Der Beginn der Sitzung um 9 Uhr verlief noch ruhig und zivilisiert – mit einer Gedenkminute anlässlich des Attentats von Villach und einer emotionalen Rede des Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz (FPÖ). Mit bebender Stimme sprach Rosenkranz. “Ein junger Mann, 14 Jahre alt, von seinem veröffentlichten Foto schaut uns Alex an. Er wurde bestialisch aus seinem Leben herausgerissen.” Rosenkranz, selbst sichtlich ergriffen, kämpfte mit den Tränen, als er an das junge Opfer erinnerte. “Das sind Tränen der Trauer und der Wut.”

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger pflichtete Rosenkranz bei und bedankte sich bei ihm für die Worte – doch im Laufe des Tages eskalierte die Debatte schnell.

Eine Gedenkminute zu BeginnAPA/TOBIAS STEINMAURER

FPÖ fordert Konsequenzen: "Eklatantes Behördenversagen"

Die FPÖ machte umgehend klar, dass sie die Tragödie nicht nur betrauern, sondern politisch aufarbeiten will. Die Freiheitlichen reichten einen dringlichen Antrag unter dem Titel “IS-Terror in Villach durch eklatantes Behördenversagen” ein. FPÖ-General Christian Hafenecker zeichnete eine Chronologie des angeblichen Versagens der Regierung. “Unser Asylsystem ist ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko geworden. Die islamistische Anschlagsgefahr ist akut.”

Hafenecker attackierte den Innenminister frontal: Dass Gerhard Karner (ÖVP) den Anschlag als Vorwand für die Messenger-Überwachung nehme, sei “schäbig”: “Warum setzen Sie auf Kontrollmaßnahmen gegen die eigene Bevölkerung, anstatt echten Grenzschutz zu gewährleisten?”

Der freiheitliche Generalsekretär sprach sich für ein Verbot des politischen Islams aus und stellte klar: “Doch ich bin überzeugt, dass Sie das nicht hinbekommen werden.” Seine Rede heizte die Stimmung weiter auf, Rosenkranz mahnte ihn für die Bezeichnung “schäbig” mit einem Ordnungsruf.

Cristian Hafenecker (FPÖ) fordert ein Verbot des politischen Islam, ist jedoch überzeugt, dass das die künftige Regierung nicht "hinbekommen" wird.APA/HELMUT FOHRINGER

Karner schießt zurück: "Schändliche Instrumentalisierung"

Innenminister Gerhard Karner warnte, dass “zeitgemäße Instrumente” notwendig seien, um künftige Anschläge zu verhindern. Insbesondere plädierte er für eine verschärfte Messenger-Überwachung. “Wir reden nicht von Massenüberwachung, sondern von gezielten Fällen, um Terror zu verhindern.”

Dann folgte ein Satz, der das Parlament in Aufruhr versetzte: Karner warf der FPÖ und den Identitären vor, das Bild des getöteten Jungen für politische Zwecke zu “instrumentalisieren” – und benützte dann ebenfalls das Wort “schäbig”. Karner: “Das ist schäbig, das ist schändlich. Menschen, die so etwas tun, sollten sich schämen.” Die Reaktion kam prompt: FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sprang auf, brüllte Karner an und warf ihm vor, “politische Verantwortung für ein totes Kind” zu tragen. Die Sitzung geriet völlig aus dem Ruder, Rosenkranz erteilte den nächsten Ordnungsruf.

(v.l.) Klubobfrau Sigrid Maurer (GRÜNE) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) während der Nationalratssitzung APA/TOBIAS STEINMAURER

Tumulte, Zwischenrufe und ein weinender SPÖ-Abgeordneter

Nach Karner ergriff FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst das Wort. Sie kritisierte die sich anbahnende Ampel-Koalition benutzte ebenfalls das Wort “schäbig” – was zu einem weiteren Ordnungsruf durch Rosenkranz führte. Martin Graf (FPÖ) empörte sich lautstark darüber, dass Karner nicht ebenfalls gemaßregelt wurde. “Noch schäbiger, Leute, die sich nicht wehren können!”, rief er empört, während Rosenkranz beschwichtigte: Der Innenminister habe mit dem Wort eine Organisation bezeichnet, nicht eine Person im Parlament.

An schließend sprach SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried und brach dabei selbst in Tränen aus: “Wie schrecklich ist es, wenn sein Kind getötet wird? Das ist Zukunftshoffnung, die da vernichtet wird.”

Susanne Fürst (FPÖ) erhielt ebenfalls einen Ordnungsruf für das Wort "schäbig".APA/TOBIAS STEINMAURER

Messenger-Überwachung und Neuwahl-Antrag

Nico Marchetti (ÖVP) griff die FPÖ scharf an und bezeichnete den Vorwurf eines “Systemversagens” als haltlos. “Illegale Migration ist ein Punkt, wo es internationale Zusammenarbeit braucht.” Gleichzeitig verteidigte er Karners Forderung nach einer strengeren Messenger-Überwachung.

Neben dem Terror-Antrag der FPÖ stand auch der Neuwahl-Antrag zur Debatte. FP-Chef Herbert Kickl kündigte zusätzlich zwei weitere Anträge an: Keinen Übergang zur Staatsbürgerschaft für Asylwerber und ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam.