Selenskyj-Sager erntet Kritik: „Muss Scholz zwingen, der Ukraine zu helfen“
Selenskyj beschwerte sich neuerlich über die zögerliche Haltung von Kanzler Scholz. „Ich muss ihn zwingen, der Ukraine zu helfen“, sagte er in einem Interview. Die Aussage wird in sämtlichen deutschen Medien zitiert. Russland-Experte Gerhard Mangott bezweifelt, dass sie klug war.
Kürzlich hat Berlin entschieden, Kiew mit der Lieferung von Leopard-2-Panzern zu helfen. Dennoch sieht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Beziehung zu Deutschland in einer „schwierigen Phase“. Mit Blick auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) meinte er: „Ich muss ihn zwingen, der Ukraine zu helfen und ihn ständig überzeugen, dass diese Hilfe nicht für uns ist, sondern für die Europäer.“
Mangott: Nicht sonderlich klug
Die Aussage Selenskyjs fiel in einem Interview des „Spiegel“ und der französischen Zeitung „Le Figaro“. Der Politikwissenschaftler Prof. Gerhard Mangott (Universität Innsbruck) hält solche Sätze für einen Fehler. „Selbst wenn es stimmen sollte, ist es nicht sonderlich klug von Selenskyj in einem Interview so über den deutschen Kanzler zu sprechen“, kommentierte er auf Twitter.
Selbst wenn es stimmen sollte, ist es nicht sonderlich klug von Seleknski in einem Interview so über den deutschen Kanzler zu sprechen: "Ich muss ihn zwingen, der Ukraine zu helfen".
— Gerhard Mangott (@gerhard_mangott) February 9, 2023
Deutsches Flugabwehrsystem hat viele Menschenleben gerettet
Der ukrainische Präsident dankte Deutschland allerdings für die Lieferung des Flugabwehrsystems Iris-T. Dies habe „eine Menge Leben gerettet“. Selenskyj habe sich zuvor an Scholz gewandt und gesagt: „Olaf, hör zu, uns fehlen Raketen. Ich weiß, dass du selbst keine mehr hast, wir haben ja auch einen Nachrichtendienst. Ich weiß, du gibst uns alles, was du hast. Und ich weiß nicht, wie, aber er hat es tatsächlich geschafft, dass sie schneller produziert werden. Das war positiv.“
Das Verhältnis der Ukraine zu Deutschland verlaufe „wellenförmig, es ist ein Auf und Ab“, sagte er.
Kritik an „schmutziger Politik“ einiger europäischer Staatschefs
Selenskyj übte auch an deren Staats- und Regierungschefs in Europa Kritik, ohne sie namentlich zu nennen. „Täglich“ müsse er sie um Waffen und Sanktionen gebeten. Die Zögerlichkeit sei „lächerlich“. Der ukrainische Präsident wörtlich: „Wenn alle davon wussten, dass Putin in unser Land einmarschieren würde, warum haben sie dann keine Sanktionen verhängt? Es ist doch absolut lächerlich, wenn ihr alle öffentlich für uns eintretet und trotzdem gern die Sanktionen umgeht oder Waffen zurückhaltet.“
Das sei „schmutzige Politik“, denn: „Man weiß, Russland verliert diesen Krieg, aber verweigert der Ukraine trotzdem Hilfe, für den Fall, dass – mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Prozent – Russland doch gewinnt.“
„Putin ist ein Drache, der fressen muss“
Vor Moskaus Sieg warnte Wolodymyr Selenskyj allerdings. Putins Macht beruhe „auf Siegen und Eroberungen“, meinte er. „Man kann ihn nicht aufhalten, denn Putin ist ein Drache, der fressen muss. Um seinen Appetit zu stillen, gibst du ihm ein Land nach dem anderen, oder zumindest Stücke davon. … Aber in der heutigen Welt werden weder Grenzen noch Ozeane die Russen aufhalten.“ Und: „Wenn die Russen erst mal an eurer Grenze stehen, werdet ihr das Leben eurer Leute opfern müssen. Deshalb ist das, was die Ukraine heute tut, für euer Land günstiger.
Über die Unterstützung von Verbündeten in den ersten Tagen des russischen Angriffs auf sein Land sagte Selenskyj: „Ich sage nicht, dass es ideal lief.“ Eine ehrliche Antwort auf die Frage, ob er zufrieden sei, werde er geben, wenn der Krieg vorbei ist.
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