Gleich drei Taylor-Swift-Konzerte mussten Anfang August im Ernst-Happel-Stadion abgesagt werden. Der Grund: Terroralarm. Zwei jugendliche Islamisten planten einen Anschlag auf die Konzerte der US-Sängerin. Radikalisiert hatten sie sich im Internet. Nun sind neue Details bekannt geworden. Über einen WhatsApp-Gruppe wurden angeblich weitere IS-Anhänger als Security und Bühnenarbeiter rekrutiert. Experte Nicolas Stockhammer sagt im Express-Interview, wie Messengerdienste sowie soziale Medien einzuschränken wären und man große Veranstaltungen künftig besser schützen kann.

 

Wenn wir jetzt auf die abgesagten Konzerte zurückblicken: Wäre aus Ihrer Sicht eine Absage notwendig gewesen? Die Sicherheitskräfte hatten damals erklärt, dass die Gefahr durch die Festnahmen gebannt sei. Dennoch entschied sich der Veranstalter, in Absprache mit dem Management von Swift, trotzdem zu diesem Schritt.

 

Aus meiner Sicht war die Absage auf jeden Fall auf Basis der damals bestehenden Erkenntnisse gerechtfertigt. Ohne jeden Zweifel. Offensichtlich bestand im Vorfeld der Konzerte zumindest teilweise Unsicherheit darüber, ob möglicherweise noch zusätzliche Personen involviert gewesen sein könnten. Derzeit gibt es neue Hinweise, dass vielleicht eine oder mehrere Personen zusätzlich Teil der Dienstleistungsmannschaft eventuell sogar mit Zugang zu Sicherheitsbereichen gewesen sein könnten. Sie konnten sich vermutlich also reinschleusen, auch wenn die mutmaßliche Absicht noch nicht klar detailliert ist. Aber aus meiner Sicht war diese Entscheidung unter den damaligen Bedingungen der Unklarheit angesichts der Kurzfristigkeit definitiv richtig.

 

Wie kann man große Veranstaltungen wie Konzerte besser vor möglichen Terroranschlägen schützen?

Wie so oft geht es hier um Kooperation und das Zusammenwirken aller involvierten Stakeholder. Der Konzertveranstalter muss gut mit den Dienstleistern und den Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten. Hier ist ein koordinierter Austausch an Informationen erforderlich, sowie eine strategische Ausrichtung hinsichtlich des Spektrums möglicher Bedrohungen, um sicherzustellen, dass keine Personen Zugang zu sensiblen Bereichen erhalten, von denen potenzielle Gefahren ausgehen könnten.

Nicolas Stockhammer ist Politikwissenschaftler mit Fokus auf Sicherheitspolitik.Martina Berger

Bräuchte es mehr Qualitätsstandards bei den Sicherheitsfirmen?

Das betrifft nicht nur Sicherheitsfirmen, sondern auch Dienstleister, zum Beispiel im Bereich Logistik. Der entscheidende Punkt ist, dass hier definitiv qualitativ nachgebessert werden muss. Präventive Sicherheitsmaßnahmen sollten bereits vorab ergriffen werden, um sich auf etwaige terroristische Bedrohungen vorzubereiten. Kann man das machen? Ja. Kostet das Geld? Ja. Allerdings dürften die Kosten letztlich auf die Konsumenten, also die Konzertbesucherinnen und -besucher, abgewälzt werden. Das wird vielen nicht recht sein.

Regierung könnte versuchen, bestimmte TikTok- und YouTube-Inhalte kurzfristig vom Netz zu nehmen

Bedeutet das auch, dass es strengere Vorgaben für die Rekrutierung von Bühnenarbeitern oder Sicherheitskräften braucht?

Es ist eine erweiterte, standardisierte Überprüfung erforderlich, was die sicherheitsrelevanten Aspekte zu Personen betrifft. Das beginnt mit einem aktuellen Strafregisterauszug und kann bei Bedarf einen Abgleich mit den zuständigen Behörden beinhalten, falls ein konkreter Verdacht bestehen könnte.

