Egal ob in Fragen der Wirtschaft, des Klimas, der Migration oder der Pandemie: Maßnahmen werden nicht nach Evidenz und Wirksamkeit beschlossen, sondern primär danach, wie sie sich anfühlen. Nichts macht Politiker so hellhörig and aktiv wie der Satz „Ich habe Angst.“ Wer das Vorgehen vieler europäischen Regierungen in der Pandemie beobachtet, kann erkennen, wie viele Maßnahmen ergriffen werden um ein Gefühl von Sicherheit zu erzeugen ohne sich dabei auf eine solide Evidenz zu stützen. Von harten Lockdowns bis zum Aussetzen von Impfungen geht es darum auf ein Gefühl der Angst zu reagieren. Aber diese Gefühlspolitik existierte bereites vor Corona.

Feel-News sind so gefährlich wie Fake-News

Die wahrscheinlich wichtigste Vertreterin der globalen Klima-Bewegung, Greta Thunberg, ist mittlerweile selbst in österreichischen Haushalten ein geläufiger Name, ebenso wie der bewundernswerte Einsatz der jungen Schwedin. Emotional gibt es an Thunberg kein vorbeikommen, weshalb sich vor zwei Jahren selbst Barack Obama ein Treffen mit ihr nicht nehmen ließ. Wesentlich weniger Menschen kennen William Nordhaus, den amerikanischen Ökonomen, der für seine Forschung zum Klimawandel und dessen wirtschaftlichen Konsequenzen 2018 den Nobelpreis bekam. Aber während Thunberg mit anklagendem Blick und karfreitagsernst der Weltpolitik die Leviten liest und eine Beendigung des globalen Kapitalismus fordert, ist Nordhaus optimistischer: Ein gewisser Temperaturanstieg wird in den nächsten 100 Jahren unvermeidlich sein, aber durch Innovationen wie beispielsweise im Bereich des Bioengineering oder Fortschritte in der CO2 Vermeidung sollte die Menschheit auch ohne eine Rückkehr ins vorindustrielle Zeitalter durch die Krise kommen lassen. Nordhaus ist aber leider ein eher zurückhaltender Mensch und hat nicht einmal einen aktiven Twitter Account – und ist damit natürlich Lichtjahre hinter den Endzeitszenarios der Thunberg Bewegung hinterher. Und auch für die Medien ist das Gefühl des Weltunterganges ein besserer Quotenbringer als die trockenen Analysen eines Ökonomen. Dass als Konsequenz des Ganzen Deutschland und der Rest Europas begonnen haben, sich als Industrienationen selbst abzuschaffen, wird zukünftigen Generationen jedoch schwieriger zu erklären sein. Es wird gerne vor den Folgen von Fake-News gewarnt, aber Feel-News sind um nichts weniger gefährlich.

Wer Grün wählt, darf sich gut fühlen

Der Erfolg der Grünen in Deutschland stellt einen natürlichen Endpunkt in dieser Entwicklung dar, und man kann eine Partei nur bewundern, der es gelungen ist Linksaußen Positionen mit dem sogenannten Bürgertum zu verschmelzen. Aber auch hier greift die Sentimentalität – denn wer Grün wählt, darf sich gut fühlen. Dass die Anmeldungen der klimaschädlichen SUVs jährlich um 20% ansteigen und sich darunter auch der eine oder andere Grünwähler befinden dürfte, kann man als moralisch-politischen Ablasshandel bewerten. Ohne zu tief in die historische Mottenkiste zu greifen, ist hier jedoch eine Warnung aus dem vorrevolutionären Russland angebracht. Auch dort biederte sich das Bürgertum mit Begeisterung der sogenannten „Intelligenzija“ an, um dann völlig überrascht festzustellen, dass man den eigenen Henkern auch noch den Strick geliefert hat. Vielleicht nicht ganz so drastisch, aber nicht unähnlich wird es auch die Mittelschicht in Europa treffen wenn sich herausstellt, dass das mit den Green Jobs und null CO2 Ausstoß eben doch nicht ganz so einfach ist. Der tatsächlichen Preiszettel der Thunberg Vision wird in der Berichterstattung ja nur selten erwähnt, und klammheimlich hofft jeder, dass sein Arbeitsplatz auch in der erzwungenen CO2 freien Wirtschaft erhalten bleiben wird und die Arbeitsplatzvernichtung nur andere trifft. Eine vernünftige Klimapolitik würde sich weniger auf Schülerproteste und Aktivisten berufen, die zwar den billigen Adrenalinschub des Revolutionärs vermitteln, aber langfristig keine Lösungsansätze bieten.

Probleme am besten gar nicht ansprechen

Wenn es um die Abwägung von Evidenz und Gefühl gibt, siegt oft letzteres: Aber der Versuch, mit dem Kopf zu fühlen und dem Herzen zu denken hat langfristige Konsequenzen, da in vielen Bereichen eine offene Debatte unterbunden wird. Wie es in den Ländern Österreich und Deutschland um die Migration tatsächliche steht, ist nur schwer festzustellen da ja aus Rücksicht mittlerweile sogar bei der Datenerhebung mit Einschränkungen vorgegangen wird. Besser ein Problem gar nicht anzusprechen, bevor sich jemand alleine durch die Erwähnung desselben gekränkt fühlen könnte. Die in Stanford forschende Ayaan Hirsi Ali hat dieses Jahr ein Buch veröffentlicht, in welchem sie in sehr ausgewogenen und differenzierten Worten den Zusammenhang zwischen Masseneinwanderung und der Schwächung von Frauenrechten in europäischen Gesellschaften beschreibt. Noch bevor das Buch überhaupt vorlag, gab es bereits die ersten Rezensenten, welche der Autorin vorwarfen, sie würde Islamophobie und Hass auf Muslime schüren. Die Tatsache, dass die meisten Opfer die Ali beschreibt selbst Musliminnen sind deren Schicksal in westlichen Medien weitgehend ignoriert wird, war kaum einen Satz wert. Man fühle sich einfach schlecht beim Lesen – also das Problem am besten gar nicht ansprechen.
Europa ist im Moment noch wohlhabend genug, sich diese Gefühlspolitik leisten zu können – die Frage ist, wie lange noch.