Am Ende halfen bei den Mitgliedern weder Appelle an die Frauensolidarität noch Unterstützungsbekundungen des Partei-Establishments. Der Kredit Rendi-Wagners war verbraucht. Vor allem eine Frage ist bis heute nicht wirklich geklärt: Wofür steht die Noch-Parteivorsitzende eigentlich?

Bürgermeister Michael Ludwig (r.) und andere SPÖ-Granden hielte Rendi-Wagner (l.) die Stange – doch es half nichts.APA/FLORIAN WIESER

Die Parteibasis wurde mit der SPÖ-Chefin nie so recht warm

Rendi-Wagners Periode an der Spitze dürfte als ein großes Missverständnis in die Parteigeschichte eingehen. Die Quereinsteigerin griff zu, als niemand wollte, doch wurde die Partei mit der Medizinerin nie so recht warm. Rendi-Wagner stand für die nebulose Mitte der SPÖ, aus der man bis heute nicht so recht schlau wird. Ihre Überzeugungen wirkten wie der unausgegorene Kompromiss zwischen verschiedenen Parteiflügeln, der ihr von ihren Beratern nahegelegt worden ist. Misserfolge bei Wahlen taten ihr übrigens, Rendi-Wagners Sessel ständig am Wackeln zu halten.

Die Mitgliederbefragung der SPÖ könnte die Polit-Karriere Rendi-Wagners nun beenden. Die Partei-Vorsitzende hatte im Vorfeld angekündigt, sich zurückzuziehen, sollte sie nicht Platz eins erringen.

Als Gesundheitsministerin erfreute sich Rendi-Wagner noch breiter Beliebtheit. Als SPÖ-Chefin konnte sie nie so recht Tritt fassen.APA/ROBERT JAEGER

Ein Wahl-Debakel jagte das nächste

Vor drei Jahren trat sie noch die Flucht nach vorne an und ließ sich von der Basis – damals ohne Gegenkandidaten – deutlich bestätigen zu lassen. Doch tritt die SPÖ seither bestenfalls auf der Stelle. Man ist weder in der Regierung noch können Wahl-Erfolge bejubelt werden. Historischer Tiefstand bei der EU-Wahl, Debakel bei der Nationalratswahl mit anschließender Ansage, wonach die Richtung stimme, und zuletzt Enttäuschung um Enttäuschung bei Landtagswahlen.

Rendi-Wagners Weg zur ersten weiblichen SPÖ-Chefin war ein eher ungewöhnlicher. Klassisch war nur die Kindheit, in der sie als Tochter einer alleinerziehenden Mutter im bekannten Favoritner Gemeindebau Per-Albin-Hansson-Siedlung aufwuchs und ganz im Sinne des Kreiskyschen Bildungsideals mit Fleiß den sozialen Aufstieg schaffte.

Am Dienstag um 9.30 Uhr wird Pamela Rendi-Wagner vor die Kameras treten – möglicherweise um ihren Rückzug verkünden.APA/EVA MANHART

Als "kleine Streberin" Karriere gemacht

Die – wie sich selbst in einem Interview nannte – “kleine Streberin” absolvierte eilig ein Medizinstudium und spezialisierte sich auf die Impfmedizin, was Jahre später Basis ihre faktenbasierten Corona-Politik sein sollte. Eine Gastprofessur führte Rendi-Wagner nach Israel, zurück in Österreich machte die mit einem Diplomaten verheiratete Mutter zweier Töchter dann im Gesundheitsministerium Karriere, wo sie die Position der Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit übernahm.

Nach dem frühen Tod von Sabine Oberhauser war Rendi-Wagner – wiewohl noch nicht einmal Parteimitglied – die logische Nachfolgerin als Gesundheits- und Frauenministerin. Große Spuren konnte sie nicht hinterlassen, denn die Koalition mit der ÖVP platzte wenig später. Der Partei gefiel ihre Performance dennoch, Rendi-Wagner erhielt einen vorderen Listenplatz für die Nationalratswahl und als nach dem überstürzten Abgang von Christian Kern niemand an die Spitze wollte, griff sie einfach zu.

Dauergefechte mit Doskozil, keine klare Linie

Seither sind über vier Jahre vergangen, in denen sich Rendi-Wagner schon einmal über eine Vertrauensfrage an die Basis im Amt halten musste. Innerparteiliche Ruhephasen waren nur kurz. In regelmäßigen Abständen erfolgten Querelen mit Hans Peter Doskozil im Burgenland. Auch die Parteilinke wurde mit der Chefin nie so recht warm. Dass sie jetzt sowohl von Doskozil als auch vom linken Aushängeschild Babler hinter sich gelassen wurde, muss entsprechend bitter sein.

Rendi-Wagner schaffte es nie, überzeugend eine klare inhaltliche Linie zu repräsentieren. Die Parteivorsitzende referierte eisern typische gewerkschaftliche Positionen, ohne selbst ein Leitthema gefunden zu haben. Ihr Kurs war jener der Mitte und der scheint aktuell nirgendwo en vogue.

Volkstribunin ist sie nie geworden, dafür eine Machttechnikerin erster Güte. Mit Wiener SPÖ und Gewerkschaftern im Rücken gelang es Rendi-Wagner bis heute, jeglichen Sturm zu überstehen. Doch nun scheint das Establishment für die Basis nicht mehr die entscheidende Stimmhilfe zu sein. Insofern ist das Ergebnis auch eine schallende Ohrfeige für das SPÖ-Establishment.