Ukrainische Armee in schweren Nöten: „Die Soldaten können einfach nicht mehr“
Die ukrainische Armee befindet sich in gewaltigen Schwierigkeiten. Sie braucht neue Männer an der Front. Viele Soldaten sind knapp zwei Jahre nach Beginn der Invasion am Ende ihrer Kräfte. Gegenüber den Medien geben Soldaten in den Schützengräben offen zu: Wir können einfach nicht mehr.
Kiew hält seine Verluste geheim, aber nach US-Schätzungen der „New York Times“ wurden bis August 70.000 Soldaten getötet und bis zu 120.000 verwundet. Seither sind allerdings sechs Monate vergangen. Die patriotische Stimmung, in der sich im Jahr 2022 Tausende Ukrainer freiwillig zum Dienst meldeten, ist vorbei. Mittlerweile werden vor allem ältere Männer eingezogen, berichten ukrainische Soldaten an der Front. Sie hoffen auf eine weitere Mobilmachung, doch die lässt auf sich warten.
Debatte über neue Einberufungen in der Ukraine bisher ergebnislos
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte im Dezember angekündigt, bis zu einer halben Million weitere Soldaten zu mobilisieren, um gegen die rund 600.000 in der Ukraine stationierten Russen zu kämpfen. Seitdem tobt in der Ukraine eine Debatte über neue Einberufungen.
Anfang Jänner vertagte das Parlament die Entscheidung über einen Gesetzentwurf zur Mobilmachung. Das derzeitige Rekrutierungssystem gilt als ungerecht, ineffizient und oftmals korrupt. Und es werden Stimmen laut, die eine Heimkehr derjenigen fordern, die schon lange an der Front sind.
Russen greifen ständig an und rücken vor
Die Anfangseuphorie ist vorbei. Das Adrenalin habe seine Brigade durch das erste Jahr des Krieges gebracht, sagt Wadim (31), Mitglied der 31. Brigade, der an der Ostfront kämpft und mit den Medien spricht, ohne seinen vollständigen Namen zu nennen. „Da hatten wir vor nichts Angst. Aber jetzt sind wir einfach müde. Nach zwei Jahren sehen wir immer noch kein Licht am Ende des Tunnels.” Fazit: „Die Männer sind erschöpft – geistig und körperlich. Sie können einfach nicht mehr“.
Mit einem Blitzangriff befreite die Ukraine im September 2022 Kupiansk und die umliegende Region Charkiw von der russischen Besatzung. Doch seit dem Sommer gehen die russischen Truppen hier erneut in die Offensive. „Sie greifen ständig an und rücken vor“, sagt Wadim. Angesichts der neuen Kämpfe evakuierten die Behörden Mitte Jänner 26 Ortschaften in der Region. Solange keine neuen Soldaten rekrutiert werden, müssen die bisher kämpfenden Soldaten an der Front in den Schützengräben ausharren. Dabei hoffen sie schon längst auf eine Pause – von mindestens sechs Monaten.
Kommentare