Türkische Israel-Hasser und Hamas-Fans touren unbehelligt durch Europa
Prominente türkische Influencer verbreiten im Web Israel-Hass und Hamas-Huldigungen. Trotzdem können sie – unbehelligt von hiesigen Behörden – von Event zu Event durch Deutschland, Österreich und andere Länder Europas touren.
Dursun Ali Erzincanli ist ein prominenter türkischer Dichter und Musiker. Seine oft religiösen Themen gewidmeten Werke finden sowohl in der Türkei als auch im Ausland große Resonanz. Staatschef Recep Tayyip Erdogan zählt zu seinen Fans. Woher der Wind weht, ist auf Erzincanlis Social-Media-Accounts nachzulesen.
„Juden wollen Weltkrieg"
Da geht es nicht bloß um Religion, sondern um islamischen Extremismus und Antisemitismus in Reinkultur. Und das schon lange vor der jüngsten Eskalation in Nahost. „Nach zionistischer Überzeugung ist ein großer Weltkrieg notwendig, damit die 1000 Jahre dauernde jüdische Ära beginnen kann”, postete Erzincanli vor sieben Jahren auf X (damals Twitter) und gab seine Sicht der Geschichte samt dieser Prognose zum Besten: „Nach dem Ersten Weltkrieg versammelten sie (die Juden, Anm.) sich in Palästina. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten sie einen Staat. Nach dem Dritten Weltkrieg wird ihnen angeblich die Welt gehören (!)”.
Terroristenbruder
Wer so tickt, hat auch zum palästinensischen Terror eine klare Position. Sechs Tage nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 äußerte er auf X die Ansicht, es wäre für die Juden „die größte Wohltat, wenn nicht die Palästinenser Gaza räumen, sondern vielmehr die Juden Palästina räumen und fluchtartig verlassen.” Und damit auch keine Zweifel an seiner Hamas-Freundschaft aufkommen, schob er ein paar Wochen darauf eine Lobpreisung auf die Quassam-Brigaden, dem militärischen Flügel der Hamas, nach: „Am Jüngsten Tag wird niemand fragen: ‘Wer sind diese?’ Man wird sagen: ‘Hier kommen die Quassam-Brigaden. An der Spitze: Abu Ubaida!’ (im vergangenen August bei israelischem Luftangriff getöteter Sprecher der Terrorbrigade, Anm.). … Ich beneide euch! Euer Weg ist mein Weg. Ihr seid meine Brüder, ich bin euer Bruder.”
„Hamas ist Hoffnung"
Am 14. Mai 2024 präsentierte er seinen Followern auf X eine Hamas-Lobpreisung der AKP-nahen religiösen Stiftung Hüdayi: „Die Hamas ist die lauteste Stimme Palästinas, die gewählte politische Autorität Gazas und die Hoffnung des palästinensischen Volkes. (…) Die legitime Haltung und der gerechte Kampf der Hamas werden früher oder später Erfolg haben, und die Al-Aqsa-Moschee und die palästinensischen Gebiete werden befreit werden.”
Märtyrerkult
Ende Juli 2024 reagiert er auf die Tötung des Hamas-Führers Ismail Haniye mit diesem X-Post: „Möge Dein Martyrium gesegnet sein.” Als drei Monate später auch der Organisator der Hamas-Angriffes, Yahya Sinwar, in Rafah getötet wurde, schrieb Erzincanli auf X: „Sein Leben im Nahkampf zu geben, ist die höchste Form des Märtyrertums.”
Allah, vernichte Israel!
