Skandal-Foto aus Justizministerium stellt politische Unabhängigkeit in Frage
An der Bürotür eines leitenden Staatsanwalts im Justizministerium hängt eine Karikatur, die Ex-Kanzler Kurz, Finanzminister Blümel und Tourismusministerin Köstinger verhöhnt. Das ist brisant. Gemäß der Strafprozessordnung hat die Staatsanwaltschaft “jeden Anschein von Befangenheit zu vermeiden”.
Das Foto zeigt eine Karikatur, die sich auf der Bürotür eines leitenden Staatsanwalts im Justizministeriums befindet. Die Zeichnung verspottet Ex-Kanzler Sebastian Kurz, Finanzminister Gernot Blümel, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (alle ÖVP) und Ex-Öbag-Vorstand Thomas Schmid als Pinoccios mit langer Nase. Was das Bild suggeriert: Alle vier sagen die Unwahrheit. Für sie würde dann auch die Unschuldsvermutung nicht gelten. Dass in einer Justizbehörde eine solche Geisteshaltung offen zur Schau gestellt wird, dürfte in deutlichem Widerspruch zur StPO stehen – und möglicherweise auch zum “Recht auf ein faires Verfahren” gemäß der europäischen Menschenrechtskonvention.
"Jeder Anschein der Befangenheit ist zu vermeiden!"
— Philipp Hartig (@hartig_philipp) November 17, 2021
Wie kann unter solchen Umständen ein faires Ermittlungsverfahren für die Verspotteten
erwartet werden, wenn die übliche oder mit klammheimlicher Freude gebilligte Einstellung in der Oberbehörde der StA so aussieht? pic.twitter.com/11MlCur1Zu
Paragraph 3 der StPO verpflichtet die Behörden zu “Objektivität und Wahrheitserforschung”. Der zweite Absatz erklärt unmissverständlich: “Alle Richter, Staatsanwälte und kriminalpolizeilichen Organe haben ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden.”
Es spricht Bände, wenn ein leitender Staatsanwaltschaft nicht einmal auf die Wahrung dieses Anscheins Wert legt. Man bezweifelt dann, dass er auch den zweiten Satz jenes Absatzes beherzigen wird. Diesem zufolge haben Richter, Staatsanwälte und kriminalpolizeilichen Organe nämlich “die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln.”
Korrektur-Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, das Bild hänge im Büro eines WKStA-Ermittlers. Hierbei handelte es sich um einen bedauerlichen Irrtum. “Dieses Foto wurde ganz offensichtlich nicht in den Räumlichkeiten der WKStA aufgenommen”, stellt WKStA-Sprecherin Elisabeth Täubl klar. Tatsächlich stammt das Foto von der Bürotür eines leitenden Staatsanwalts im Justizmministerium. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.
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