
Was für eine Blamage: Höchstrichter wollen Wiederholung der Berlin-Wahl
Erst versuchten Medien und Politiker die vielen Ungereimtheiten bei der Bundestagswahl 2021 in Berlin herunterzuspielen. Das Verfassungsgericht sieht das anders. Sein Urteil über die Durchführung der Wahlen ist schlicht vernichtend. Möglicherweise müssen die Berliner nochmals in die Wahlkabine gehen.

Was für eine schallende Ohrfeige für Berlin: „Die Wahlen waren so unzureichend vorbereitet, dass ein Gelingen von Anfang an gefährdet war“, sagt die Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichts, Ludgera Selting, in eine Erklärung. Nun erwägt der Gerichtshof eine vollständige Wiederholung der Berlin-Wahl.
Die zahlreichen Fehler könnten Auswirkungen auf die Mandatsverteilung und damit die Zusammensetzung des Parlaments gehabt haben. Auch die Wahlbedingungen mit teils mehreren Stunden Wartezeit seien unzumutbar gewesen. Zudem sei zu lange gewählt worden: Insgesamt seien Wahllokale noch 350 Stunden nach 18 Uhr geöffnet gewesen.
Verdacht der bewussten Vertuschung oder sogar Wahlfälschung
Ins Rollen gebracht hat das alles „Tichys Einblick“. Wie das deutsche Online-Magazin bereits im Mai berichtete, versuchte die zuständige Wahlleitung womöglich, das Chaos bewusst zu vertuschen. Dem Medium lag das Protokoll für ein Wahllokal vor, das den Verdacht der Vertuschung oder sogar Wahlfälschung erhärtete. Demnach wurde bei der Bundestagswahl 2021 in Berlin überdies in großer Zahl mit falschen Stimmzetteln gewählt. Marcel Luthe, Kandidat zum Abgeordnetenhaus, hat danach aufgrund der Enthüllungen Strafanzeige gegen die Verantwortlichen beim Bezirkswahlamt eingereicht.
Nun bestätigte das Gericht, was „Tichys Einblick“ seit Beginn der Recherchen mehrfach unterstrichen hat: Tausende konnten ihre Stimme entweder gar nicht abgeben, oder unter unzumutbaren Bedingungen oder nicht unbeeinflusst. Dabei handele es sich nur um die Spitze des Eisbergs – womit es wohl nicht nur um Einzelfälle geht.
Hohe Zahl von ungültigen Stimmen ist mandatsrelevant
Das alles ist auch mandatsrelevant und kann nicht heruntergespielt werden, wie es eine Politiker und Medien getan haben. Die festgestellte Zahl von falsch oder auf kopierten Stimmzetteln abgegebenen Stimmen ist dafür einfach zu hoch. Nur eine Wahlwiederholung könne einen verfassungskonformen Zustand herbeiführen, erklärt das Gericht, das in den kommenden 90 Tagen ein Urteil fällen wird. Das hieße: Neuwahlen in Berlin im Frühjahr 2023.
„Tichys Einblick“ kommentiert: „Fraglich bleibt, wie der Bundestag eine gültige Bundestagswahl in einer Stadt rechtfertigen will, in der eine solche Vielzahl von Irregularitäten vorliegt, dass dort die gleichzeitig stattgefundene Bezirks- und Abgeordnetenhauswahl auf der Kippe steht. Wie das Gericht beschrieben hat: sollten die Fehler nicht zur Wiederholung führen, so würde das Vertrauen in die Demokratie dauerhaft und schwerwiegend beschädigt.“
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