
Was von Friedrich Merz’ 5-Punkte-Plan übrig bleibt (Spoiler: nicht viel)
Die Forderungen des Fünf-Punkte-Plans von Friedrich Merz wurden im Sondierungspapier deutlich aufgeweicht. Eine wirkliche Migrationswende ist somit weiterhin nicht in Sicht – weder unter Olaf Scholz, noch unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz. Eine Analyse von Björn Harms (Nius).
Als der Deutsche Bundestag am 29. Januar mit 348 Ja- zu 344 Nein-Stimmen den Fünf-Punkte-Plan der Union annahm, stand das Land Kopf. Durch die Zustimmung der AfD hatte sich die Union eine Mehrheit verschafft, um endlich eine Migrationswende einzuleiten – so jedenfalls die Theorie. Die linken Parteien im Bundestag tobten. Merz habe das „Tor zur Hölle“ geöffnet, schimpfte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Auch auf der Straße wurde es ungemütlich für die Union. Es kam zu massiven Übergriffen auf Parteimitglieder. Auf den anschließenden „Demos gegen Rechts“ wurde Merz mitunter in die Rolle eines Faschismus-Ermöglichers gerückt.
Doch danach passierte … nichts. Weder setzte die Bundesregierung um, was der Bundestag forderte. Noch pochten die Abgeordneten der CDU/CSU auf eine sofortige Umsetzung. Schon in den ersten Tagen nach der hitzig geführten Debatte im Parlament zeichnete sich ab, dass eine Wende in der Migrationspolitik nie wirklich zur Disposition stand. Eine Torpedierung der Sondierungs- und Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD sollte tunlichst vermieden werden.
Von Zurückweisungen ist keine Rede mehr
Ursprünglich sah der Fünf-Punkte-Plan folgende Dinge vor:
Dauerhafte Grenzkontrollen zu unseren EU-Nachbarstaaten
Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche der illegalen Einreise aus einem EU-Nachbarstaat
Vollziehbar Ausreisepflichtige werden sofort in Abschiebehaft genommen
Ausweitung der Befugnisse für die Bundespolizei bei Abschiebungen
Ausreisearrest für alle ausreisepflichtigen Straftäter und Gefährder
Am Samstag stellten die Sondierer von Union und SPD ihre ersten Verhandlungsergebnisse vor. Einige Punkte wurden aufgenommen, einige deutlich aufgeweicht, andere sind im Sondierungspapier gar nicht mehr zu finden. Von der Zurückweisung aller illegalen Einwanderer ist beispielsweise nicht mehr die Rede. Nun soll die „irreguläre Migration“ lediglich „reduziert“ werden. „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen“, versprechen die Sondierer. Zurückweisungen an den Grenzen gibt es jedoch bereits jetzt, aber eben nicht flächendeckend.
Dabei hatte Friedrich Merz noch am 23. Januar den Wählern fest versprochen, die Grenzen für alle illegalen Migranten zu schließen: „Ich werde im Fall meiner Wahl zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen.“
Ohne Berufsqualifikation nach Deutschland
Auch Punkt 3 des Fünf-Punkte-Plans taucht nicht mehr im Sondierungspapier auf. „Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freiem Fuß sein. Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden“, hatte der Bundestag durch die Annahme des Entschließungsantrags der Union verlangt. Die sofortige Verhaftung der illegalen Migranten steht inzwischen nicht mehr zur Debatte.
Laut Sondierungspapier soll gleichzeitig das Kontingent bei der Westbalkanregelung von 50.000 auf 25.000 heruntergesetzt werden. Damit würde lediglich die Hochstufung aus dem Juni 2024 rückgängig gemacht. Auch weiterhin könnten Personen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien und dem Kosovo ohne Nachweis einer Berufsqualifikation nach Deutschland gelangen.
Zudem soll der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt werden – das sind jedoch ohnehin nur rund zehn Prozent der 120.000 Familiennachzügler des vergangenen Jahres. Das Auswärtige Amt dürfte auch in Zukunft fleißig Visa in der ganzen Welt verteilen. Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts bleibt hingegen gänzlich unangetastet. Der deutsche Pass wird durch die Turbo-Einbürgerungen somit weiterhin zur Ramschware, das Staatsvolk in seiner Zusammensetzung grundlegend verändert.
