Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine von Russland ausgehende Gefahr eines Atomkriegs zurückgewiesen. Sobald man auf Äußerungen ausländischer Politiker reagiere, hieße es sofort, Russland drohe irgendjemandem, sagte Putin am Freitag beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Dann fügte er hinzu: “Wir bedrohen nichts. Aber alle sollen wissen, was wir haben und was wir gegebenenfalls einsetzen werden, um unsere Souveränität zu schützen.”

Wegen des seit fast vier Monaten andauernden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine machen sich viele Sorgen, dass es im schlimmsten Fall sogar zum Einsatz von Atomwaffen kommen könnte. Moskau weist diese Absicht stets zurück. Russland betont vielmehr immer wieder, dass es – anders als die USA – in seiner Militärdoktrin kein Erstschlagrecht verankert habe.

Putin beansprucht "führende Machtposition" für Russland

Zudem beansprucht Putin für sein Land eine führende Rolle bei der Gestaltung der globalen Machtverhältnisse. Russland sei als mächtiges und modernes Land Teil einer neuen Weltordnung, sagte er am Freitag in St. Petersburg. Es sei offensichtlich, dass die Regeln der neuen Weltordnung von starken und souveränen Staaten festgelegt würden.

“Wir sind ein starkes Volk und können mit jeder Herausforderung fertig werden. Wie unsere Vorfahren werden wir jedes Problem lösen, davon zeugt die gesamte tausendjährige Geschichte unseres Landes”, erklärte Putin. In seiner 73-minütigen Rede bekräftigte das Staatsoberhaupt, die “militärische Spezialoperation” in der Ukraine werde fortgesetzt. Hauptziel des Einmarsches sei die Verteidigung “unseres” Volkes im überwiegend russischsprachigen Donbass in der Ostukraine. Westliche Staaten sehen darin nur eine vorgeschobene Rechtfertigung des Angriffskriegs, der bisher zur Besetzung von Teilen der Südukraine weit über den Donbass hinaus geführt hat.

Putin: "Wirtschaftliche Sanktionen des Westens sind gescheitert"

Putin hat zudem die westlichen  Sanktionen für gescheitert erklärt und erachtet die Wirtschaft seines Landes für robust. Die Versuche, diese zu schwächen, seien gescheitert, sagte Putin. Der wirtschaftliche “Blitzkrieg” gegen Russland habe keine Chance auf Erfolg.

Putin rechtfertigte den seit fast vier Monaten andauernden Krieg gegen die Ukraine, den er nach wie vor nur als “Spezial-Operation” betitelte, erneut als alternativlos. Die Entscheidung sei “erzwungen und notwendig”, gewesen sagte Putin. Der Westen habe die Ukraine zuvor “buchstäblich mit seinen Waffen und seinen Militärberatern aufgepumpt.”

Russland behindert nach Worten von Putin zudem nicht die Getreidelieferungen aus der Ukraine. Nach Darstellung des russischen Präsidenten sind die ukrainischen Getreidelieferungen für den Weltmarkt allerdings unbedeutend. Es gehe um fünf bis sechs Millionen Tonnen Weizen und eine etwa ebenso große Menge Mais. Das sei für den Weltmarkt unerheblich, sagte Putin. Viel größere Auswirkung auf die steigenden Lebensmittelpreise hätten die westlichen Sanktionen gegen Russland. Gerade die Ausfuhr von Düngemitteln gefährde künftige Ernten und treibe so weiter die Preise an, warnte er.

Putin zum Westen: "Nichts wird in der Weltpolitik mehr so sein, wie es einmal war"

Zudem warf Putin den USA und Europa vor, den Import von Lebensmitteln gesteigert und damit die Konkurrenz um die begehrten Nahrungsmittel auf den Weltmärkten angeheizt zu haben. Das habe lange vor dem Ukraine-Krieg begonnen, den Putin “militärische Spezialoperation im Donbass” nannte. Die Inflation bei Lebensmitteln stehe daher in keinem Zusammenhang mit dem russischen Angriff, so der 69-Jährige.

Putin nutzte die Bühne zugleich, um den Westen verbal anzugreifen. Die USA agierten, als seien sie von Gott auf die Erde mit heiligen Interessen geschickt worden. “Unsere westlichen Kollegen denken immer noch in Kategorien des vergangenen Jahrhunderts, sie behandeln andere Länder wie Kolonien”, sagte Putin und betonte, nichts in der internationalen Politik werde so sein, wie es einmal gewesen sei.

Cyber-Angriff sorgte für Verspätung - Separatist wälzt Pläne für "Eroberung der gesamten Ukraine"

Putins Rede beim als “russisches Davos” bekannten Forum hatte mit nach einem Hackerangriff mit Verspätung begonnen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte in einem Telefonat mit Reportern, der Cyber-Angriff habe am Donnerstag begonnen und das Akkreditierungs- und Einlasssystem des Forums lahmgelegt. Dies habe zu einer Reihe von Problemen beim Zugang geführt.

Der pro-russische Separatistenführer in der ostukrainischen Region Donezk, Denis Puschilin, sprach sich indes für eine Eroberung der gesamten Ukraine durch die russische Armee aus. Puschilin sagte der russischen Nachrichtenagentur Tass, dass die gesamte Ukraine einschließlich der “russischen Stadt Kiew und der Westukraine befreit” werden sollte. So würde diese “schwere Verantwortung nicht auf die folgende Generation übertragen”, fügte Puschilin hinzu.