Von der Gemobbten zur Königsmacherin: Der beispiellose Aufstieg der Sahra Wagenknecht
Im Jahr 2015 erschien Sahra Wagenknecht verkleidet als Prinzessin Leia bei einer Karnevalsveranstaltung. Sie betrat huldvoll die Bühne, begleitet von der bekannten Musik von Star Wars. Was sie dereinst nur spielte, hatte mehr mit der Zukunft zu tun, als man zu diesem Zeitpunkt wissen konnte…
Im Film „Das Imperium schlägt zurück” (1980) befehligt Prinzessin Leia einen Stützpunkt der Rebellen im Kampf gegen den dunklen Lord Darth Vader. In der Wirklichkeit befehligt die Politikerin Wagenknecht einen Stützpunkt alt-linker Rebellen, die in diesem Jahr Die Linke zerstörten, eine Partei, die zwischen 2005 und 2022 von einer dunklen Lady namens Katja Kipping in einen woken Todesstern transformiert wurde, der sich ausdrücklich in Kampfstellung gegen all jene Linken ausrichtete, denen der materielle Lebensstandard normaler Menschen wichtiger war als Gendern, Viren- und Klimaphobie. 2019 sagte Sahra Wagenknecht dem Stern: „Entweder man konzentriert sich auf die akademisch geprägten großstädtischen Milieus – den Weg ist die Parteiführung in den letzten 4 Jahren gegangen. Oder man bemüht sich um die abstiegsbedrohte Mittelschicht und die Ärmeren.”
Der Ausgang dieses historischen Machtkampfes ist nun klar: Mit der Gründung des BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) schickte sie den Rechtsnachfolger der 1946 gegründeten SED in die Bedeutungslosigkeit. Mit 2,8 Prozent Stimmen (laut aktueller Wahlumfrage) wird Die Linke 2025 nicht mehr in den Bundestag einziehen. Wagenknechts Bündnis liegt dagegen bei 8,1 Prozent. Bei den Ostwahlen hat es nun Geschichte geschrieben: Nie zuvor hatte eine neu gegründete Partei bei zwei Landtagswahlen zweistellige Ergebnisse erzielt. Damit kann sie sich als Mehrheitsbeschaffer für die CDU ins Spiel bringen.
Offenbar inspirierte dieser Erfolg die Zeit online, sich in einem aktuellen Tweet dazu hinreißen zu lassen, Wagenknecht gar mit der ägyptischen Königin Nofretete zu vergleichen:
Ihre stoische Ruhe erinnerte schon immer an die ägyptische Königin Nofretete: Sollte Sahra Wagenknecht ähnlich wie ihre Doppelgängerin regieren, müsste sich die ostdeutsche CDU warm anziehen. https://t.co/RL9rUIdIyX
— ZEIT ONLINE (@zeitonline) September 2, 2024
Sie kritisierte die „grenzenlose Willkommenskultur"
Wagenknechts jahrelanger Kampf innerhalb der Linken war hart und zermürbend: Im März 2019 zog sie sich aus gesundheitlichen Gründen von ihren Führungsposten bei ihrer Sammlungsbewegung Aufstehen und in der Linkspartei zurück. Begründet hatte sie dies damals mit einem Burnout, der offensichtlich den Anfeindungen aus den eigenen Reihen heraus geschuldet war. Wagenknecht wurde für ihre migrationskritischen Äußerungen regelrecht gemobbt, etwa für ihre Ablehnung einer „allgemeinen Moral einer grenzenlosen Willkommenskultur”. Noch heute fordern dem woken Zeitgeist anhängige Linke regelmäßig, dass Wagenknecht aus den Talkshows verbannt wird.
Doch sie kämpfte sich zurück: Mit ihrem Anfang 2020 begonnenen YouTube-Format „Bessere Zeiten – Wagenknechts Wochenschau” erreichte sie hohe Reichweiten und etablierte sich als kritische Stimme eines rigorosen Zeitgeists, der kaum Grautöne duldet.
„Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt”
Nun sind auch die Grautöne Programm einer linken Partei: „Migration ist nicht die Lösung für das Problem der Armut auf unserer Welt”, heißt es auf der Website des BSW. Für „eine misslungene Integration zahlen in erster Linie diejenigen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen”. Zuwanderung könne eine Bereicherung sein, „solange der Zuzug auf eine Größenordnung begrenzt bleibt, die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert, und sofern Integration aktiv gefördert wird und gelingt.”
