Bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten im Januar 2025 will er also noch durchhalten. Bis dahin unterstützt er die Kandidatur von Vizepräsidentin Kamala Harris – mit ihr zusammen wolle er Donald Trump schlagen.

Biden wurde zu spät Präsident

Es ist die Geschichte eines Mannes, der unzweifelhaft seine Verdienste hat, seit er 1973 seine politische Karriere als Senator von Delaware begann. Er war zweimal Präsidentschaftskandidat, schließlich Vizepräsident. Die Tragik des auch von privaten Schicksalsschlägen gebeutelten Joe R. Biden liegt darin, dass er erst Präsident wurde, als sein körperlicher und geistiger Verfall bereits sichtbar war. Mit hauchdünnem Vorsprung gewann er die Wahlen 2020, die von Vorwürfen wegen Wahlmanipulation begleitet wurden.

Von wohlgesinnten US-Medien geschont, überstand Joe Biden sowohl die unappetitliche Laptop-Affäre seines Sohnes Hunter als auch seine eigene Aktenaffäre. Zweifel an seiner physischen und mentalen Fitness waren da schon aufgetaucht. War er dem Amt wirklich noch gewachsen? Oder schon zur Marionette der Linken in seiner Demokratischen Partei geworden?

Biden rühmt sich der Erfolge in seiner Amtszeit. Tatsächlich blieben die Probleme Amerikas ungelöst, von der Inflation über die illegale Migration bis zum unverhohlenen Antisemitismus in seiner eigenen Partei. Der Abzug aus Afghanistan verlief chaotisch, die Solidarität mit dem von der Hamas angegriffenen Israel scheint mehr als wacklig. Dafür gab’s progressive Symbolik: Transgender beim Militär und die Abschaffung der fast hundert Jahre alten 20-Dollar-Note mit dem Abbild von Andrew Jackson (7. US-Präsident und Sklavenhalter), die durch einen Schein mit dem Konterfei der Sklavin Harriet Tubman ersetzt wurde.

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Stürze, Verwechslungen, Gestammel

Für jedermann sichtbar waren die Aussetzer, von denen der Präsident geplagt wurde. Mal behauptete er, mit Xi Jinping im Himalaya gewesen zu sein, mal wollte er sich auf einen imaginären Stuhl setzen oder einer ebenso imaginären Person die Hand schütteln, NiUS und eXXpress berichteten ausführlich.

Er steuerte verwirrt ins Abseits, stand mit leerem Blick und wie eingefroren unter feiernden Parteifreunden herum und fand den Ausgang der Bühne nicht. Er wirkte zunehmend hilflos und orientierungslos. Er stürzte vom Fahrrad, auf der Bühne, auf der Gangway der Air Force One. Es waren wahrlich mitleiderregende Bilder eines Mannes, der mit der Bürde seines Amtes sichtlich überfordert war.

Zum physischen Verfall kamen der kognitive und der sprachliche. Joe Biden verwechselte Personen, den D-Day am 6. Juni mit Pearl Harbour am 7. Dezember und die Ukraine mit dem Irak. Er rief von der Bühne nach einer Parteikollegin, die längst nicht mehr lebte, erzählte, sein Sohn Beau sei im Irak gestorben (tatsächlich in den USA, an einem Hirntumor). Wenn er Reden hielt, stammelte er herum, hatte Wortfindungsstörungen. Der Sprachzerfall zeitigte unverständliche Wörter wie „Trunalimununaprzure“, „Badacathcare“ und „Asafutimaehaehfutbw“.

„Four more years. Pause.“

Im vergangenen Jahr beendete er einen Vortrag in Connecticut zur Verschärfung der Waffengesetze mit dem Ausruf „God save the Queen, man!“, und ließ seine Zuhörer ratlos zurück. Wenn er vom Teleprompter ablas, las er die Anweisung, kurz innezuhalten, gleich mit: „Four more years. Pause.“

Die Videos gingen um die Welt, Millionen amüsierten sich, dabei war der rapide Verfall des Präsidenten Grund für echte Besorgnis. Der Führer der freien Welt, der Mann, dem der Atomkoffer hinterhergetragen wurde, war ein alter, kranker Mann. Doch immer wieder wurde abgewiegelt, wurden peinliche Momente als verkürzt oder manipuliert ins Reich der Verschwörungstheoretiker verwiesen.

