
Scholz und Macron gegen Trump: „Wir sind stark“ – trotz offensichtlicher Schwäche
An großen Worten fehlte es wieder einmal nicht: Kanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte in Paris trotzig in Richtung Donald Trump: „Europa wird sich nicht ducken“. Doch die Realität sieht anders aus: Die USA sind gegenüber Europa so mächtig wie nie zuvor, die EU deutlich geschwächt. Paris und Berlin haben kein Gegenrezept.

Zwei Tage nach der Amtseinführung Donald Trumps beschworen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz bei einem gemeinsamen Treffen die europäische Einheit gegenüber dem neuen US-Präsidenten. „Europa wird sich nicht ducken und verstecken, sondern ein konstruktiver und selbstbewusster Partner sein“, sagte Scholz in Paris. Macron betonte, dass die deutsch-französischen Beziehungen mit dem Amtsantritt Trumps besonders wichtig seien.
„Unsere Haltung ist dabei eindeutig. Europa ist ein großer Wirtschaftsraum mit rund 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Wir sind stark. Wir stehen zusammen“, sagte Scholz. Man werde sich nun mit den weiteren EU-Mitgliedstaaten absprechen. Bei den Gesprächen dürfte es neben der künftigen Positionierung der EU gegenüber den USA auch um den Ukraine-Krieg und den Nahostkonflikt gegangen seien.

US-Analyst: USA so mächtig gegenüber Europa „wie seit Jahrzehnten nicht mehr“
Soweit die Worte. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Nach zahlreichen Fehlentscheidungen der EU-Staaten in den vergangenen Jahrzehnten sehen viele Analysten, vor allem in Washington, Europa auf dem absteigenden Ast. Da der Kontinent gegenüber den USA inzwischen deutlich geschwächt ist, spricht vieles dafür, dass Brüssel nun eher zum Schoßhündchen Trumps wird und den Wünschen des neuen US-Präsidenten wenig entgegenzusetzen hat.
Vernichtend fiel kürzlich ein Kommentar im Wall Street Journal aus – der exxpress berichtete. „In Trumps zweiter Amtszeit werden die USA im Verhältnis zu ihren wichtigsten Verbündeten so mächtig sein wie seit Jahrzehnten nicht mehr – und Trumps zweite Amtszeit wird noch verstörender und konfrontativer sein als seine erste“, prognostizierte der Kolumnist und ehemalige Professor für US-Außenpolitik an der renommierten Yale University, Walter Russell Mead (72).
„Ruinöse Klimapolitik“, unbeholfene Flüchtlingspolitik, technologisch nicht im 21. Jahrhundert
Der technologische Rückstand Europas, die „ruinöse Klimapolitik“ und die „nicht nachhaltigen Sozialstaaten“ seien unter anderem schuld: Die Europäer „haben den Test des digitalen Zeitalters nicht bestanden, weil sie weder die neuen Technologien noch die Unternehmen hervorbringen, die das 21. Jahrhundert braucht.“ Überdies arbeite die Brüsseler Bürokratie zu langsam. Wegen des „Versagens bei der Steuerung der Migrationspolitik“ verliere zudem „das politische Establishment“ an Boden“
Noch gravierender sei das strategische Versagen der EU. Europa reagiere „ebenso unbeholfen wie unzureichend“ auf die Unruhen im Nahen Osten, obwohl es von diesen unmittelbarer und nachhaltiger betroffen sei als die USA. „Selbst als Flüchtlingswellen aus dem explodierenden Nahen Osten und Nordafrika politische und soziale Krisen in ganz Europa auslösten, blieb die europäische Diplomatie in der Region im Wesentlichen irrelevant“.
Frankreich und Paris zuletzt ohne Elan
Überdies ist das Tandem Paris-Berlin außer Tritt geraten. Kurz vor dem Eintreffen von Scholz betonte die französische Regierungssprecherin die Notwendigkeit einer besseren bilateralen Zusammenarbeit. „Das deutsch-französische Paar muss sich dringend wiederfinden und Europa neuen Schwung verleihen“, sagte Regierungssprecherin Sophie Primas am Mittwoch in Paris.
Dass die Achse Paris-Berlin schnell wiederbelebt und relevant wird, scheint derzeit aber fraglich. Beide Staaten leiden unter Regierungskrisen, während sich die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zunehmend und mit viel Geschick auf der internationalen Bühne Gehör verschafft.
Je nach Ausgang der Bundestagswahl in Deutschland am 23. Februar könnte es sich überdies um das letzte bilaterale Treffen der beiden Staatschefs in diesem Rahmen handeln. Die deutsch-französischen Beziehungen sind in den Amtszeiten von Macron und Scholz nach Einschätzung von Experten nicht sonderlich vertieft worden.
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