Ralph Schöllhammer: Nach der Krise ist vor der Krise
Während sich Österreich langsam auf den nächsten Lockdown vorbereitet und sich die Wirtschaft und das soziale Leben wieder auf eine neue „Normalität“ einstellen, muss sich die Politik die ehrliche Frage stellen, was in den letzten 15 Monaten schief gelaufen ist.
Hier geht es nicht um Schuldzuweisungen oder politisches Kleingeld, sondern um die Frage wie ein modernes Industrieland wie Österreich von einer Pandemie derart überrascht werden konnte, dass Maßnahmen ergriffen werden mussten, die zuletzt im Mittelalter Anwendung fanden. Österreich und die meisten anderen europäischen Staaten waren völlig unvorbereitet, obwohl die Wahrscheinlichkeit einer globalen Pandemie spätestens nach den Erfahrungen mit SARS 2002 seit 18 Jahren in den Bereich des Möglichen gerückt ist.
Und auf dem Papier schien ja auch einiges vorbereitet zu sein: 2019 war Österreich im Global Health Security Ranking der angesehenen Economist Intelligence Unit auf Platz 26 von 195, noch vor Israel (Platz 54) aber hinter Südkorea (Platz 9). Aber Papier ist ja bekanntlich geduldig, und selbst die besten Pläne können unter dem Stress einer echten Krisensituation zusammenbrechen. Deshalb gilt es jetzt diese Strukturschwächen zu analysieren und auszugleichen, weil ein weiteres Jahr wie das vergangene ist wahrscheinlich weder wirtschaftlich, noch sozial oder psychologisch der Bevölkerung zuzumuten. Und es ist ja nicht so, als würde es keine best-practice Beispiele im Umgang mit der Pandemie geben: Kein zwei Länder sind vollkommen gleich, aber in vielen Bereichen kann man durchaus von den Erfolgen anderer lernen. Vor allem im Verwaltungsbereich haben sich in Österreich Schwächen offenbart, welche nichts mit der harten Arbeit der heimischen Beamtenapparates zu tun haben, sondern mit einer Struktur welche auf eine Krise in diesem Ausmaß einfach nicht vorbereitet war.
Ist Österreich noch zukunftsfit?
Die Tatsache, dass Strukturreformen in Österreich dringend notwendig sind, um das Land zukunftsfit zu halten, hat sich ja nicht erst durch Corona offenbart. Seit 16 Jahren liegen die Vorschläge des Österreich Konvents für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform auf Eis. Was als parteiübergreifender Reformeifer begann, kam leider wieder einmal über die Phase der Arbeitsgruppe nicht hinaus.
Vielleicht wäre es an der Zeit diesen Prozess wieder zu beleben und dann aber auch mit konkreten Zielen und Umsetzungsplänen zu ergänzen. Es besteht die Gefahr, dass in all den Diskussionen über das politische Tagesgeschäft und das (zumindest gefühlte) Ende der Pandemie die wirklich große Frage aus den Augen verloren wird: Ist Österreich noch zukunftsfit? Regierungen und Minister kommen und gehen, aber unsere Strukturschwächen bleiben. Wir hinken in der Digitalisierung im Bildungs- und Gesundheitsbereich anderen europäischen Staaten wie Estland um Lichtjahre hinterher – einem Staat, der vor über 30 Jahren noch sowjetische Provinz war. Diese und andere Strukturschwächen sind auch der Grund, warum Österreich im Pandemiemanagement weit von der Weltspitze entfernt ist, und bei den Öffnungen ein Schlusslicht.
Während hierzulande die 4. Welle wütet, haben in Regionen wie dem US-Bundesstaat Florida oder den Corona-Musterländern Südkorea und Taiwan selbst während der Hochphase von der Pandemie beispielsweise Schulen kaum oder nur sehr eingeschränkt geschlossen und dort sieht man auch den kommenden Winter eher gelassen. Auch wenn man dort nicht alles richtig gemacht hat, und insbesondere Datenschützer das digitale Kontakt-Tracing wie es viele asiatische Länder betrieben haben zu Recht kritisch sehen, muss eines festgehalten werden: Im internationalen Vergleich wurden die Grundrechte und alltäglichen Freiheiten dort weniger eingeschränkt als in Europa. In einer Studie über die Härte der Lockdowns kommt die Universität Oxford zu dem Schluss, dass konsequentes Tracing und überwachte Quarantänemaßnahmen auch mit geringen Einschränkungen eine Kontrolle des Infektionsgeschehens möglich machen.
