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Zur Bundestagswahl plant die EU eine Impfung gegen Desinformation
Die EU will Wähler „impfen“ lassen, damit sie nicht auf Desinformation hereinfallen. Dies geht aus den „Leitlinien für die Minderung systemischer Risiken für Wahlen“ hervor, die die EU-Kommission im März vorstellte. Ein Beitrag von Pauline Voss.
Laut dem Digital Services Act (DSA) sind die großen Digitalplattformen verpflichtet, systemische Risiken im Vorfeld von Wahlen zu „ermitteln, analysieren und bewerten“ (Artikel 34) und „angemessene, verhältnismäßige und wirksame“ Maßnahmen zu ergreifen (Artikel 35). Zu den systemischen Risiken zählt laut den Leitlinien der EU auch „illegale Hassrede oder Online-Belästigung politischer Kandidaten oder Amtsträger“.
Erstellt wurden die Leitlinien bereits mit Blick auf die Europawahl, die im Juni dieses Jahres stattfand. Doch auch bei den Bundestagswahlen wird der deutsche Koordinator des DSA, die Bundesnetzagentur, auf die Einhaltung der Regeln achten. So wird Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller (Grüne) im Vorfeld der Bundestagswahl gemeinsam mit der EU-Kommission Gespräche mit den Plattformen führen.
„Spezifische Maßnahmen zur Risikominderung“
Wie die Maßnahmen der Risikominimierung im Rahmen von Wahlen konkret aussehen sollen, wird in den Leitlinien beschrieben. Im Abschnitt „Spezifische Maßnahmen zur Risikominderung“ empfiehlt die EU-Kommission den sozialen Netzwerken unter Punkt 3.2.1 27b) ii:
„Entwicklung und Anwendung von Impfmaßnahmen, die präventiv die Resilienz gegenüber möglichen und erwarteten Desinformationsnarrativen und Manipulationstechniken stärken, indem sie die Nutzer informieren und vorbereiten. Solche Maßnahmen sollten den spezifischen lokalen Kontext berücksichtigen, in dem sie durchgeführt werden, und sollten durch andere Maßnahmen ergänzt werden, die den Nutzern zuverlässige Informationen liefern. Impfmaßnahmen können verschiedene Formen annehmen, z. B. spielerische Interventionen, wie die Teilnahme an Online-Spielen zum Thema Desinformation, die zu einer kritischen Reflexion über die zur Beeinflussung eingesetzten Taktiken anregen, Videos oder andere Arten von Inhalten, und sollten, sofern machbar, als App implementiert werden, um einen einfachen Zugang zu ermöglichen.“
„Psychologischer Impfstoff gegen Fehlinformationen“
Die Wähler sollen also im Vorhinein von den sozialen Netzwerken wie X, TikTok, Facebook oder Instagram „geimpft“ werden, um Desinformation zu erkennen. Verlinkt sind in den Leitlinien zwei wissenschaftliche Studien, die den Erfolg von Desinformations-Impfungen belegen sollen. In der Studie „Psychological Inoculation against Misinformation: Current Evidence and Future Directions“ schreiben drei Forscher der Universität Cambridge: „Ähnlich wie bei einer Virusinfektion kann sich Desinformation schnell von einer Person zur anderen verbreiten. Die Impftheorie bietet eine logische Grundlage für die Entwicklung eines psychologischen ‚Impfstoffs‘ gegen Fehlinformationen.“ Die Studie untersucht unterschiedliche Ansätze, bei denen Personen gegen Desinformation „immunisiert“ wurden, indem sie „stark abgeschwächten Dosen“ von Desinformation ausgesetzt wurden.
Eine zweite Studie kommt zu dem Fazit: „Wir zeigen, dass psychologische Impfkampagnen in den sozialen Medien die Widerstandsfähigkeit gegen Fehlinformationen in großem Umfang verbessern können.“ Finanziert wurde sie von Google Jigsaw, einem Tochter-Unternehmen des Google-Konzerns Alphabet. Die EU-Kommission gibt den Plattformen also Empfehlungen, basierend auf einer Studie, die von einer dieser Plattformen finanziert wurde – ein offensichtlicher Interessenkonflikt.
Correctiv ist mit im Boot
Die „Impfung“ gegen Desinformation ist nur einer von mehreren Bausteinen, mit denen die Netzwerke die Verbreitung von Desinformation verhindern sollen. So empfiehlt die EU den Plattformen auch, den Wahlkampf genau zu analysieren, um Desinformations-Risiken mindern zu können. Die Plattformen sollen Informationen zu Parteien, Spitzenkandidaten, Parteiprogrammen, Wahlkampfveranstaltungen und Spendenkampagnen auswerten. Zudem sollen sie in engen Austausch mit Wissenschaftlern, zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Faktencheckern treten.
Insbesondere hervorgehoben in diesem Zusammenhang wird das European Fact-Checking Standards Network (EFCSN), dem in Deutschland zwei Medienhäuser angehören: Die Deutsche Presseagentur (dpa) und das Medienportal Correctiv. Beide werden auch durch Steuergeld finanziert. So erhielt Correctiv seit seiner Gründung 2,5 Millionen Euro staatliche Förderung, die dpa über 2,3 Millionen Euro.
Medien, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Staat stehen, sollen nun verbindlich darüber entscheiden, was wahr und was falsch ist – und bei welchen Beiträgen die Verbreitung verhindert wird.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NIUS erschienen.
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