 

Die Islamisten haben sich zu einem großen Teil über das Internet radikalisiert. Was wäre die sinnvollste Maßnahme gegen die Radikalisierung im Internet und in den sozialen Medien? Kann die Regierung überhaupt etwas tun, zum Beispiel durch die Überwachung von Messengerdiensten?

Ja, aber das sind in der Regel zwei verschiedene Paar Schuhe. Das eine ist das Internet, als der Ort, an dem Propaganda geteilt wird, wo extremistische Botschaften und Inhalte zur Verfügung gestellt und konsumiert werden. Das andere ist der Austausch und die Kommunikation über verschlüsselte Messengerdienste zwischen Personen, die sich radikalisiert haben oder im Begriff sind, sich zu radikalisieren.

Die anlassbezogene Möglichkeit zur Überwachung von Messengerdiensten ist notwendig, um Terrorismus effektiv bekämpfen zu können. Was die Kontrolle extremistischer Inhalte im Netz betrifft, braucht es europaweite, koordinierte Maßnahmen, beispielsweise indem man die großen Internet-Provider und Social -Media Plattformen in die Pflicht nimmt.

Das hat natürlich Grenzen, denn gerade TikTok, dessen Strukturen in China ansässig sind, wird man als Europäische Union sehr schwer adressieren können. Auch Telegram, das von jugendlichen radikalisierten Extremisten als Kommunikationstool bevorzugt wird, ist seitens der EU sehr schwierig zu „erreichen“, da es strukturell in Russland verortet ist.

„Der politische Islam ist ein Katalysator für Extremismus“

Kann die österreichische Regierung hier überhaupt einschränkend wirken, sei es auf die Messengerdienste oder die großen Social-Media-Plattformen?

Als nationale Regierung kann man versuchen, TikTok, YouTube, Twitch und andere Plattformen anzusprechen und von ihnen verlangen, bestimmte Inhalte kurzfristig vom Netz zu nehmen. Allerdings ist das ein langer, zäher Kampf. Weiterreichende Maßnahmen sind aktuell leider eher unwahrscheinlich.

Derzeit muss sich der Verfassungsschutz auf jene Mittel beschränken, die derzeit rechtlich zur Verfügung stehen. Da gibt es natürlich Möglichkeiten, „konventionell“ zu reagieren, also etwa Sprachtelefonie mitzuhören, offene Kommunikation auf sozialen Medien mitzuverfolgen, oder gegebenenfalls die physische Überwachung. Allerdings sind diese Möglichkeiten in Hinblick auf das Ausweichen von Extremisten auf „sichere Kanäle“ aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage begrenzt.

Gibt es die eine Maßnahme, die vor Terrorgefahr schützt, oder handelt es sich um ein Gesamt-Sicherheitspaket?

Nein, das kann immer nur ein gesamtheitlicher Zugang sein, da die Konstellationen mittlerweile so komplex und verflochten sind, dass viele Ebenen berücksichtigt werden müssen. Mit einer einzigen Maßnahme, wie etwa einem Messerverbot (das natürlich zu begrüßen ist), lässt sich in der Regel vor dem Hintergrund diffuser Bedrohungen und zunehmend virtueller Zugänge bzw. einer solchen Vernetzung von Extremisten nicht immer sofort das gewünschte Ergebnis erzielen.

Nach den mutmaßlichen Anschlägen hat die FPÖ ein Verbot des politischen Islams gefordert. Wie sinnvoll halten Sie dieses Verbot?

Ein Verbot des politischen Islams ist sicherlich eine denkbare und in der Sache sinnvolle Variante. Klar ist: Der politische Islam ist, wie das Beispiel der Hamas gezeigt hat, deren Wurzeln im politischen Islam liegen, ein Katalysator für Extremismus und letztlich die jihadistische Ausprägung des Islamismus. Grundsätzlich ist ein solches Verbot nur dann effektiv, wenn es legistisch richtig umgesetzt wird, daher zum Beispiel in Analogie zum Verbotsgesetz gestellt wird.