Das Interview im russischen Staatsfernsehen ist hochinteressant – und zutiefst verstörend. Auf nichts anderes als die vollständige Ausmerzung der Ukraine und seiner Führung läuft hinaus, was der als “Held der Russischen Föderation” ausgezeichnete Generaloberst, Putin-Vertraute, ehemalige Oberbefehlshaber der russischen Luftlandetruppen, mutmaßliche Kriegsverbrecher und nun stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der russischen Staatsduma da von sich gibt.

Im Übrigen kündigt er einen jahrelangen Krieg an, und Schamanow rechnet mit der Einmischung Polens, der baltischen Staaten und Rumäniens.

Putin (l.) stößt am 5. März 2012, dem Tag nach der Wahl, mit General Schamanow während eines Treffens mit Wahlkampfaktivisten in Moskau an.APA/AFP FOTO/ RIA-NOVOSTI POOL/ ALEXEY DRUZHININ
2009: Der damalige Präsident Dmitri Medwedew (r.) und Wladimir Schamanow (2.v.r.), damals Kommandeur der Luftlandetruppen, sprechen mit Soldaten der 7. Luftlandedivision.APA/AFP PHOTO/ RIA-NOVOSTI/ KREMLIN PRESS/ VLADIMIR RODIONOV

Bereits Gespräche mit Chinas Führung über Tribunal

Zum Tribunal erklärt er: Moskau hat bereits Gespräche mit dem Präsidenten der Volksrepublik China Xi Jinping über ein “internationales Kriegsverbrechertribunal” geführt. Man sei in der Vorbereitungsphase. “Wir werden uns auch ihre Milliardäre vorknöpfen, zusammen mit ihrer politischen Führung, Bastarden wie (dem ukrainischen Politiker Oleksandr) Turtschynow und Drecksäcken wie (dem Aktivisten und Politiker Dmytro) Jarosch. Wir werden sie alle beim Namen nennen, wie unser Oberbefehlshaber sagte, und sie alle werden zur Rechenschaft gezogen werden.”

Erste Schritte wurden bereits unternommen: “Wir haben die ersten Voraussetzungen für die Bildung eines internationalen Tribunals geschaffen. Wir führen dazu Gespräche mit China und anderen BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika). Es wird ein internationales Tribunal geben, 100 prozentig, wie die Nürnberger Prozesse.” Und: “Wenn der Krieg zu Ende ist, wird die Ukraine vor dem Nichts stehen.”

Zwei Ziele: vollständige Entmilitarisierung und Entnazifizierung

Russlands Ziel sei es, die Ukraine “vollständig zu entmilitarisieren”, und das werde wohl “fünf bis zehn Jahre” dauern. Zweites Ziel ist “die Entnazifizierung, die gleichzeitig mit der Bildung einer Regierung, die nicht von diesen Neonazis besudelt ist, erfolgen wird. Das wird schwierig zu bewerkstelligen sein, also werden wir abwarten müssen.”

Die Moderatorin fragt den Generaloberst nach den künftigen Grenzen der Ukraine

Von der Moderatorin gefragt, wie die territorialen Grenzen der Ukraine nach dem Ende der “besonderen Militäroperation” Russlands aussehen könnten, erklärt Schamanow: “Diese Frage ist sehr schwer vorherzusagen. Wir kennen weder die künftige Mentalität der Bevölkerung noch unsere künftigen Beziehungen zu den Nachbarländern, die sicherlich versuchen werden, Einfluss zu nehmen”, dabei nannte Schamanow die baltischen Staaten und Polen. Sobald die beiden Ziele erreicht sind, sei es allerdings nicht mehr nötig, die Ukraine Russland einzugliedern.

"Werden diese Krankheit in 20 bis 40 Jahren vollständig ausrotten"

Einer der Hauptfehler sei es gewesen, zu denken, die Ukrainer würden die russischen Truppen mit Blumen empfangen. “Wir bemerkten es in den ersten fünf Tagen.” Der Duma-Abgeordnete deutet auch ein 20-jähriges Komplott an, um jedes Anzeichen einer ukrainischen Unabhängigkeit und Kultur zu beseitigen. Er vergleicht Russland mit anderen Ländern und behauptet, dass “die russische Überlegenheit weltweit anerkannt wird”. Moskau könnte sich auf weitere 20 Jahre Krieg einlassen, da es Russlands Ziel sei, “die Krankheit” der Ukraine vollständig auszurotten. Wörtlich: “Wir werden 20 bis 40 Jahre brauchen, um diese Krankheit vollständig auszurotten.” Und: “Es wird nicht einfach sein. Es muss unter unserer Kontrolle sein.”

Umstrittenes Treffen im Jahr 2007: (v.l.n.r.) Robert H. Foglesong (Ex-Präsident der Mississippi State University), US-Präsident George W. Bush und Wladimir Schamanow im Oval Office.
1. März 2018: Schamanow (l.) schüttelt dem Chef des Ölkonzerns Rosneft, Igor Setschin, die Hand. Beide verfolgen gerade eine Rede Putins vor der Föderalversammlung im Moskauer Messezentrum Manezh.APA/AFP/Yuri KADOBNOV

Auch auf Russland und seine weltweite Überlegenheit geht Wladimir Schamanow ein. “Unsere Nation wurde durch territoriale Vergrößerung aufgebaut. Außerhalb der Grenzen unserer Nation, unabhängig von der Nationalität, ist der Russe. Dieser kollektive russische Mensch muss bereit sein, sein Mutterland zu verteidigen, immer.” Und: “Wir heben uns weit von anderen Nationen ab und übertreffen alle anderen.” Russlands “Überlegenheit wird weltweit anerkannt.” Die “militärische Operation sei notwendig, um “für künftige Generationen normale Verhältnisse zu schaffen”.

Gilt als "Schlächter des tschetschenischen Volkes"

Wladimir Schamanow erwarb sich im Ersten und Zweiten Tschetschenienkrieg den Titel als “Schlächter des tschetschenischen Volkes”. Um Territorium zu sichern und den Feind zu vernichten kümmerte er sich kaum um so genannte Kollateralschäden unter unbeteiligten Zivilisten. Gemäß seiner Logik war jede Zivilperson, die nicht bereit war, tschetschenische Kämpfer an Russen zu verraten – selbst  wenn es Väter, Söhne und Brüder waren – wie der Feind zu behandeln und daher zu vernichten.

Mai 1996: General Schamanow ist damals Leiter der russischen Westfront in Tschetschenien und betritt gerade die tschetschenische Hochburg Bamut.APA/AFP/ALEXANDER NEMENOV

Pavel Felgenhauer, ein für die unabhängige russische Tageszeitung Nowaja Gaseta arbeitender Militäranalytiker, urteilte im März 2000, dass Putin und die Spitze seiner Militärführung allein durch den von ihnen autorisierten Einsatz von Bomben und Raketenwerfern in Kriegsverbrechen involviert seien. Bis dahin hatte der Krieg bereits mehrere tausend tschetschenische Zivilisten das Leben gekostet. Überdies waren zahlreiche “verdächtige” Tschetschenen vom russischen Militär in so genannten “Filtrationslagern” interniert worden, wo nicht wenige von ihnen gefoltert und ermordet wurden. Schamanow tolerierte auch diese Lager in seinem Machtbereich.