. Man muss kein Prophet sein: Das Urteil wird nicht halten.
Die Verteidigung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz war wohl auf der richtigen Fährte, als sie zu Beginn des Prozesses wegen einer angeblichen Falschaussage des früheren Regierungschefs im Ibiza-Untersuchungsausschuss einen Befangenheitsantrag gegen den Richter stellte. Anwalt Otto Dietrich zweifelte an dessen Objektivität, weil er ihm ein allzu großes Naheverhältnis zum ehemaligen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz unterstellte. Pilz war bekanntermaßen einer der schärfsten Kritiker von Sebastian Kurz – der politische Feind.
Der Richter lehnte den Antrag ab: “Ich habe weder ein freundschaftliches noch ein Vertrauensverhältnis zu Dr. Pilz”, begründete er seine Entscheidung. Als früherer Staatsanwalt habe er Pilz lediglich als Zeuge im Eurofighter-Verfahren einvernommen.
Doch stimmt das auch? Daran sind große Zweifel angebracht, seitdem bekannt wurde, dass der Richter in seiner Vergangenheit bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen “schuldhafter Verletzung seiner Pflichten” disziplinarrechtlich verurteilt wurde – der eXXpress berichtete.
Vertrauliche Unterlagen an einen Nicht-Vertrauten?
Und dabei ging es auch um Peter Pilz. Der disziplinarrechtlich, jedoch nicht strafrechtlich belangte Jurist soll dem früheren Grünen-Abgeordneten im Jahr 2018 in der Eurofighter-Causa illegal Informationen aus Ermittlungsakten gesteckt haben. Konkret über eine Weisung aus dem Verteidigungsressort.
Der Richter gab einem Oppositionspolitiker also vertrauliche Informationen aus Ermittlungen weiter, zu dem er nach eigenen Worten kein Vertrauensverhältnis gehabt habe. “Lebensfremd” nennen Juristen solch eine Einlassung.
Der Kurz-Richter wurde wegen seiner dienstlichen Verfehlungen zur Zahlung eines halben Monatsgehalts verurteilt. Er legte Rechtsmittel dagegen ein, zog diese jedoch wieder zurück. Bekanntgegeben wurde die damit eingetretene Rechtskraft der Geldstrafe sinnigerweise genau einen Werktag, nachdem der Richter Ex-Kanzler Kurz zu einer bedingten nicht rechtskräftigen Haftstrafe von acht Monaten verdonnert hatte.
Richter per Zufallsgenerator "ausgelost"
Alles befremdlich genug, doch die entscheidende Frage wurde noch nicht aufgeworfen: Wer hat zu verantworten, dass im wichtigsten Polit-Prozess des Jahres, immerhin gegen einen früheren Bundeskanzler der Republik Österreich, ein angeschlagener Richter eingesetzt wurde, der noch dazu bis vor kurzem für die anklagende WKStA tätig war und im Richteramt vergleichsweise ein Neuling ist?
Die Antwort wird kaum weniger Ratlosigkeit hinterlassen: Der Richter wurde wie bei einer Art Zufallsgenerator im Justiz-eigenen Computer-System dem Verfahren zugeteilt. Keiner seiner Vorgesetzten sah offenbar eine Veranlassung, den Richter allein schon aus Fürsorgepflicht zu ersetzen.
Sebastian Kurz kann sich entspannt zurücklehnen. Wie immer wird die Justiz versuchen, Ungereimtheiten aus dem Erstverfahren in der Berufung zu reparieren. Das Urteil des umstrittenen Richters wird kassiert werden.
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