Trotz der finanziellen Belastungen durch den Krieg kann Moskau ohne größere Probleme seinen Finanzbedarf decken. Russland hat mehr als „nur“ einen ausgeglichen Haushalt, nein, es darf sich sogar über einen Überschuss freuen. Und der hat sich im November vervierfacht. Wie das russische Finanzministerium am Montag mitteilte, erreichte heuer der Haushaltsüberschuss bis November 557 Milliarden Rubel – das sind umgerechnet 8,29 Milliarden Euro. Bis zum Oktober waren es noch 1,91 Milliarden Euro gewesen.

Höhere Öl-Einnahmen trotz Einbruch des Exports

Russlands Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor sind heuer in die Höhe geschnellt und haben bereits in den ersten elf Monaten die Erwartungen für das gesamte Jahr übertroffen.

Der Kreml hat daraufhin Gazprom eine einmalige Steuererhöhung auferlegt, um den Einkommensrückgang in diesem Jahr auszugleichen. Das Unternehmen hat von den steigenden Preisen profitiert, obwohl die Exportmengen aufgrund des Krieges eingebrochen sind. Darüber hinaus zahlte der staatliche Gasriese zum ersten Mal überhaupt eine Zwischendividende. Vor allem von der einmaligen Steuerhöhung und der Dividende hat der Staatshaushalt profitiert.

Gegenüber August, September und Oktober ist das Haushaltsplus wieder kräftig gestiegen.

Einmalzahlung Hauptgrund für kräftiges Plus

Alexander Isakow, Wirtschaftswissenschaftler bei Bloomberg und Experte für Russland, meint dazu: „Die zusätzlichen Einnahmen von Gazprom sind ein Grund für den Anstieg des föderalen Haushaltsüberschusses. Erstens zahlt Gazprom fast die Hälfte der Öl- und Gassteuereinnahmen der letzten Monate. Zweitens hat das Unternehmen im November rund 0,6 Billionen Rubel an Dividenden an die Regierung gezahlt. Ohne die letztgenannte einmalige Zahlung würde der Haushalt in den ersten elf Monaten dieses Jahres wahrscheinlich nahezu ausgeglichen sein.“

Russland hat eine hohe Haushaltsdisziplin

Auch in Russland hat der Krieg die Staatsfinanzen belastet, da die Regierung die Wirtschaft während des Abschwungs stützt und höhere Ausgaben für das Militär hat. Dennoch ist die Regierung finanziell bisher ohne größere Probleme durch den Krieg gekommen. Dafür hat sie ihren Vermögensfonds angezapft und die Kreditaufnahme auf dem Inlandsmarkt erhöht.

Schon vor Kriegsbeginn zeichnete sich Russland durch eine hohe Haushaltsdisziplin aus. Im Jahr 2020 lag etwa die Verschuldung gemessen an der Zahl der Einwohner bei 1474 Euro pro Person. Zum Vergleich: die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung innerhalb der EU lag im gleichen Jahr bei 26.964 Euro. Das ist mehr als 18 Mal so hoch. Auch gemessen am BIP lag sie bei nur 20 Prozent. In der EU wird das nur von Estland (16,2 Prozent) unterboten. In der gesamten EU liegt sie bei 86,4 Prozent des BIP.

Von Anfang an Zweifel an Wirksamkeit der Sanktionen

Aus diesem Grund bezweifelten einige Wirtschaftsforscher schon von Anfang an die Wirksamkeit der Sanktionen. Einer von ihnen ist der Handelsexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Rolf J. Langhammer. „Wer glaubt, Russland mit einem Ölembargo schnell in die Knie zwingen zu können, der wird enttäuscht werden“, bemerkte er Anfang Mai gegenüber der WirtschaftsWoche. „Der russische Staat und die weitgehend vom Staat gelenkte Wirtschaft des Landes sind finanziell und materiell auf einen längeren Krieg vorbereitet.“ In Schulnoten ausgedrückt, müsste man der Haushaltspolitik des Landes „eine Eins Plus mit Sternchen vergeben“.

Schon damals prognostizierte Langhammer: „Der hohe Ölpreis beschert Russlands Staatshaushalt zudem hohe Einnahmen, das Land könnte dadurch finanziell sogar mit der Hälfte der bisherigen Ölexportmenge auskommen. Zumal die reinen Förderkosten für russisches Öl nur bei 10 bis 15 Dollar je Fass liegen. Nicht zu vergessen, dass Russland einen milliardenschweren Staatsfonds aufgebaut hat, mit dessen Mitteln es Einnahmenschwankungen in seinem Staatshaushalt ausgleichen kann.“