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Chronik einer beispiellosen Talfahrt

27. Juni. Die TV-Debatte bei CNN mit seinem Konkurrenten Donald Trump gerät für Joe Biden zum Desaster. Fast 48 Millionen Amerikaner werden Zeuge einer historischen Selbstdemontage. Biden verliert immer wieder den Faden, stottert, spricht von „tausend Billionären“ in Amerika statt von Milliardären. Sagt, in seiner Amtszeit seien keine amerikanischen Soldaten gefallen, und vergisst offenbar die 13, die beim Abzug aus Afghanistan getötet wurden. Nach einem unverständlichen Biden-Statement zur Migrationspolitik sagt Trump: „Ich weiß wirklich nicht, was er da am Ende dieses Satzes gesagt hat. Und ich glaube, er weiß es auch nicht.“

Seine desaströse Performance erklärt Biden danach im Interview so: „Ich hatte einfach eine schlechte Nacht“, so der Präsident. Er sei müde, krank und vom Jetlag geplagt gewesen – da liegt seine letzte Flugreise allerdings fast zwei Wochen zurück. Die Presse, die Bidens Verfall bisher unter dem Deckel gehalten hat, kann das Offensichtliche nicht mehr verleugnen. Erste Stimmen fordern Biden auf, sich aus dem Rennen um die Präsidentschaft zurückzuziehen.

9. Juli. NATO-Gipfel in Washington. Das Drama nimmt seinen Lauf. Biden stellt den ukrainischen Präsidenten ausgerechnet als „Präsident Putin“ vor, spricht davon, Trump als vice president ausgewählt zu haben. Nicht nur Kamala Harris ist entsetzt. „Ich befolge den Rat meines Commander-in-Chief” (Oberbefehlshabers), sagt Biden, selbst der Commander-in-Chief.

10. Juli. Bidens Parteikollegin Nancy Pelosi, frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, weigert sich, Präsident Joe Biden ausdrücklich als Präsidentschaftskandidaten der Partei zu unterstützen. Sie deutet an, Biden habe sich noch nicht entschieden, ob er wieder antritt.
Hollywoodstar George Clooney, der mit einer einzigen Benefizveranstaltung 28 Millionen Dollar für Bidens Wiederwahlkampagne aufgetrieben hat, distanziert sich in der New York Times vom Präsidenten: „Ich liebe Joe Biden, aber wir brauchen einen neuen Kandidaten.“ Mit Joe Biden ist die Wahl nicht mehr zu gewinnen, so viel ist sicher. Nur: wer sagt’s ihm?

13. Juli. Attentat auf Donald Trump! Den Mordanschlag bei einem Wahlkampfauftritt in Pennsylvania überlebt er nur um Millimeter. Jetzt scheint Trump erst recht unbesiegbar. Biden wendet sich an die Nation und mahnt zur Entschärfung der Rhetorik. Kurz zuvor hat er allerdings selbst davon gesprochen, Trump, der „Feind der Demokratie“, müsse, so wörtlich, „ins Visier“ genommen werden. Nun entschuldigt er sich für diesen Ausdruck.

17. Juni. Jetzt hat auch Ex-Präsident Barack Obama Berichten zufolge in den letzten Tagen Verbündeten gesagt, Biden müsse die Durchführbarkeit seiner Kandidatur ernsthaft in Betracht ziehen. Doch noch gilt Joe Bidens Wort, „nur Gott“ könne ihn zum Rücktritt auffordern.

Für die Demokraten ist der POTUS46 zu einer „loose cannon“ geworden, sie zittern bei jedem öffentlichen Auftritt des alten Mannes. Anfang Juli hat er eine Passage aus einem Interview herausschneiden lassen, in dem er sich zum Anteil von Farbigen in seiner Regierung äußerte und dabei das Wort „Blacks“ verwendete, das in den USA gerade von seinem Milieu als problematisch angesehen wird. Jetzt bezeichnet er seinen eigenen Verteidigungsminister Lloyd Austin, dessen Name ihm nicht einfallen will, als „my secretary of defense – the black man“. 

APA/APA / AFP

Das war es

Das linke Kommentariat verzweifelt. Wer soll noch glauben, dass der 81-jährige Joe Biden, dem schon die Ferndiagnosen Demenz und Parkinson gestellt wurden, der wegen seiner Schlafapnoe schon länger mit einer CPAP-Maske nächtigt, der einen Demenztest vehement ablehnt, noch ein halbes Jahr seiner Amtszeit und dann noch weitere vier Jahre durchhält? Dem Gouverneur von Hawaii, Josh Green, versicherte er kürzlich, es ginge ihm gut, nur: „It’s just my brain“. Na dann!

Zuletzt fiel Joe Biden durch einen fatalen Zoom-Call mit Dutzenden Demokraten auf und mit abstrusen Vorwürfen an X-Chef Elon Musk, die Wahlen „kaufen“ zu wollen. Das roch schwer nach Verzweiflung. Selbst der vergessliche Präsident konnte wissen, dass ihm nun alle Felle davon geschwommen waren.

Jetzt ist es vorbei. Das Unglaubliche, das Historische ist passiert. Wenige Monate vor der Wahl werden die Karten neu gemischt.