Am Montagvormittag wurde im Innenministerium der neue Verfassungsschutzbericht für 2024 präsentiert. Dieser sei ein „Lagebild für die Bedrohung unserer Gesellschaft, unserer demokratischen Werte durch Extremismus“, merkte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in seiner Vorbemerkung an.

Er machte auch darauf aufmerksam, dass in Österreich nach wie vor die Terrorwarnstufe 4 (die höchste Stufe ist die 5) gilt. Sie wurde erhöht nach dem 7. Oktober 2023, als die radikal-islamistische Terrororganisation Hamas Israel angriff. „Der 7. Oktober 2023 hat dazu geführt, dass sich die Sicherheitslage, die Bedrohungslage international in Europa und zudem eben auch für Österreich deutlich verändert hat“, sagt Karner.

Die „Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst“ (DSN) überblickt vier zentrale Gefährdungsbereiche: Islamistischer Extremismus, Rechts- und Linksextremismus sowie Spionage und Desinformation.

TikTok, Telegram seien „Brandbeschleuniger“

APA/HANS KLAUS TECHT

Im Bereich Islamismus und Extremismus gab es im Jahr 2024 215 Tathandlungen. Das ist ein Anstieg von 40 Prozent zum Jahr 2023.

Besorgt zeigen sich die Vertreter des DSN über die zunehmende und rasche Radikalisierung junger Leute durch das Internet und die sozialen Medien, besonders seit dem Angriff der Hamas auf Israel. Telegram, TikTok und Co. seinen „Brandbeschleuniger“. Über radikal-islamistische Telegramgruppen werden zum Beispiel gezielt junge Leute angelockt.

Kinder werden dort „sektenartig“ manipuliert. Im Bereich Extremismusprävention im Internet habe der Staat Aufholbedarf. Das Internet dürfe nicht rechtsfrei sein. „Wie können wir die Kinder in den Kinderzimmern schützen? Wie kann man Jugendliche resilienter machen?“. Auf diese Fragen müsse der Staat Antworten finden, so Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ).

Er plädiert in der Pressekonferenz für eine Debatte über Altersbeschränkungen für soziale Medien. Die Grüne haben die Diskussion dazu bereits angestoßen.

Gefährlichste Gruppe: Islamistischer Extremismus

Der islamistische Terroranschlag durch einen Syrer in Villach konnte leider nicht verhindert werden. Der 23-jährige Ahmad G. lachte sogar bei seiner Festnahme.Instagram/Screenshot

Der Staatssekretär merkt an, dass sich geopolitische, religiöse oder ethnische Konflikte aus dem Ausland verstärkt auf die Sicherheit hierzulande auswirken.

Seit dem 7. Oktober 2023 hat es in Österreich bisher acht vereitelte Anschlagspläne gegeben, die allem dem islamistischen Extremismus zuzuordnen sind. Innenminister Karner zählt einige Orte auf, an denen die Islamisten Schreckliches geplant hatten: Wiener West-, und Hauptbahnhof, eine Wiener Synagoge, Stephansdom, Prater, Tailor-Swift-Konzerte im Ernst-Happel-Stadion. Das Attentat in Villach, bei dem ein 14-Jähriger durch einen aufenthaltsberechtigten Syrer ums Leben kam, habe leider nicht mehr rechtzeitig verhindert werden können. Im Visier von Islamisten seien vor allem Synagogen und Kirchen.

Der islamistische Extremismus sei zwar von der Anzahl der Anzeigen und Straftaten nicht die größte, aber „zweifelsohne die gefährlichste Gruppe“, sagt Karner. Ziel der Extremisten und Terroristen sei es, „Angst und Schrecken zu verbreiten“.

Rechtsextremismus: Hohe Affinität zu Waffenbesitz

Die Gruppe mit den meisten Anzeigen und Straftaten ist die der Rechtsextremisten. Warum zählt der Rechtsextremismus nach dem islamistischen Extremismus zum höchsten Bedrohungspotential? Hier gebe es, wie bei den islamistischen Extremisten, eine hohe Affinität zu Waffenbesitz. Die sogenannte „Neue Rechte“ verursache mit ihren Verschwörungserzählungen „geistige Brandstiftung“, die zu einer Spaltung der Gesellschaft führe.

DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner erzählt von einem Fall, bei dem ein 16-jähriger Österreicher eine Telegram-Gruppe mit 150 größtenteils minderjährigen Mitgliedern
koordinierte. In der Gruppe wurden NS-Inhalte verbreitet, Videos mit Gewaltfantasien, Tötungszenen, die sich gezielt gegen jüdische oder auch muslimische Menschen richteten.

Im Jahr 2024 wurden 1486 Tathandlungen im Bereich Rechtsextremismus registriert. Das bedeutet einen Anstieg zu 2023 um 23 Prozent.

Linksextremismus: Anstieg um 120 Prozent

Im Bereich Linksextremismus „bewegt sich die Gewalt in Richtung Höhepunkt“, sagt DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner. 2024 gab es 214 linksextremistische Tathandlungen, darunter viele Körperverletztungs- und Sachbeschädigungsdelikte.

Das ist ein Anstieg von 120 Prozent zum Vorjahr.

Im Anschluss wurde von einem Pressevertreter die Frage gestellt, worauf der Anstieg der Straftaten im Bereich Linksextremismus zurückzuführen sei. Hier erwähnt der DSN-Direktor als einen Faktor die Demonstrationen und Veranstaltungen, die mit dem Konflikt im Gazastreifen zu tun haben.