Erzincanlis Faible für die Hamas scheint Saliha Erdim zu teilen. Die eigentlich auf Ehe und Kindererziehung spezialisierte türkische Familientherapeutin und gefeierte Buchautorin ist häufig auf Pro-Palästina-Demos anzutreffen, die in der Türkei noch mehr als hierzulande einseitig für die Palästinenser Partei ergreifen und den Hamas-Terror ausblenden. Vier Wochen nach dem Hamas-Massaker teilte sie am 3. Nov. 2023 auf Instagram ein Video eines Gaza-Aktivisten und schrieb darunter dieses Gebet: „Oh Allah, gewähre auch uns diese Kraft des Glaubens und schenke unserem Palästina umgehend die Freiheit.” Was sie unter Freiheit für Palästina versteht, brachte sie unverhohlen im nächsten Satz zum Ausdruck: „Vernichte das unterdrückerische, mörderische, terroristische, zionistische Israel. Deine Macht reicht für alles aus.”
Frau Erdim schafft es sogar, den Bogen von der Familientherapie zur Palästinafrage zu spannen. „Sensibilität sollte innerhalb der Familie füreinander und für unsere persönliche Weiterentwicklung bestehen”, dozierte sie vor zwei Wochen in einem türkischen Podcast, „danach entsteht ohnehin auch die Sensibilität gegenüber Palästina.“ Wenn die Familientherapeutin spricht, dann geht es also oft auch um Gaza und jene Freiheit, die sie meint.
Millionen Follower
Erzincanli und Erdim eint mehr als eine Gesinnung, Auf ihren Socialmedia-Kanälen haben sie ungefähr gleich viele Follower: jeweils etwa 1,5 Millionen. Sie sind also einflussreiche Influencer. Und beide treten gern auf Events der türkischen Diaspora in Westeuropa auf, was ihre Wirkmacht als Meinungsmacher im Web auch hierzulande zu einem beachtenswerten Faktor macht. Es geht vor allem ums Geschäft, nämlich darum, ihre Bücher mit Vorträgen und Autogrammstunden zu bewerben. Ihre Prominenz und Popularität als Autoren bzw. Künstler verleiht ihnen jedoch eine Autorität, die auch ihren politischen Positionierungen Gewicht gibt.
Was tut die Politik?
Das nächste derartige Event steht an diesem Freitag in Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) auf dem Programm. Im dortigen Filmpalast Schauburg sind die beiden als Stargäste bei „Time to seminer” (etwa: Zeit für Seminar) angekündigt.
Für Erdim ist es nicht der erste Auftritt hier: Schon im Februar standen Mitglieder der türkischen Community Schlange, um die türkische Autorin im Filmpalast Schauburg live zu erleben. Erzincanli ist heuer schon drittten Mal in Deutschland: Im Februar und im September trat er in der Kölner DITIB-Zentralmoschee auf, was den türkischstämmigen deutschen Publizisten und Muslim Eren Güvercin auf X zu diesen (unbentwortet gebliebenen) Fragen veranlasste: „An die DITIB: Warum wird so ein Islamist, Hamas-Fanboy und Terrorverherrlicher aus der Türkei eingeflogen und in der DITIB-Zentrale hofiert? Und an die Politik: Warum hat so etwas keine Konsequenzen?”
„Scheißegal"
Tatsächlich gibt es auch im aktuellen Fall keine Konsequenzen. Veranstalter in Gelsenkirchen ist der örtliche Autohändler Ibrahim Basatli. Als Geschäftsführer von „Time Events & Shop” bietet er religiöse Events, Bücher sowie Modelle islamischer Kultstätten wie der Kaaba aus „Islamic Bricks”, einer Art Muslim-Lego. Auf die Frage nach den politischen Auslassungen seiner beiden Stargäste, beteuert er, dass „meine Veranstaltungen weder antisemitisch noch politisch sind. Meine Seminare sind mit Kultur und Familie verbunden”. Und es sei ihm „auf Deutsch scheißegal, was die außerhalb meiner Veranstaltungen machen”.
