Das wäre für ganz Europa ein Problem, vor allem aber für Deutschland, weil gerade aus Frankreich viel günstiger Strom nach Deutschland importiert wird, wenn Wind und Sonne nicht genug Strom liefern. Das drückt den Strompreis hierzulande nach unten. Fielen die Importe aus Frankreich weg (etwa 44 Prozent im ersten Halbjahr 2024), wäre mit deutlich höheren Herstellungspreisen zu rechnen, teureren Stromrechnungen und noch weniger Wettbewerbsfähigkeit als ohnehin schon, eine echte Gefahr für die deutsche Wirtschaft also.

Doch auch für Frankreich könnte die Abkopplung negative Folgen haben, deshalb wittert der Wirtschaftswissenschaftler und Autor Daniel Stelter einen Trick hinter der Strom-Androhung:

“Könnte es sein, dass Frankreich uns dann damit erpresst, um Schulden- und Transferunion zu erzwingen, damit wir die Rente mit 60 bezahlen?”, mutmaßte Stelter nach Bekanntwerden der französischen Strom-Ideen bei X (früher Twitter). Gemeint: Die französische Rechte könnte Deutschland mit dem Ende der Strom-Importe aus Frankreich und den möglichen Strom-Preis-Steigerungen nur drohen wollen, um Deutschland an anderer Stelle zu verpflichten. Etwa die lockere Schuldenpolitik in Europa weiter zuzulassen.

Obwohl die Maastricht-Regeln einen maximalen Schuldenstand von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erlauben, liegen zahlreiche EU-Länder weit darüber hinaus: Griechenland erreichte im Jahr 2023 162 Prozent, Italien 137 Prozent und Spanien rund 107 Prozent. Auch Frankreich liegt mit 110 Prozent Verschuldung im Verhältnis zum BIP deutlich über der Maastricht-Grenze.

“Wir haben faktisch eine Schuldenunion”, schrieb Stelter Anfang des Jahres in einem Gastbeitrag für das “Handelsblatt”, “denn die Verschuldung der anderen Staaten ist nur so günstig möglich, weil die EZB mit ihren Interventionen die Risiken nivelliert und Deutschland mit seiner noch guten Bonität hinter EU und Euro steht”. Deutschland ist also sowas wie der Rettungsanker für die Verschuldung anderer Nationen – so auch für Frankreich. Und wenn die lockere Schuldenpolitik in der EU so weitergeht, könnte auch teure Projekte wie die Rente mit 60 in Frankreich weiter mit Schulden gestützt werden. Sollte das Schuldengerüst jedoch zu Fall kommen, müsste vor allem Rettungsanker Deutschland bezahlen.

Offen ist, ob Frankreich sich je vom Strommarkt abkoppelt wird. Der “Rassemblement National” und seine Verbündeten erreichten im ersten Wahlgang der Parlamentswahl zwar mit 33,2 Prozent die meisten Stimmen. Ob im zweiten Wahlgang eine absolute Mehrheit erreicht werden kann, ist jedoch offen und wird sich erst am 7. Juli beim zweiten Wahlgang zeigen.