Österreich muss besser auf Krisen vorbereitet sein
Die Pandemie hat auch einen neuen globalen Standortwettbewerb ausgelöst, in dem viele Unternehmen ihre Lieferketten neu organisieren. Österreich sollte hier an der Spitze stehen und ein Magnet für Unternehmensstützpunkte sein, aber im Moment sieht es so aus, als würde man auch diese Chance ungenutzt verstreichen lassen. Gleichzeitig kündigen sich am Horizont bereits die nächsten Krisen an: Laut World Food Programm befinden sich als Konsequenz der Pandemie 34 Millionen Menschen dem Risiko einer Hungersnot ausgesetzt. Eine Entwicklung, die zu erneuten Migrationsströmen führen wird, welche bereits jetzt an den EU Außengrenzen zu spüren sind.
Die in den letzten Jahren rein auf dem Papier durchgeführte Krisenvorbereitung wird in Zukunft nicht mehr reichen. Es braucht Workshops und Simulationen, um das System auf die tatsächlichen Bedingungen unter krisenbedingtem Stress vorzubereiten. Dazu könnte man beispielsweise eine Abteilung für „Nationale Bedrohungsszenarien“ andenken in welcher worst-case Szenarien aus allen Bereichen (Wirtschaft, Gesundheit, Internationales, Digitales, etc…) permanent durchgespielt werden. Zusätzlich würden dort Risiken bewertet, strategische Abwägungen vorgenommen (z.B. Freiheit vs. Sicherheit) und vorbeugende Maßnahmen entwickelt.
Man kann den Zeitpunkt von Krisen nicht exakt vorhersagen, aber man kann mit großer Sicherheit sagen, dass Corona nicht die letzte gewesen sein wird. Es wäre wünschenswert und eigentlich auch die Pflicht der österreichischen Politik, sich nicht noch einmal so wie 2020 überraschen zu lassen.
Ralph Schöllhammer ist Assistenzprofessor für Volkswirtschaftslehre und Internationale Beziehungen an der Webster Privatuniversität Wien. Auf Twitter unter @Raphfel sowie auf seinem Podcast “The Global Wire” kommentiert er regelmäßig das globale wirtschaftliche und politische Geschehen.
Kommentare
Es ist halt jetzt so, dass Kurz weg ist.
Und wir haben wieder Lockdown.
Und bald Impfpflicht.
Und wir reden über Wegsperren von Ungeimpften, Sicherungshaft für Gefährder ist natürlich kein Thema.
Politiker, wenn einem nicht gefallen, kann man gezielt durch Kriminelle in Fallen locken lassen, ein Video fabrizieren und mit Hilfe gewisser Medien Regierungen stürzen.
Mit Dauerfeuer in Untersuchungsausschüssen kann man die Politiker jagen, sie wie Kriminelle behandeln, ihre Handys konfiszieren und Inhalte durchstöbern, daraus weitere Vorwürfe konstruieren, Hausdurchsuchungen überfallsartig durchführen, auch Verhaftungen und damit Angst und Schrecken verbreiten.
Alle, die diese Partei unterstützen, kann man mit Verdächtigungen verächtlich machen.
Und natürlich alles Gefundene immer wieder durch die Medien jagen.
Aber endlich ist Kurz weg, und die Roten sind vorne.
Auf den Punkt gebracht, ich bin voll ihrer Meinung. Den Linken ist jedes Mittel recht nur wieder an den Futtertrog zu gelangen. Armes Österreich.
Die Krise des Staates ist die Konsequenz der Krise der Köpfe. Die Mehrzahl der Medien beschäftigt sich mit dem Kampf aller gegen die ÖVP, Parteien, die Jahrzehnte über Kickl die Nase rümpften, hofieren ihn beim “Kurz-muss-weg” und nehmen die völlige Obstruktion bei der Corona-Bekämpfung in Kauf. Und auch die hier aufgepoppten Fragen, “Wer wird mit Kurz koalieren”, “Wer wird mit xxx koalieren?”, wenn wir zukunftsfit werden wollen, muss sich jeder auf die Sache konzentrieren und jeder mit jedem zusammenarbeiten. Sonst wird´s nix mit der Zukunft …
Nur so kann es gehen.
Statt Ränkespielen, Verleumdung und Fehden ein Wettbewerb der besten Ideen für das Land.
