Dass die kürzlich beschlossene Mietpreisbremse die Wohnungsknappheit verschärfen könnte, bezweifelt Michaela Schmidt (SPÖ), Staatssekretärin bei Vizekanzler Andreas Babler. Auch die Kritik des renommierten linken US-Ökonomen und Nobelpreisträgers Paul Krugman lässt sie nicht gelten.

Die Mietpreisbremse – die erste Maßnahme der neuen Regierung – wurde nach dem Ministerrat verkündet: (v.l.) Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS), Staatssekretär Alexander Pröll (Kanzleramt, ÖVP) und Staatssekretärin Michaela Schmidt (Kanzleramt, SPÖ).APA/ROLAND SCHLAGER

Schmidt: „Es geht um die Entkoppelung von der Inflation“

„Wir beenden die Koppelung der Mieten an die Inflation“, betont Schmidt gegenüber dem exxpress beim Pressegespräch nach dem Ministerrat. „Es gibt aus meiner Sicht ökonomisch keine Rechtfertigung für diese Koppelung. Andere europäische Länder haben sie längst aufgehoben. Das hat nichts mit jenen Mietobergrenzen zu tun, die in der Literatur oft untersucht wurden.“

Auf den Hinweis, dass etwas mehr als die Hälfte der Österreicher im Eigenheim lebt, etwas weniger als die Hälfte hingegen in Mietwohnungen, räumt Schmidt ein: Man dürfe Eigentum und Miete nicht gegeneinander ausspielen. Im Regierungsprogramm gebe es zahlreiche Maßnahmen, um „Eigentum wieder leistbar zu machen“. Sanierungen und anderen Investitione würden etwa durch die öffentliche Hand unterstützt.

Krugman dürfte diese Argumentation wohl nicht überzeugen. Richtig ist, dass es schon vorher eine ebenfalls schädliche Mietpreisbindung gab. Doch im Kern bedeutet die Mietpreisbremse eines: künstlich niedrig gehaltene Mieten – zum Leidwesen der Vermieter.

Staatssekretärin Michaela Schmidt (r., SPÖ) bei der Amtsübergabe des Vizekanzleramts an Andreas Babler (M., SPÖ). Links: Vizekanzler a. D. Werner Kogler (Grüne).APA/ROLAND SCHLAGER

Vermieten wird immer unattraktiver

Ohne die Regierungsmaßnahme wären die Mieten ab April um durchschnittlich drei Prozent gestiegen, erklärt Schmidt. Heuer sind Erhöhungen in Altbau-, Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen daher untersagt. Erst 2026 sollen Mieten maximal um ein Prozent steigen dürfen, 2027 um höchstens zwei Prozent. Zudem wird die Mindestbefristung von drei auf fünf Jahre verlängert.

Das Problem: Auch für Vermieter steigen die Kosten. Das Vermieten von Wohnungen wird dadurch noch unattraktiver. Wie die Wiener Denkfabrik Agenda Austria zeigt, wurden Vermieter bereits in den vergangenen Jahren benachteiligt: Die Verbraucherpreise sind stärker gestiegen als die Richtwertmieten. Kein Wunder, dass viele Wohnungen leer stehen und nicht mehr vermietet werden. Die Folge: Das Angebot sinkt, die Wohnungsnot steigt.

Agenda Austria/Agenda Austria

Argentinien: Javier Mileis Erfolg mit Abschaffung des Mieterschutzes

Ein Blick nach Argentinien zeigt eine andere Strategie. Präsident Javier Milei – bei Linken wenig beliebt – schaffte kurz nach seinem Amtsantritt das dortige Mieterschutzgesetz ab. Die Folge: Seitdem sind die Mieten inflationsbereinigt um 40 Prozent gesunken. Vorher durften Vermieter die Miete nur begrenzt anheben, Mietverträge mussten mindestens drei Jahre unverändert bleiben. Ein fundamentaler Unterschied zur österreichischen Mietpreisbremse besteht nicht. Natürlich: Die Ausgangslage in Argentinien ist nach einer langen Wirtschaftskrise mit hoher Inflation anders. Doch wirklich überraschend wird der Erfolg keinen Ökonomen.

Präsident Javier Milei (Bild) ging den umgekehrten weg und schuf den Mieterschutz ab. PS: Er ist auch Ökonom.APA/AFP/JUAN MABROMATA

„Eine Obergrenze für Mieten verringert die Qualität und Quantität des Wohnraums“

Paul Krugman – bei Linken sehr (!) beliebt – unterstrich im Jahr 2000 in der New York Times den breiten Konsens unter Ökonomen bezüglich der Schädlichkeit solcher Maßnahmen: „Die Analyse der Mietpreisbindung gehört zu den am besten verstandenen Themen in der gesamten Wirtschaftswissenschaft und ist – zumindest unter Ökonomen – eines der am wenigsten umstrittenen.“ Eine Umfrage der American Economic Association ergab 1992, dass 93 Prozent ihrer Mitglieder der Meinung waren, „eine Obergrenze für Mieten verringert die Qualität und Quantität des Wohnraums.“ Fast jedes Volkswirtschaftslehrbuch nennt Mietpreisbremsen als Beispiel für Marktverzerrungen.

Paul Krugman wetterte schon vor 25 Jahren gegen die Mietpreisbremse.New York Times/Screenshot

Das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern verschlechtert sich

Die „vorhersehbaren“ Konsequenzen sind dem Nobelpreisträger zufolge: „Himmelhohe Mieten für unkontrollierte Wohnungen, weil verzweifelte Mieter keine Alternativen haben – und das Ausbleiben neuer Wohnbauten trotz hoher Mieten, weil Vermieter fürchten, dass die Kontrollen ausgeweitet werden.“ Zudem verschlechtere sich das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern, es entstehe ein „Wettrüsten“, um Mieter loszuwerden, während neue Vorschriften genau das verhindern sollen.

San Francisco diente Krugman als Paradebeispiel: „Die Pathologien des Wohnungsmarktes stammen direkt aus dem Lehrbuch“, schrieb er damals. „Sie sind genau das, was die Angebots- und Nachfrageanalyse vorhersagt.“

Paul Krugman (Bild) provoziert Wirtschaftsliberale gerne und gehört sicher nicht zu den Verfechtern eines Laissez-faire-Kapitalismus. Aber von der Mietpreisbremse hält ebenfalls er nichts.APA/AFP/POOL/FRANCK ROBICHON

Je größer die Einigkeit der Ökonomen, desto geringer ihr politischer Einfluss?

Ökonomen und Lehrbücher sind sich somit einig: Mietpreisbremsen können kurzfristig wirken, doch langfristig sind sie schädlich. Historische Beispiele zeigen: Wohnungssanierungen und Reparaturen werden unrentabel, Wohnungen verfallen, und die Wohnungssuche wird immer verzweifelter – besonders für ärmere Schichten.

Trotz der Einigkeit unter Ökonomen bleibt die Politik unbeeindruckt. Krugman sieht hier ein bemerkenswertes Muster: „Je größer die Einigkeit unter Wirtschaftswissenschaftlern, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Politik ihrem Rat folgt.“ Er zitiert den Princeton-Ökonomen Alan Blinder: „Ökonomen haben den geringsten Einfluss auf die Politik, wenn sie am meisten wissen und sich am meisten einig sind. Sie haben den größten Einfluss, wenn sie am wenigsten wissen und sich am vehementesten uneinig sind.“

Krugmans Fazit: „Jetzt wissen Sie, warum Ökonomen nutzlos sind: Wenn sie tatsächlich etwas verstehen, will es niemand hören.“