Lucas Ammann nimmt kein Blatt vor den Mund: „Dieses Erkenntnis bedeutet schwarze Tage für die österreichische Medienlandschaft“, erklärt er in einem 15-minütigen YouTube-Kommentar. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs umfasst 55 Seiten – und obwohl es höchstrichterlich ist, müsse man es in einem Rechtsstaat auch sachlich kritisieren dürfen. Genau das tut er – aus juristischer, medienpolitischer und gesellschaftlicher Sicht.

Beitragspflicht auch ohne Nutzung – „absurd“ ungerecht

Der VfGH argumentiert: Schon die theoretische Möglichkeit, den ORF zu nutzen – etwa online –, genüge, um zur Beitragszahlung zu verpflichten. Ob der ORF tatsächlich konsumiert wird, spiele keine Rolle. Für Ammann ist das realitätsfern: „Wenn in einem Haushalt zehn Personen wohnen, zahlen sie einmal 183 Euro. Wohnen dieselben zehn Personen in zehn einzelnen Haushalten, zahlen sie zehnmal. Das ist absurd.“

In der Praxis führt das zu absurden Konsequenzen: Eltern studierender Kinder zahlen doppelt, wenn der Nachwuchs auswärts wohnt – einmal für den Familienwohnsitz, einmal für das Studentenquartier. Unternehmer wiederum müssen für jede Betriebsstätte gesondert zahlen, auch wenn dort niemand ORF konsumiert. Und entgegen gängiger Behauptungen sind Studenten nicht generell befreit: Nur wer Studienbeihilfe bezieht, ist ausgenommen. Ammann: „Das sind bei Weitem nicht alle.“

Kürzlich war Lucas Ammann (r.) gemeinsam mit Anwalt Mag. Gerold Beneder (M.) im exxpressTV-Studio (mir exxpress-Redakteur Stefan Beig, r.). Es sind noch weitere Verfahren gegen die ORF-Gebühr anhängig.EXXPRESSTV/EXXPRESSTV

„Grundrechte nur theoretisch zu gewähren, ist etwas anderes“

Noch schwerer wiegt für Ammann die medienpolitische Schieflage. Der ORF werde mit Geld „regelrecht zugeschüttet“, während private Medien „kaum existieren können“. Das bedeutet praktisch eine Einschränkung der Pressefreiheit: „Am Ende des Tages wird dadurch das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit eingeschränkt. Denn: Grundrechte nur theoretisch zu gewähren, ist etwas anderes, als sie faktisch zu ermöglichen.“

Der Staat selbst ist es nämlich, der dieses Ungleichgewicht schaffe. Ammann wörtlich: „Es ist der Staat, der dem ORF Geld zuschiebt – und die anderen „austrocknen“ lässt. Sie haben gar keine Chance, mitzuhalten.“

Politisch gewollte Dominanz des ORF

Die Nähe des ORF zur Politik ist für Ammann kein Zufall, sondern System: „Der Generaldirektor wird von parteipolitischen Vertretern bestellt, das Aufsichtsgremium – der Stiftungsrat – ist ausschließlich parteipolitisch besetzt. Auch nach der Gremienreform hat sich daran nichts geändert.“ Das Ergebnis: „ORF-Mitarbeiter wissen ganz genau: Wenn wir nicht spuren, hat das Konsequenzen.“

Die Privaten hingegen sind unabhängig und nur ihrem Publikum rechenschaftspflichtig – genau deshalb will man sie „offenbar nicht so stark machen wie den ORF.“

„Es geht um Ihre Pressefreiheit“

Ammann betont, dass sein Verfahren vom VfGH-Erkenntnis nicht betroffen ist – bislang habe er keinen rechtskräftigen Bescheid erhalten, auch von der OBS habe er „überhaupt nichts mehr gehört“. Doch für ihn steht mehr auf dem Spiel als individuelle Gerechtigkeit: „Es geht nicht nur um meine Pressefreiheit als Journalist – es geht um Ihre. Es geht darum, dass Sie selbst entscheiden können sollen, wo und wie Sie sich informieren. Und das geht nur dann, wenn Journalismus finanzierbar bleibt. Das geht nicht, wenn wir einen öffentlich-rechtlichen Monopolisten haben – so wie es der ORF heute ist.“

Ammann warnt vor langfristigen Folgen: „Wir sehen eine besorgniserregende Entwicklung, die dazu führen wird, dass wir in 20 oder 30 Jahren nicht mehr so eine vielfältige Medienlandschaft haben wie heute – auf die wir in Österreich eigentlich immer stolz waren.“