Ich verstehe Ihren Frust, und die von Ihnen angeführten Kritikpunkte an der türkisen Politik sind richtig, aber selbst wenn sie sich ihr festgesetztes Narrativ immer und immer wieder einreden und noch so oft wiederholden, es wird dadurch nicht wahrer. Kurz ist NICHT schuld, dass die Impfung nicht der Game Changer ist, und die Impfung als Lösung aller Corona Probleme ist auch nicht seine Erfindung. Die Impfung wirkt einfach nicht so wie versprochen, und das ist der einzige Grund, warum wir jetzt im Lockdown sind. Alles andere ist eine Selbstlüge. Wären die bis jetzt Geimpften so geschützt, wie zu Beginn der Impfkampagne behauptet, die Krise wäre schon längst vorbei! Leider ist aber jeder andere vernünftige Umgang mit der Krise und jede andere Maßnahme im deutschsprachigen Raum regelrecht tabu und wird unterdrückt. Es werden nichstsagende Zahlen und absurde Interpretationen präsentiert, aus Angst zuzugeben, dass alles im Zusammenhang mit der Impfung hinterfragt werden muss. Nur ein Beispiel: Israel ist hierzulande in aller Munde weil sie boostern und erfolgreich sind, niemand macht sich hier die Mühe zu checken, dass deren Impfquote beträchtlich geringer als bei uns ist, und damit die geringste der westlichen Welt nach den USA!! Der „Erfolg“ Israels liegt einzig darin, dass man sich gezielt um die Risikogruppen kümmert, die Impfung ist nur ein Aspekt einer gezielten Strategie.
Wenn sich endlich jemand der Verantwortlichen für dieses Schlamassel finden würde, der die Wirkung der Impfung relativiert, die Fehleinschätzung zugibt, sich entschuldigt und den aktuellen Wissensstand objektiv präsentiert, wir wären viel weiter in der Pandemiebekämpfung. Die bis jetzt brutal ausgestoßenen und verächtlich gemachten so bezeichneten Ungeimpften wären viel mehr bereit, wieder bei der Pandemiebekäpfung mitzutun. Aber wem sage ich das…
Zur Klarstellung: Unsere linken Mainstream-Medien, die in erster Linie für die korrekte Information zuständig wären, dafür, dass die Menschen sich für die diesbezüglichst klügste Verhaltensweise entscheiden, nämlich, sich impfen zu lassen, haben während der Pandemie nur eine Agenda gehabt: ”
Kurz muss weg”, haben ihn, der das alles sehr vernünftig gemanagt hat, torpediert, wo es nur gegangen ist. Sind nie gegen Verschwörungstheorien aufgetreten, sondern haben vielmehr den den Hasssprediger Kickl hofiert, weil er in diesem Spiel: “Kurz muss weg” einen wichtigen Part gespielt hat, sogar dann ohne Kritik Koalitionspartner des “Drei Mäderl-Haus” Päm/Beate/Sigi ins Spiel gebracht wurde. Somit konnte Kickl bis heute sein böses Spiel: “Ich räche mich an Sebastian Kurz, weil er damals die Regierung aufkündigte, Österreich ist mir wurscht” ohne medialen Widerstand bis heute auf Kosten Österreichs weiterführen. Meine Antwort ist: Ihr wolltet Kurz weghaben,jetzt ist er weg, na dann zeigt bitte, wie Ihr es besser macht. Ich warte ja schon sehnsüchtig auf die Regierung Päm/Herbert/Beate/Sigi, denn , die die das so sehr herbeisehnen,herbeischreiben, sollen dann einmal in einem Land leben, wo diese Looser-Truppe die Regierung stellt. Viel Glück und ein langes Leben wünsche ich Euch.
Vollkommen richtig!
Stimme zu, Dr. P: “Drei Mäderl-Haus” Päm/Beate/Sigi hat wirklich nicht viel zu bieten – außer vielleicht nervtötenden, schrillen Kommentaren. Die können ein Land nicht regieren. Kurz hat allerdings 2019 den schweren Fehler gemacht, nach Aufpoppen des Ibiza-Skandals (der auch eine linke Intrige war, wie immer mehr deutlich wird) auf der Ablöse von Kickl zu bestehen, der auch dadurch immer mehr zum Hassprediger wurde. Kickl in der Regierung wäre für Kurz ein geringeres Übel gewesen als eine Justizministerin Zadic; ohne die wäre Kurz heute noch wahrscheinlich Kanzler und unser Land stünde besser da.
Zur noch besseren Klarstellung gibt es einige Posts von mir unter anderen Artikeln, hier nur so viel:
Zu Beginn der Pandemie haben wir die USA (Trump!), GB (Johnson) und die Länder Südost-Europas von oben herab betrachtet und Reisewarnungen ausgesprochen, im Wissen wir machen es besser. Nicht zu überbieten die Verachtung für die klassischen Urlaubsländer, denen man reihenweise vorgeworfen hat, unsere Leute würde sich dort (Mallorca!!) anstecken (wie in der gesamten Corona Krise eine klassische Umkehrung der Wahheit, denn es waren die „Unseren“ die dort das Virus verbreitet haben). Folgerichtig waren „wir“ auch stolz, dass es die Deutschen waren, die den einzig guten Impfstoff erfunden haben (auch wenn es Türken sind). Angesicht dieses Überlegeneheitsgefühls war es kein Wunder was dann nach dem Beginn der Impfkampagne „im deutschen Europa“ und seinen Vasallenländern passiert ist, und lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Nichts!
