Dramatische Worte fand am Sonntag neuerlich der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk (46). Im “Bild”-Talk “Die richtigen Fragen” bezeichnete er die Besuche des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz (63, SPD) am Montag in Kiew und am Dienstag in Moskau als “womöglich letzte Chance” für Frieden. “Wertvolle Zeit wurde vergeudet, jetzt ist die Zeit gekommen, um endlich zu handeln”, sagte Melnyk. Scholz solle Russlands Präsident Wladimir Putin ein Ultimatum stellen.

“Wir sind froh, dass keine Panik ausbricht”, unterstrich der Botschafter. “Aber wir müssen auf das schlimmste Szenario gefasst sein: Dass die Hauptstadt in den nächsten Tagen bombardiert werden kann.”

Ukraine fordert Waffen, Deutschland für Sanktionen

Zwar wolle die Ukraine auf jedes Szenario vorbereitet sein. Dennoch sprach Melnyk die militärische Überlegenheit Russlands offen an: “Wir sind leichte Beute für Putin.” Zum wiederholten Mal forderte der ukrainische Botschafter erneut Waffenlieferungen aus Deutschland.

FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff erklärte dagegen: “Putin hat keine Angst vor deutschen Panzern aus dem Bestand der DDR.” Man könne die Kreml-Strategie nur über Sanktionen beeinflussen. “Es wird einen so harten wirtschaftlichen Preis geben, wie es ihn noch nie gab.” Der russische Botschafter in Schweden, Viktor Tatarinzew, hatte kürzlich den Westen vor solchen wirtschaftlichen Sanktionen gewarnt: “Je mehr Druck der Westen auf Russland ausübt, desto stärker wird die russische Reaktion sein.”

Streitpunkt Nato-Beitritt der Ukraine

Ein weiterer Streitpunkt beim Talk: Ein möglicher Nato-Beitritt der Ukraine. Der Ukraine-Botschafter beharrte auf dem Prinzip der freien Bündniswahl, auf das sich auch der Westen ursprünglich mit Putin geeinigt hatte: “Auch wir wollen Teil der Nato-Familie werden. Wir wollen dem Verteidigungsbündnis beitreten – und einen eigenen Beitrag leisten.”

Grünen-Experte Jürgen Trittin zeigte sich eher zurückhaltend. Freue Bündniswahl bedeute nicht, “alle aufnehmen zu müssen.” Angesichts der jetzigen Konfliktlage “sehe ich für für die nächsten Jahre – manche sagen auch Jahrzehnte – keine Möglichkeit, dass die Ukraine die Voraussetzungen erfüllt, um der Nato beizutreten.”