Die (dem eXXpress vorliegende Anklageschrift) hat es jedenfalls in sich:

So habe Herwig etwa in den Jahren 2013 bis 2017 Patienten “an der Gesundheit geschädigt, indem er ein tatsächlich nicht vorhandenes Leck in einer Penisvene diagnostizierte und in weiterer Folge nicht lege artis gefäßchirurgische Eingriffe vornahm …”.

Entgegen der internationalen Leitlinie sei der Angeklagte davon überzeugt, dass dieser minimalinvasive Eingriff mit keinerlei Risiko für die Patienten verbunden sei. Und das obwohl es sich bei dieser Behandlung (der sogenannten Sklerosierungstherapie) um keine anerkannte Therapiemöglichkeit, sondern lediglich um einen experimentellen Heilversuch handelt.

Brisanter Vorwurf: Obwohl sich der ausgewiesene Experte der Urologie und Andrologie darüber im Klaren hätte sein müssen, suchte er unter seinen Patienten nach Möglichkeiten, um die von ihm mitentwickelte Methode zu testen und ihr so zum Erfolg zu verhelfen. Dabei soll es – so die Staatsanwaltschaft – auch darum gegangen sein, seine aufgrund eines Konkurses angeschlagene finanzielle Situation aufzubessern. Für die Anklage auch nicht zuletzt deshalb naheliegend, da er zuvor seine Anstellungen in Wiener Krankenhäusern verloren hatte.

Zwei Patienten nahmen sich das Leben

So soll der Urologe immer nach dem gleichen Schema vorgegangen sein: Er attestierte Patienten, die schon länger unter Erektionsstörungen litten, ein venöses Leck am Penis, das aber tatsächlich niemals vorhanden gewesen sei. Bei einer Ultraschalluntersuchung injizierte er den Männern ein Mittel in den Penis, schrieb eine Überweisung für eine CT-Untersuchung, welche er praktischerweise ohne Beziehung eines Radiologen selbst durchführte. Nicht einmal einen Hodenschutz soll er dabei angebracht haben. Dann bestätigte er seinen “Verdacht” und brachte die Patienten dazu, die oben erwähnte Behandlung durchführen zu lassen.

Für diese Behandlung soll er jeweils 3500 Euro verlangt haben, nutzte laut Anklage den psychischen Ausnahmezustand seiner leidgeprüften Patienten schamlos aus. Bei einem Patienten soll der Urologe entgegen dessen Willen eine Penisverlängerung und -verdickung vorgenommen haben. Dies hatte “eine wesentliche Veränderung seines Penis samt Erektionswinkel” zur Folge, die es dem Patienten in weiterer Folge nicht mehr möglich machte, den Geschlechtsakt zu vollziehen.

Besonders dramatisch: Zwei betroffene Patienten, die schon vor den Operationen sehr unter ihren gesundheitlichen Problemen gelitten hatten, nahmen sich in weiterer Folge das Leben.

Gründliche Internet-Recherche?

Für den Urologen gilt in den Fällen die Unschuldsvermutung. Ebenso wie bei dem Verdacht, die falschen Corona-Tests, hätten dazu geführt, dass 750.000 Tiroler “eingesperrt” wurden.

Warum aber wählte man in Tirol ausgerechnet diesen Urologen für die Covid-Tests aus? Der verantwortliche Leiter des Corona-Einsatzstabes, Elmar Rizzoli, argumentiert die Direktvergabe an das Wiener Labor damit, dass es schnell gehen musste. Rizzoli erklärte dazu im ORF Tirol, dass man weder die Firma noch die handelnde Person Herwigs vorher gekannt habe. Sie seien an das Land mit ihrem Angebot herangetreten. Man habe dann “aus fachlichen Gesichtspunkten” entschieden. Zudem habe man im Internet auch positive Bewertungen zum Unternehmen gefunden. Besonders gründlich dürfte diese Internet-Recherche aber nicht gewesen sein. Sonst hätte man freilich bemerken müssen, dass Herwig auch wegen eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz mit der Justiz im Clinch liegt.

Der Arzt hat sich im Ermittlungsverfahren “nicht schuldig” bekannt. Den Verhandlungstermin am morgigen Freitag ließ der Urologe platzen – er sei erkrankt. Das bestätigten die Anwälte der Betroffenen, Alfred Boran und Dietmar Heck, gegenüber dem eXXpress.