Die Sondierungsergebnisse bieten also oberflächliche und unkonkrete Formulierungen, ohne eine wirkliche Wende in der Migrationspolitik in Aussicht zu stellen. Die Masseneinwanderung nach Deutschland wird sich fortsetzen, nur eben ein bisschen langsamer.
Das Innenministerium verschickt eine Nicht-Antwort
Dass der durch den Bundestag beschlossene Fünf-Punkte-Plan nicht durchkommt, hatte sich frühzeitig angedeutet. Auf NIUS-Anfrage hatte bereits die amtierende Bundesregierung zu verstehen gegeben, dass sie den Willen des Parlaments weiter ignoriert – was sie juristisch darf, denn der am 29. Januar beschlossene Antrag der Union ist rechtlich nicht bindend. Brisant ist die Nicht-Beachtung einer Bundestagsmehrheit trotzdem, denn schließlich ist das Parlament vom Volk gewählt.
Auf die Frage, ob die Bundesregierung den Forderungen des Bundestages nachkommen oder sie ignorieren will, hieß es aus dem Innenministerium: „Die Bundesregierung teilt das Ziel, Migration geordnet und im Einklang mit humanitären Verpflichtungen zu gestalten und irreguläre Migration zu reduzieren. Dabei müssen Maßnahmen zur Steuerung und Begrenzung von Migration stets im Einklang mit dem Grundgesetz sowie europäischen und internationalen Verpflichtungen stehen. Zur Begrenzung der irregulären Migration hat die Bundesregierung umfassende Maßnahmen getroffen wie vorübergehende Binnengrenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen, bei denen auch umfassende Zurückweisungen erfolgen. Die künftige Bundesregierung wird – auch mit Blick auf die jüngsten parlamentarischen Initiativen und Beschlüsse – über weitere Maßnahmen zu entscheiden haben.“
Das Innenministerium verschickte damit eine klassische Nicht-Antwort, die übersetzt bedeutet: Wir machen hier gar nichts mehr, über den Rest hat die Nachfolgeregierung zu entscheiden. Doch die, so lassen es die ersten Ergebnisse der Sondierungsgespräche vermuten, will den Beschluss in seiner Gesamtheit auch nicht umsetzen. Die SPD hätte sich damit durchgesetzt. Zu drastischen Einschneidungen bei der Migrationspolitik wird es nicht kommen. Es bleibt bei kosmetischen Veränderungen.
Aus der Union blieb es still
Das hatte sich schon länger angekündigt, denn auch aus der Union hörte man seit dem 29. Januar kaum mehr etwas zum Fünf-Punkte-Plan. Es gab keine Pressemitteilungen zum Bundestagsbeschluss. Kein Abgeordneter pochte öffentlich auf die sofortige Umsetzung der Forderungen.
Zwei Tage nach der Entscheidung hieß es noch versteckt im Unions-Newsletter „FRAKTIONdirekt | Nr. 76“: „Der Entwurf des Zustrombegrenzungsgesetzes scheiterte an Rot-Grün, der Fünf-Punkte-Plan für die Eindämmung der illegalen Migration fand eine Zufallsmehrheit.“ Auch in der nächsten Ausgabe des Newsletters zwei Wochen später wurde der Fünf-Punkte-Plan kurz erwähnt. Merz äußerte hier jedoch „die Hoffnung auf neue parlamentarische Mehrheiten nach der Wahl, die eine Umsetzung dieses Plans möglich machen würden“.
Schon hier pochte die Union also nicht mehr auf eine sofortige Umsetzung des Plans, sondern vertröstete sich auf kommende Mehrheiten nach der Wahl am 23. Februar. Konkrete Forderungen oder Appelle an die Bundesregierung ließ man weiter vermissen. Auf Nachfrage bei der Unions-Fraktion, weshalb man seit dem 29. Januar öffentlich nicht mehr auf die sofortige Umsetzung des Fünf-Punkte-Plans drängte, erklärte ein Sprecher gegenüber NIUS: „Ich bitte um Verständnis, dass wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zum Stand der Sondierungen äußern.“ Doch nach dem Stand der Sondierungen wurde gar nicht gefragt.
Sollten sich die am Samstag vorgestellten Verhandlungsergebnisse zwischen Union und SPD auch im Koalitionspapier bestätigen, hieße das im Falle der Migrationsfrage: CDU-Chef Friedrich Merz hat sein Wort gebrochen. Eine tatsächliche Wende in der Migrationspolitik wird es unter seiner Kanzlerschaft nicht geben.
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