SPD & CDU schweigen
Ob das Politik und Behörden ähnlich locker sehen? Eine Anfrage bei Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) ergibt keine Positionierung: „Politische Versammlungen müssen bei der Polizei, nicht bei der Stadtverwaltung angemeldet werden” teilt ihr Büro mit ohne auf die Inhalte der Postings einzugehen. Auch der 2. Bürgermeister Werner Wöll (CDU) übt sich in Zurückhaltung. Er teilt lediglich mit, der städtischen Polizei die (dieser ohnehin längst vorlilegenden) Informationen über Erdim und Erzincanli weitergeleitet zu haben, will sich aber nicht dazu äußern.
Fortwährend geprüft...
Die Gelsenkirchener Polizei hatte schon Anfang Oktober auf Anfrage mitgeteilt: „Die in Rede stehende Veranstaltung ist hier bekannt. Bis zum Veranstaltungstag wird aufgrund der zugrunde liegenden Erkenntnisse fortwährend geprüft, ob und in welcher Form ein Einschreiten seitens der Behörde notwendig ist. Diese Prüfung dauert auch im konkreten Fall an.” Bis dato teilte die Polizei kein Ergebnis dieser Prüfiung mit. Zur Frage, ob Personen, die in sozialen Medien wie Erzincanli und Erdim agieren, mit einem Einreiseverbot belegt werden könnten, verwies die Stadtpolizei an die Bundespolizei. Diese wiederum verweist zurück auf die Zuständigkeit der Stadt Gelsenkirchen und deren Ausländerbehörde.
Stadt kann nichts tun
Womit der recherchierende Journalist wieder im Presseamt der NRW-Kommune landet. Dessen Leiter Martin Schulmann berichtet, die Informationen über die extremistischen Webaktivitäten der im Filmpalast erwarteten Türken dem Staatsschutz gemeldet zu haben. Die beiden Personen seien aber auf keiner Einreiseverbotsliste. „Wir können als Kommune auch kein Einreiseverbort aussprechen”, versichert Schulmann. Auf die Frage, ob irgendetwas gegen die Abhaltung des Seminars spräche, meint der Stadtsprecher: „Persönlich spricht sicher einiges dagegen. Aber das ist eine privat organisierte Veranstaltung, in der wir als öffentlich-rechtliches Unternehmen quasi nicht eingreifen können.”
Wie in Österreich...
Das kommt einem bekannt vor. Auch in Österreich gehen die Behörden lax mit diesen Influencern um. Saliha Erdim ist hierzulande keine Unbekannte. Allein heuer war sie dreimal in Österreich: Im Februar trat sie auf Einladung der Türkisch-Islamischen Union (ATIB = Ableger der türkischen Religuionsbehörde DIYANET) in St. Pölten auf, im April und im Mai war sie in Salzburg bzw. in Dornbirn zu den dortigen „Türkischen Kulturmessen” der Islamischen Föderation (AIF), der Österreich-Filiale der in Deutschland als extremistisch eingestuften Milli-Göüs-Gemeinschaft (IGMG), eingeladen.
2023 trug ihr ein Auftritt bei der Graue-Wölfe-nahen Türkischen Föderation (ATF) in Wien immerhin eine Erwähnung im für das Innen- und das Justizministerium erstellten Rechtsextremismusbericht des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes (DÖW) ein. Im Dezember 2023 trat Erdim bei einer ATIB-Veranstaltung in Linz auf. Seitens der Politik gab und gibt es keine Reaktionen zum Tourismus von Hamas-Fanboys und Israel-Vernichtungsfantast(inn)en, geschwiege denn Konsequenzen.
Hassgebet gelöscht
Eine Konsequenz hatten die Recherchen für diesen Artikel immerhin: Vor einigen Tagen hat Saliha Erdim ihr vor knapp zwei Jahren gepostetes Gebet für die Zerstörung Israels von Instagram gelöscht. Anfragen dazu hatte sie allerdings unbeantwortet lassen.
Erzincanli wird von Gelsenkirchen gleich weiter in die Niederlande reisen, wo er am Samstag für einen Auftritt bei einem türkischen Event in Nijkerk angekündigt ist.
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