US-Marinetaucher sollen im vergangenen Juni bei einer vom Weißen Haus angeordneten verdeckten Operation Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht haben. Das behauptet nun der legendäre Investigativ-Journalist Seymour Hersh (85). Für seine früheren Enthüllungen hat Hersh den Pulitzer-Preis erhalten. Er hat unter anderem das Massaker von My Lai im Jahr 1968 während des Vietnamkrieges aufgedeckt und den Folterskandal der US-Streitkräfte im Irak.

Seymour Hersh ist nach zahlreichen Enthüllungen in den vergangenen Jahrzehnten eine Reporter-Legende.Bettmann Archive/Getty Images

Die Sprengsätze sind Hersh zufolge dann im September mit Hilfe Norwegens ferngezündet worden. Das Ganze sei eine verdeckte CIA-Operation gewesen unter dem Deckmantel der NATO-Übung BALTOPS 22. US-Präsident Biden soll den Entschluss zur Sprengung der Pipeline nach einer monatelangen Planung getroffen haben. Der Großteil der Planungsphase habe sich jedoch um die Frage nach dem „ob“ gedreht, nicht um die Frage nach dem „wie“, behauptet Hersh.

Hersh, der sich auf ungenannte nationale Sicherheitsquellen beruft, beschreibt monatelange Diskussionen und ein Hin und Her zwischen dem Weißen Haus, der CIA und dem Pentagon. In dem Bericht heißt es, dass die Planungen bereits im Dezember 2021 begonnen haben und eine spezielle Task Force unter der Ägide des nationalen Sicherheitsberaters der USA, Jake Sullivan, gebildet wurde.

CIA: Völlig und vollkommen falsch

Innerhalb der Geheimdienstgemeinschaft soll es erheblichen Widerstand gegen die Pläne gegeben haben. Während „all dieser Intrigen“, so die Quelle „sagten einige Mitarbeiter der CIA und des Außenministeriums: ‚Tut das nicht. Es ist dumm und wird ein politischer Albtraum sein, wenn es herauskommt‘.“

Die Reporterlegende veröffentlichte den Bericht auf einem Blog. Er sorgt bereits für ein Blätterrauschen in den amerikanischen Medien. Hersh beruft sich dabei auf ungenannte Quellen, ohne Beweise vorzulegen. Das Weiße Haus hat den Bericht umgehend zurückgewiesen. „Diese Behauptung ist völlig und vollkommen falsch“, sagte ein Sprecher des Auslandsgeheimdienstes CIA am Mittwoch.

Zum Zeitpunkt er Sprengung floss kein Gas nach Deutschland, aber die Leitungen waren gefüllt.APA/AFP/Handout/ SWEDISH COAST GUARD

Schweden geht von Spionageakt aus

Insgesamt vier Explosionen hatten im September in der Ostsee Lecks in die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gerissen. Schwedens geht von einem Sabotage-Akt aus. Sprengstoffreste sollen bereits nachgewiesen worden sein. Der Anschlag geschah in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks.

Sicher ist bis heute nur so viel: Ein Staat steckte dahinter – aufgrund der Menge an Sprengstoff. Es gibt mittlerweile, wie erst jüngst Generalbundesanwalt Peter Frank in einem Interview einräumte, bis heute keine Beweise für eine Urheberschaft Russlands.

US-Präsident Joe Biden hat mit Aussagen im Frühjahr den Verdacht auf die USA gelenkt.APA/AFP/SAUL LOEB

Joe Biden: Werden Nord Stream ein Ende bereiten

Ebenso steht fest: Den Vereinigten Staaten sind die Gaspipelines schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge. Moskau deutet von Anfang an eine amerikanische Urheberschaft hinter dem Anschlag an: „Der US-Präsident muss auf die Frage antworten, ob die USA ihre Drohung umgesetzt haben“, erklärte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums im September nach dem Vorfall.

Der Grund: Biden hatte mehrere Wochen vor Beginn der Invasion gewarnt: Sollte Russland im Nachbarland einmarschieren, „dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben“. Das „verspreche“ er, unterstrich der Präsident, ohne nähere Angaben zu machen. „Wir werden dem ein Ende bereiten.“

Allerdings hat danach die deutsche Bundesregierung von sich aus Nord Stream 2 ein Ende gesetzt. Sie legte das Projekt auf Eis, unmittelbar vor Russlands Invasion und als Reaktion auf Putins rechtswidrige Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatisten-Gebiete in der Ostukraine.