Eigentlich hätte der sonnige Samstag Wien von seiner besten Seite zeigen sollen: Hunderttausende Menschen – Schätzungen zufolge sollen es um die 250.000 Teilnehmer sein – marschierten in der City in Regenbogenfarben auf, um für die Rechte der LGBTQ+ Community aufzutreten und vor allem eins zu tun: zu feiern. Doch während die “Vienna Pride” am Ring unter den wachsamen Augen eines standardmäßig eingesetzten Polizei-Großaufgebots friedlich verlief, kam es bei der ebenso traditionellen Gegendemo am Stephansplatz zu heftigen Unruhen.

Die zahlreichen Beamten vor Ort hatten dabei die Hände um einiges voller – und später auch blutiger – als ihre Kollegen am Ring. Schuld daran waren aber nicht die fundamentalistisch-christlichen Pride-Gegendemonstranten vom “Marsch für die Familie”, sondern die Gegendemo zur Gegendemo: Der von der Antifa und feministischen Bewegungen organisierte “Marsch fürn Arsch”.

Alles begann damit, dass sich die antifaschistische Gegendemo den fundamentalistischen Pride- und Abtreibungsgegnern auf nur wenige Meter näherten, obwohl ein Abstand von 50 Metern vorgeschrieben ist und die Polizei das Areal am Stephansplatz großflächig abgesperrt hatte. Als Sprecher des “Marsch für die Familie” am frühen Nachmittag ihre Kundgebungen abhielten, übertönten die Antifaschisten und Feministen die Vortragenden mit lauten Parolen. Die Polizei erinnerte die Gegendemonstranten immer wieder auf den Schutzradius – immer wieder wurde dieser missachtet. Darum kam es ab und an zu Rangeleien und zum Abdrängen der feministischen Gegendemonstranten – dabei wurde den Feministen unter anderem ein langes lila-pinkes Banner abgenommen, was ein Video auf Twitter bezeugt. Gegen 15.20 Uhr eskalierte die Situation vollends.

Als die Demonstration der Abtreibungs- und Pride-Gegner losmarschieren wollte, sollte derder Weg für den “Marsch für die Familie” freigemacht werden. Doch die antifaschistischen und feministischen Gegendemonstranten wollten dies mit allen Mitteln verhindern. Die Polizei drängte sie aus diesem Grund weiter ab, die Stimmung kippte. Polizisten mit schweren Körperschutz setzten ihre Einsatzhelme auf und sprühten Pfefferspray in die Menge, Fotos und Videos in den sozialen Netzwerken bezeugen den Einsatz.

Die Demonstranten reagierten darauf, indem sie Glasflaschen auf die Beamten warfen. Auch das wird durch Videoaufnahmen dokumentiert: Ein Clip auf Twitter zeigt sogar eine Polizistin mit blutüberströmten Gesicht. Mindestens zwei Polizisten sollen auch durch den eigenen Pfeffersprayeinsatz verletzt worden sein. Die Polizei musste ihr beachtliches Aufgebot am Stephansplatz weiter verstärken, um der eskalierenden Situation Herr zu werden.

In einem ersten Statement bestätigte die Polizei den Einsatz von Pfefferspray sowie die verletzte Beamtin: “Da die Kundgebungsteilnehmer*innen der oftmaligen Aufforderung, die Schutzzone einzuhalten, nicht nachkamen, wurden diese zurückgedrängt. Im Zuge dessen wurde auch Pfefferspray eingesetzt. Eine Kollegin wurde durch Bewurf mit einer Glasflasche am Kopf verletzt.”

Gegen 15.35 Uhr setzen die Pride-Gegner erneut zu ihrem Marsch an, der aber nur schwer vorankam. Zu diesem Zeitpunkt war auch die Spezialeinheit WEGA und die Hundestaffel vor Ort, um dem “Marsch für die Familie” die Route abzusichern. Gegen 16 Uhr wurde der Michaelerplatz erreicht, Ende des Marschs sollte der Ballhausplatz sein. Auch dort formierte sich aber bereits Gegenprotest – immerhin befand sich die große Pride Parade direkt am Ring gegenüber.

Um 16.30 Uhr war dann plötzlich alles vorbei und die Teilnehmer beider Lager strömen ab.