Die Augen sind der Spiegel zur Seele, so sagt man – und wenn man in Vovas Augen blickt, dann könnte dieses Sprichwort wahrer nicht sein: Das rechte Auge des 13-jährige Buben aus Kiew ist schwer verletzt, aufgeplatzt und blutunterlaufen – die Haut rundherum so angeschwollen wie seine gebrochene Nase. Diese und viele weitere physische Verletzungen zeigen nur die Oberfläche der tiefen Wunden, die dem Teenager in Putins Angriffskrieg zugefügt wurden – denn hinter der blutroten Pupille des Burschen liegen seelische Schmerzen verborgen, die kein Kind der Welt jemals ertragen sollte.

Vova stammt aus Kiew – der ehemals blühenden 4-Millionen-Einwohner-Hauptstadt der Ukraine, die  nun zur Geisterstadt geworden ist. Gemeinsam mit seiner Familie wollte der Bub in einem vor den nahenden russischen Truppen fliehen, doch das geliehene Auto, in dem sie unterwegs waren, wurde zur Zielscheibe für Putins Handlanger: Die russischen Invasoren töteten Vovas Vater und seinen kleinen Bruder, der 13-jährige Bub wurde schwer verletzt und kam gerade so mit dem nackten Leben davon.

Auch die kleine Milena ist eines von Putins Opfern: Mit nur sechs Jahren hat auch sie bereits dem Tod ins Auge geblickt und eine Art von Schrecken und Grauen erfahren, die sie ihr Leben lang begleiten werden. Milena und ihre Mutter kamen nämlich ins Visier eines russischen Raketenangriffs – ihre Mama überlebte nicht, Milena blieb allein und schwer verletzt zurück. Jetzt erholt sie sich nach einer Operation von ihren körperlichen Verletzungen, die dank ihres jungen und sonst gesunden Körpers gut heilen sollten – ihre seelischen Wunden sind eine andere Geschichte…

Krankenhaus in Lemberg mit Kindern mit Kriegsverletzungen überlastet

Vova und Milena sind aber nur zwei von tausenden tragischen Kinderschicksalen, die der Krieg in der Ukraine gerade schreibt. Täglich werden mehr Kinder inmitten der Angriffe verletzt oder gar getötet, die Flut an Patienten bringt die örtlichen Kliniken an ihre Belastungsgrenze. Wie das UN-Kinderhilfswerk UNICEF berichtet, ist das Krankenhaus im ukrainischen Lwiw (Lemberg) nahe der polnischen Grenze durch die Anzahl an verletzten Kindern, die aus umkämpften Regionen eintreffen, bereits völlig überlastet. Unicef und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versuchen, dieses und andere Krankenhäuser mit Material zu versorgen, doch im Vorfeld ist bereits eine “Sticker-Triage” nötig.

Ärzte müssen sich mit "Pickerl-Triage" aushelfen

Ärzte in Lemberg hätten demzufolge ein “Pickerlsystem” einrichten müssen, um die Behandlung der Kinder zu koordinieren, wie ein Unicef-Sprecher in Genf berichtet. Ein grüner Sticker heißt: verletzt aber ohne dringenden Bedarf, gelb heißt: muss behandelt werden, und rot heißt: um dieses Kind muss sich sofort gekümmert werden. Es gebe auch schwarze Sticker, sagte der Sprecher: Das Kind lebe noch, aber es könne nicht gerettet werden, und das Krankenhaus sei gezwungen, seine Ressourcen auf andere kleine Patienten konzentrieren.

Dieses Sticker-System sei eingerichtet worden für den Fall, dass noch mehr Kinder gleichzeitig mit Kriegsverletzungen eintreffen, präzisierte Unicef-Sprecher James Elder später. Nach seinen Angaben musste es zunächst noch nicht eingesetzt werden.

Unicef-Sprecher: Hälfte der Geflüchteten sind Kinder

“Der einzige Weg aus dieser Katastrophe ist, den Krieg zu beenden, und zwar sofort”, sagte Elder. Unter anderem greife Russland in einigen Regionen die Wasserversorgung gezielt an. Menschen nähmen teilweise Heizungen auseinander, um in ihrer Not das Kühlwasser zu trinken. Nach Angaben von Elder sind die Hälfte der inzwischen drei Millionen Geflohenen Kinder und Jugendliche.