Schöllhammer sieht viel Platz für Überraschung bei der Bundestagswahl
Außenpolitik-Experte Ralph Schöllhammer rechnet im deutschen Wahlkampf mit einem Finish zwischen SPD und Union. Die Grünen hätten ihre Chance nicht genutzt. Ingesamt habe man zu viel über “Nischenthemen für Eliten” geredet, kritisiert Schöllhammer. Am Sonntag sei aber viel möglich, sagt er im TV-Talk mit Richard Schmitt.
Viel Platz für viel Überraschung sieht der Politologe Ralph Schöllhammer am kommenden Sonntag bei der deutschen Bundestagswahl am Sonntag. Angesichts der großen Unentschlossenheit könnten einige Parteien deutlich stärker oder schwächer abschneiden, als zurzeit in den Umfragen, wie er im TV-Talk mit eXXpress-Chefredakteur Richard Schmitt unterstreicht. Schließlich gehe es nicht nur darum, was die Menschen in Umfragen sagen, sondern auch darum, ob sie tatsächlich wählen gehen. Gerade die letzten Tage vor der Wahle könnten entscheidend sein. Die Frage ist: Wer kann die Wähler besser mobilisieren.
"Annalena Baerbock ist über ihre eigene Performance gestolpert"
Das Finish werde zwischen SPD und Union stattfinden. Zu Beginn des Jahres hätten die Grünen die Chance auf eine echte grüne Wende gehabt, doch mit der Wahl ihrer Spitzenkandidatin Annalena Baerbock hätten sie die nicht genutzt. “Auch innerhalb der grünen Partei ist das nun einigen bewusst geworden.” Die Kandidatin sei abseits von Fehlern in ihrem Lebenslauf und Plagiaten über ihre eigene Performance gestolpert. Die Skepsis gegenüber den Grünen als “Partei der Eliten” oder “neue Verbotspartei”, die mitunter spießig ist, konnte sie nicht abschütteln. Ein weiteres Problem der Grünen: Es gibt mittlerweile mehrere sozialdemokratische Parteien, die bei den großen Fragen dieses Wahlkampfs – ob Klimaschutz, Energiewende oder Migration – im wesentlichen einer Meinung sind.
Große außenpolitische Themen spielten im Wahlkampf so gut wie gar keine Rolle. Zwar wurden viel über den Klimawandel gesprochen, aber auf sehr provinziellem Niveau. Meist ging es um Energieversorgung, Straßenbau oder Tempolimits. Der Europa-Gedanke, Beziehungen zu den USA oder Deutschlands Positionierung in der Welt spielten so gut wie gar keine Rolle.
Neue Allianz aus USA, Australien und Vereinigtem Königreich ist gravierend für Europa
Als gravierend beurteilt Schöllhammer die neue Allianz aus Vereinigtem Königreich, Australien und den USA. Hier zeichne sich eine “komplette Isolierung der Europäer aus dem indo-pazifischen Raum” ab: “Die Europäer haben dort nichts mehr zu melden.” Gleichzeitig sei französische Außenpolitik de facto europäische Außenpolitik. “Die Franzosen sind die einzigen, die noch den Willen haben, geopolitisch aktiv zu werden”, sagt der Außenpolitik-Experte.
Ralph Schöllhammer kritisierte auch die Fixierung auf “Nischen-Themen für Eliten” – siehe Atomausstieg und Energiewende. Ein Bundestagsabgeordneter verdiene so viel, dass er die steigenden Energiepreise verkraften wird. Anders sieht es beim gewöhnlichen Bürger aus. Bis zum Winter ist mit Preisverdoppelungen im Energiesektor zu rechnen. “Das können nicht die Franzosen alleine schultern.” Auch wenn es politisch nicht opportun sei, das auszusprechen: “Deutschland als Industrienation kann nicht mit Solar und Wind angetrieben werden. Die Energiewende war ein Fehler. Man hat sich damit in Abhängigkeit von einem Land begeben, mit dem man in geostrategischem Wettbewerb steht, nämlich Russland”, unterstreicht Schöllhammer.
Über islamistischen Antisemitismus wurde nicht gesprochen
Kaum thematisiert wurde im Wahlkampf ein neuer, islamistischer Antisemitismus. Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel die Existenz Israels zum staatstragenden Grund Deutschlands erklärt hat – es folgten dieser Aussage keine Taten. Offensichtlich wollte man nicht zugeben, dass man sich dieses Problem auch importiert hat, meint Schöllhammer. Dass Deutschland davor zurückscheut, das Problem konkret beim Namen zu nennen, zeige auch der Fall einer Moderatorin beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die an Al-Quds-Aufmärschen teilgenommen hat und schwerst anti-israelische Postings in den sozialen Medien geliked hat.
Auf die Wahl werde wohl einmal Stillstand folgen. “Am 26. September wird Angela Merkl nicht von der Bildfläche verschwinden, weil sich die Koalitionsbildung schwierig gestalten wird.”
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