Anfang Juni schnürte die Europäische Union das sechste Sanktionspaket gegen Russland. Öllieferungen auf dem Seeweg sind nun ausgesetzt. Es ist ein Ölembargo mit Schlupflöchern, denn Pipeline Rohöl aus Russland fließt freilich weiter.

Wie kann ein Drittstaat aus dieser Situation profitieren? Frag’ doch den Inder! Denn wegen eines Überflusses auf dem heimischen Markt wird russisches Rohöl international derzeit günstiger gehandelt als das Rohöl aus anderen Ländern. Schon seit Mai hat Indien seine Einkäufe in Moskau deutlich erhöht.

Große Abnehmer billigen Öls

Reuters-Angaben sprechen von 62,5 Millionen Barrel russisches Öl, das Neu Delhi seit Beginn des Krieges erworben hat. Das ist dreimal so viel, wie noch im Jahr zuvor.  Brisant: Private indische Ölraffinerien, die gerade große Abnehmer von billigem Öl aus Russland sind, beliefern laut “Wall Street Journal” den Weltmarkt mit Benzin und Diesel, ohne dabei die Herkunft des Rohöls preiszugeben.

Russlands Präsident Wladimir Putin (l) und der indische Premierminister Narendra Modi im Dezember 2021 in Neu-Delhi

Indien wird Raffineriezentrum Europas

Die täglichen Lieferungen aus Indien in die EU haben sich im Quartalsvergleich um ein Drittel erhöht. Jene in die USA übrigens gar um 43 Prozent.

Insider sagen, es sei “sehr wahrscheinlich”, dass indische Firmen das russische Öl mit einem Rabatt kaufen, es raffinieren und das Endprodukt dann im Rahmen eines kurzfristigen Vertrags verkaufen.

Auch die spanische Zeitung El Mundo berichtete zuletzt über die „Instrumentalisierung“ der Russland-Sanktionen durch Indien: Die EU habe zwar die meisten russischen Ölimporte als Strafe für Putins Invasion in der Ukraine verboten, aber Indien kaufe den Quellen zufolge russisches Öl mit hohen Rabatten und verkaufe es dann als raffiniertes Produkt teurer nach Europa. Somit entwickelt sich Indien zum Raffineriezentrum für Europa.