Ich teile ihre Ansichten zu Kurz. Das Befremdende ist allerdings, dass die Politik generell gar keine entscheidende Schuld am Missmanagement der Corona Krise hat, sondern die „Experten“ und die Medien, die gemeinsam für die einseitigste Berichterstattung Europas sorgen. Es fehlt praktisch jeder Diskurs, die Wahrheit wir sozusagen gleichzeitig mit der Impfung verspritzt. Egal ob Drosten, Kekule oder unser Arztekammerpräsident, sie alle drehen sich alle 3 Monate das Narrativ neu zurecht, und die Medien applaudieren. Wie kann man zB dem Exkanzler den Satz von der Impfung als „Game Changer“ vorwerfen, und dass die Pandemie besiegt sei, wenn er genau die Meinungen derjenigen „Experten“ wiedergegeben hat, die jetzt wiederum unwiedersprochen behaupten dürfen, dass sie schon im Sommer vor dem Winter gewarnt haben und schon immer gewusst haben, dass die Impfung nur mit 3 Stichen wirkt, usw. Das ist peinlich und meschenfeindlich.
Die Deutschen mögen die besten Autos bauen, und wir die besten Schipisten, aber es stellt sich halt auch heraus, dass wir mit unserer Überheblichkeit basierend auf unseren Glauben an unsere Institutionen (mit all unseren „Experten“ dort) sonst nicht gebraucht werden. Noch schlimmer, wir verwechseln die Fassungslosigkeit des Auslands darüber, wie wir mit Menschenrechten umgehen, auch noch mit Beifall. Doch dieser unkontrollierte institutionelle Freibrief, den wir erteilen, führt dazu, dass bei uns nicht regiert sondern nur verwaltet wird. Kein Politiker traut sich irgendwas ohne einen „Experten“ beizuziehen. Eine Tragödie! Daher sind wir jetzt dort, wo wir sind. Aber was somst erwarten Sie von einem Land, in dem quasi verordnet wird, man darf die Justiz nicht kritisieren…
Die angesprochene 4-Parteienregierung kann natürlich schon wegen unterschiedlichster Programme nicht auf Dauer funktionieren, das ist klar. Auch haben Vertreter dieser vier Parteien nicht immer glücklich agiert, insbesondere möchte ich Herbert Kickl hervorheben. Allerdings erscheint es mir so, als seien Sie vollkommen blind Dr.P., was türkise Fehler im Umgang mit der Pandemie betrifft. Wer hat das Impfen zur Chefsache erklärt, obwohl dann doch zuwenig Impfstoff bestellt wurde? Wer hat frühzeitig auf Plakaten gerühmt, die Pandemie besiegt zu haben? Wer hat über den Spätsommer keinerlei Vorbereitungen für die Welle im Herbst getroffen, obwohl es Warnungen von Experten zuhauf gab? Wer hat Geimpften wahrheitswidrig versprochen, die Pandemie sei für sie beendet? Warum hat man die Stadt Wien für ihre vorsichtige Coronapolitik kritisiert? Warum hat man die Impfkampagne nicht rechtzeitig beworben und mit Aktionen gefördert? Warum gab es keine Einladungen mit Termin, Lotterien oder andere Bonifikationen? Warum hat man so lange gezögert und gezaudert bis die Lage derart eskaliert ist und wir Inzidenzweltmeister wurden und nur noch Lockdown und Impfpflicht möglich sind? Wahrscheinlich weil man sich in einen Argumentationsnotstand hineinmanövriert hatte, aus dem man nicht mehr herausfand bis zur vollkommenen Eskalation…ok Dr.P. Wenn sie all das nicht sehen, wer sollte ihrer Meinung nach mit Herrn Kurz noch koalieren?? Päm, Herbert oder Sigi+Beate..einzeln wird sich nicht ausgehen?
@Knatterton – wie heiß es so schön: Im Nachhinein ist man immer klüger! Aus Fehlern kann man aber lernen und versuchen, die nächste Krise besser zu bewältigen. Das funktioniert dann am besten, wenn alle an einem Strang ziehen und zukunftsorientiert denken!