Eine „realistische linke Politik”, schrieb sie bereits 2018, lasse sich nicht „von kriminellen Schlepperbanden vorschreiben, welche Menschen auf illegalen Wegen nach Europa gelangen.” Besonders übel nahmen ihr die woken Spießgesellen ihre programmatische Aussage von 2016: „Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt”. Mit Wagenknechts Pragmatismus hätten deutsche Linke die Kurve kriegen können. Doch auch dieses harmlose Statement galt ihnen bereits als nationalistisch, woran sich zeigt, dass Linke vollkommen unnötig aus der Migrationsfrage einen sektenhaften Kult gemacht haben, dessen Maximalforderungen nur in kultureller Selbstaufgabe zu erfüllen wären.
Das damalige Imperium dieses Migrationskults gibt es so inzwischen nicht mehr, seine Deutungshoheit ist gebrochen: Wie Ewiggestrige klammern sie sich an ihre gescheiterten Vielfaltsformeln, die wie schlecht gealterte Werbeslogans wirken, indes die „grenzenlose Willkommenskultur” (Wagenknecht) erwartungsgemäß zu einer Ausuferung von Leid und Gewalt mitten in Europa führte. Wagenknecht bot frühzeitig jenen Linken eine Stimme, die dies kommen sahen, aber keine konservativen oder rechte Parteien wählen, weil diese ihnen zu sehr an nationale Wallungen appellieren. Nun, man kann Linken nicht verübeln, links zu sein. Schlimm ist nur, dass sie einen Migrationskult zur DNA linker Politik erklärt zu haben.
Bürgerliche Distanz zum linken Zeitgeist
In traditionell anti-linken Kreisen gilt Wagenknecht bis heute als verkappte Kommunistin, da sie noch in der DDR in die SED eintrat und nach dem Fall der Mauer mit als pro-stalinistisch gedeuteten Aussagen provozierte. Fragwürdig ist das aus mehreren Gründen: Die junge Wagenknecht äußerte sich damals gegen Opportunisten in den (vormals) eigenen DDR-Reihen und vertritt, jedenfalls heute, kein planwirtschaftliches Programm samt Einparteienherrschaft. Dass sie, anders als ihre Zeitgenossen, auch um die bürgerliche Zivilisationshöhe weiß, zeigt sich allerdings an einigen nur vermeintlich oberflächlichen Dingen, die Teil ihres Erfolgs sind, aber kaum genannt werden.
Sie kleidet sich betont weiblich (sie kauft in einer französischen Boutique in Straßburg, wie Ralf Schuler einmal erfragte). Wie soll man es anders sagen: eine wahrhafte Dame. Ein weiteres nur scheinbar unwichtiges Detail, in dem ihre bürgerliche Distanz zum linken Zeitgeist zum Tragen kommt: Sie bekannte sich einmal öffentlich dazu, Houellebecq zu lesen, in dessen Literatur der männliche Trieb sehr explizit bildhaft erzählt, gewissermaßen zelebriert wird. Ihre woken Zeitgeistgenossen kritisieren so etwas als „gekränkte Männlichkeit“ – Wagenknecht nicht. Nebensächlichkeiten? Vielleicht, aber auch die können bedeutsam sein.
Nie eine Opportunistin gewesen
Den französischen Schriftsteller, das sei dazu gesagt, verteidigte sie seinerzeit mit linken Argumenten: „Houellebecq beschreibt die Leere, die der Neoliberalismus erzeugt, den Verlust an Werten und Zusammenhalt in einer Gesellschaft, in der sich alles rechnen muss.” Ob sie auch „Unterwerfung”, in der es um die Islamisierung Frankreichs geht, gelesen hat, wäre interessant zu erfahren. Verwundern würde es nicht.
Anders als ihre linken Gegenspieler hört sie merklich zu und lässt ausreden; ihre Positionen sind, wie auch immer man sie bewertet, erkennbar Ergebnisse wirklichen Nachdenkens, mit dem Mut, auch als Abweichler zu gelten. Anfang der Neunziger war sie gegen den Opportunismus ehemaliger SED-Genossen, wie sie heute dem Opportunismus des woken Zeitgeists widersprach. Sie wirkte zeit ihres Lebens authentisch, gebildet, zivilisiert, oft schlichtweg anmutig. Die Menschen belohnen das mit Wahlerfolgen.
Wagenknecht hat fast im Alleingang die Partei Die Linke bedeutungslos gemacht. Sie schlug gegen ihre Mobber zurück und brachte sie ihrem verdienten politischen Ende näher.
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