Shakespeare auf dem Nachttisch – das könnte keine gute Idee mehr sein. Antiquariate und Bibliotheken müssen ebenfalls aufpassen. Der Kampf gegen Rechts ist nämlich um eine weitere Facette reicher geworden. Zur Abwehr rechtsextremen Terrors soll der Staat nun die Lektüre von Klassikern der Weltliteratur näher unter die Lupe nehmen.

Einige Bibliotheken müssen aufpassen: Sie könnten ins Visier von Anti-Terror-Einheiten geraten.Getty

Zu diesem Befund gelangt die Forschungs-, Informations- und Kommunikationseinheit – kurz RICU (Research, Information and Communications Unit) – des britischen Innenministeriums. Sie ist unter anderem für Sicherheit und Terrorismusbekämpfung zuständig.

„Gefährliche“ Leselisten der Brexit-Befürworter

Im Rahmen des Anti-Terror-Programms „Prevent“ hat RICU das Verhalten von Social-Media-Nutzern untersucht, die als „aktiv patriotisch und stolz“ beschrieben wurden. Als „Warnzeichen“ galt dabei, wenn die User Informationen und Meinungen von „Pro-Brexit- und Mitte-Rechts-Kommentatoren“ aufnahmen.

Ob man künftig noch Hamlet im Schulunterricht lesen darf?Getty

Fazit: RICU hat nicht nur Satire-Sendungen im britischen Fernsehen mit einer Warnung wegen Extremismus gekennzeichnet, sondern sogar die Theaterstücke William Shakespeares. Gemäß dem RICU-Bericht sind diese Werke „Schlüsseltexte“ für „weiße Nationalisten/Suprematisten“, wie „Daily Mail“ berichtet.

Sämtliche Literatur- und Filmklassiker als „bedrohlich“ eingestuft

Rechtsextremisten würden nämlich im Internet für „Leselisten“ mit „wichtigen Texten“ werben, heißt in dem vom Steuerzahler finanzierten Dokument. Darunter befinden sich etwa „Der Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien, Aldous Huxleys „Schöne Neue Welt“ und „1984“ von George Orwell. Sämtliche Werke von Shakespeare, Milton, Kipling und Edmund Burke gelten nun als Warnzeichen für potenziellen Extremismus.

Klarer Fall von Rechtsextremismus? In „1984“ warnte George Orwell vor der Unterdrückung und Zensur (!) in totalitären Regimen.Justin Sullivan/Getty Images
George Orwell gilt als einer der bedeutendsten britischen Autoren des 20. Jahrhunderts.

Auch auf einige bekannte Filme verweist der Report, darunter den BBC-Politthriller „House of Cards“ aus den 1990er Jahren und John le Carrés Spionagetrilogie „Tinker Tailor Soldier Spy“.

Zweierlei Maß für islamistische und rechtsextreme Bedrohung

Eines der Bücher des Autors Douglas Murray ist auf der Liste mit einer roten Flagge versehen. In „The Spectator“ gelangt Murray zum Schluss, dass die Arbeit des RICU „erbärmlich“ sei und fordert eine „Rechenschaftspflicht“ für die vielen Fehler.

Als der eigens ernannte Gutachter William Shawcross das „Prevent“-Programm untersuchte, deckte er schwerwiegende Mängel auf. Bei islamistischen und rechtsextremen Bedrohungen würde mit zweierlei Maß gemessen, warnte er. Das mit 49 Millionen Pfund pro Jahr ausgestattete Programm habe der Bekämpfung rechtsextremer Aktivitäten Vorrang vor der Bekämpfung der primären islamistischen Bedrohung eingeräumt. Und: „Prevent“ habe „rechtsextremes“ Material geprüft, das „insgesamt weit unter der Extremismusschwelle liegt“.

Innenministerin Suella Braverman räumte ein, dass „Prevent“ die extreme Rechte zu weit definiert habe und auch die respektable Rechte und die rechte Mitte mit einbeziehe.