Das politische Klima in Wien ist explosiv. Mit der Entscheidung der Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA), gegen die Diversion für ÖVP-Klubchef August Wöginger Beschwerde einzulegen, gerät die Bundesregierung acht Monate nach ihrem Start ins Wanken.

Hinter der juristischen Entscheidung steht Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) – und ihr Vorgehen sorgt für massives Misstrauen innerhalb der Koalition. Wie aus Koalitionskreisen gegenüber oe24 bestätigt wurde, hat Sporrer die Empfehlung des Weisungsrates persönlich an die OStA weitergeleitet. Damit gab sie den Weg frei, dass der Fall Wöginger wieder aufgerollt wird – trotz des zuvor vereinbarten Vergleichs und der Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten.

Die Justiz hat August „Gust“ Wöginger (Bild) weiterhin im Visier, die Volkspartei steht hinter ihrem Klubchef.APA/ROLAND SCHLAGER

Ein „Weisungs-Knaller“ mit Sprengkraft

Die Begründung der OStA fällt ungewöhnlich scharf aus: „Die Verwirklichung eines Tatbestands mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe signalisiere ein hohes Maß an krimineller Energie sowie einen erheblichen sozialen Störwert und damit einen gesteigerten Unrechtsgehalt.“

Zudem sei der „Handlungs- und Gesinnungsunwert“ der Angeklagten „auffallend und ungewöhnlich“, weshalb „von schwerer Schuld auszugehen“ sei. Man habe es, so die OStA, mit einem Fall zu tun, der „das Vertrauen in staatliche Institutionen und das Handeln der Organe“ erschüttert habe. Mit der Weisung an die WKStA riskiert Sporrer einen offenen Konflikt mit dem Koalitionspartner ÖVP.

Sporrer unter Druck: „Justiz gefährdet Regierungsstabilität“

In der Kanzlerpartei sieht man das Vorgehen mit wachsender Irritation. Ein hochrangiger ÖVP-Stratege spricht von einem „unnötig eskalierten Verfahren“, das die Regierungsarbeit „massiv belastet“.

Offiziell bleibt man jedoch ruhig: „Wir nehmen den Instanzenzug zur Kenntnis. Am Ball ist jetzt das Oberlandesgericht Linz. Wir gehen davon aus, dass die Diversion bestätigt wird“, erklärte ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti. Und er fügte hinzu: „Unverändert stehen wir geschlossen hinter August Wöginger.“

Inoffiziell heißt es aus ÖVP-Kreisen: Der Schritt der SPÖ-Justizministerin habe „das Klima in der Regierung vergiftet“. Tatsächlich reiht sich der Justizstreit ein in eine Serie wachsender Konflikte – von der Sozialhilfe bis zum Kopftuchverbot. Nun droht die Koalition endgültig zu kippen.

Die Causa Wöginger: kein Einzelfall in der Zweiten Republik

Im Zentrum steht der Vorwurf, Wöginger habe 2017 beim damaligen Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid für einen Parteifreund interveniert, der schließlich einen Spitzenposten im Finanzamt Braunau-Ried-Schärding erhielt. Eine besser qualifizierte Bewerberin blieb auf der Strecke.

Solche Postenbesetzungen mit politischem Hintergrund sind in der Zweiten Republik freilich kein Novum – sie haben unter Regierungen aller Farben immer wieder für Diskussionen gesorgt. Der Fall Wöginger reiht sich damit in eine lange Tradition politischer „Gefälligkeiten“ ein, wie sie in Österreich jahrzehntelang als „üblich, wenn auch unschön“ galten. Doch diesmal wurde daraus ein juristischer Fall – und nun, dank der Weisung aus dem Justizministerium, ein politischer Sprengsatz.

Von der Diversion zum potenziellen Prozess

Das Landesgericht Linz hatte am 23. Oktober 2025 das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße beendet – Wöginger zahlte 44.000 Euro, zwei Mitangeklagte 22.000 bzw. 17.000 Euro. Damit war die Causa eigentlich erledigt. Doch die OStA sieht das anders: Sie hält die Diversion für unvereinbar mit der Schwere der Tat und ordnete eine Beschwerde an.

Nun liegt der Fall beim Oberlandesgericht Linz, das entscheiden muss, ob die Diversion bestehen bleibt. Lehnt es ab, droht ein neuer Prozess wegen Amtsmissbrauchs – mit ungewissem Ausgang.

Koalition in Schieflage: Sporrer unter politischem Beschuss

Die Entscheidung der Justizministerin hat das Regierungsbündnis aus ÖVP, SPÖ und NEOS ins Wanken gebracht. Viele in der ÖVP sehen in Sporrers Vorgehen eine bewusste politische Provokation, die das Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern untergräbt. Ein Minister aus dem ÖVP-Lager spricht gar von einem „Selbsttor der SPÖ“, das die Regierung „in eine Mega-Krise manövriert“ habe.

Tatsächlich sind die Umfragen katastrophal: Laut aktueller Heute-Erhebung glauben 61 Prozent der Österreicher, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickelt. Die FPÖ liegt mit 34 Prozent klar vorn, die ÖVP fällt auf 23 Prozent, die SPÖ dümpelt unter Andreas Babler bei 17 Prozent. Die politische Stabilität steht auf der Kippe – und mittendrin: die Justizministerin.