Auch er war nicht immer zimperlich in der Wahl seiner Methoden, der Ex-Kanzler hat damals nicht wirklich durch seine Herzensgüte und Freundlichkeit gepunktet: Wofgang Schüssel (76) konnte knallhart und manchmal auch deftig in der Wortwahl sein. Beim 39. Bundesparteitag der ÖVP in St. Pölten lieferte Schüssel allerdings eine knappe Analyse, die mich und viele andere Beobachter der heimischen Innenpolitik bestätigt: Das jetzige Verhalten mancher Player in den Parteien, aber auch bei manchen Medien sei “nicht österreichisch”.

Ja, da hat er recht: Die meisten Eingeborenen hier sind relativ gutmütig, friedliebend, gastfreundlich. Und wir wollen mit Fleiß und Geschick das Beste für uns und unsere Familien erreichen – das ist “österreichisch”.

Absolut nicht österreichisch ist allerdings, was uns in der Politik-Arena nun schon seit einigen Jahren geboten wird: Blanker Hass, persönliche Attacken, niederträchtige Bespitzelungsaktionen, hinterfotzige Anzeigen, Intrigen und grindige Vernaderungs-Medien verbitterter Politik-Pensionisten.

Wann begann die Eskalation der Niedertracht?

Aber ab wann belastet uns diese Entwicklung? Begann die Erosion des noch vorhandenen Anstands in der Innenpolitik als die SPÖ mit hunderttausenden Euro Parteigeld gewissenlose Politikberater importiert und dazu Fakeprofile mit widerwärtigen Botschaften im Internet platziert hat? Oder waren das die vielen Märchen, die von zwei, drei Medien monatelang rauf und runtergespielt worden sind, um der ÖVP irgendwie zu schaden? Dann folgten noch Hacker-Angriffe auf die ÖVP und das ÖVP-geführte Außenministerium und gewisse NEOS-Abgeordnete ließen uns mit ihrem Hang zum Vulgären erschaudern.

Der Gipfel an politischer Niedertracht folgte dann im 2019er Jahr: Als die Aufregung um die Video-Schnipsel aus Ibiza schon abzuflauen begann, wurden sogar Medikamenten-Rechnungen eines Politikers von den Sprengmeistern der politischen Kultur skrupellos an Zeitungen verteilt. Zeitgleich begann die Instrumentalisierung der Justiz mit Hausdurchsuchungen, Strafanzeigen und Ermittlungen. Ermittlungen, die in vielen Fällen nun schon seit zwei Jahren in irgendwelchen Büros der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sicher brav gepflegt und gehegt werden – aber keine Anklagen brachten. Inzwischen peinigen die zahlreichen Beschuldigten ihre Anwaltskosten und ihre Sorge um die wirtschaftliche Existenz.

Die Politik der Strafanzeigen kommt nicht gut an

Eine Anklage lieferte nun immerhin eine bedingte Haftstrafe für den früheren FPÖ-Vizekanzler: Für 12.000 Euro von einem Spitalsbetreiber sei der Politiker (damaliges Brutto-Monatseinkommen etwa 20.000 Euro) korrupt geworden, meinte die Richterin. Und auch der Kanzler muss weiterhin damit rechnen, dass die Justiz ihn wegen einer mutmaßlichen Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss auf die Anklagebank vorlädt.

Tröstlich ist: Die Politik der Strafanzeigen, der Verbreitung widerlicher Drecks-Geschichten, der ekeligen Vernichtungsversuche des politischen Gegners kommt bei uns Österreichern nicht gut an. Gar nicht gut. Die wöchentlichen Umfragen haben die ÖVP nach wie vor auf 32 bis 35 %, die SPÖ bei nur 22 % und die NEOS unter 10 %. Und Pamela Rendi-Wagner kam bei ihrem nicht allzu gut besuchten Parteitag auf 75 % Zustimmung. Sebastian Kurz jetzt an diesem Wochenende auf 99,4 %.

Wir Österreicher wollen eben auch in der Politik österreichische Verhältnisse, ein Miteinander in Wertschätzung trotz unterschiedlicher Weltanschauungen, wir wollen einen Wettstreit der besseren politischen Ideen für dieses schöne Land.

Selbst Spindoktoren und Parteistrategen, die sonst nicht allzu viel Glück beim Denken haben, könnten nun daraus ihre Schlüsse ziehen: “Nicht österreichisches Verhalten” ist in Österreich einfach nicht gefragt, das hat Wolfgang Schüssel sehr treffend analysiert.