Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus hat in Österreich in den vergangenen Tagen neue Rekordhöhen erreicht, die Situation ist angespannt und einmal mehr schwebt das Bangen vor einem harten Coronawinter wie ein Damoklesschwert über den Köpfen von Wirtschaft, Tourismus, Handel, Kulturbetrieben und dem gesamten öffentlichen wie auch privaten Leben. Auch bei den Maßnahmen zur Bekämpfung und Eindämmung der Pandemie geht es nun Schlag auf Schlag: Am Montag trat die österreichweite 2-G-Regel in Kraft, die Impfzentren erleben wahre Anstürme und ohne Impf- oder Genesungszertifikat, PCR-Test und Maske geht so gut wie gar nichts mehr.

Auch Gerüchte um einen neuerlichen Lockdown halten sich hartnäckig, ebenso wie Meldungen über Impfdurchbrüche und darüber, dass die Masken uns mehr schwächen als sie uns schützen. Jetzt, wo sich das Leben wieder immer mehr in geschlossene Räume verlagert, ist auch die Ansteckungsgefahr durch Aerosole wieder ein großes Thema. Wie groß und ernstzunehmend diese Schwebeteilchen wirklich sind, erläutert der Aerosol-Experte und Risikoforscher Michael Riediker in einem Interview mit dem Schweizer “Tagesanzeiger”.

Gesteigerte Ansteckungsgefahr durch Deltavariante

Viele Gesundheitsbehörden haben die Bedeutung der Aerosolübertragung eher stiefmütterlich behandelt, Maskenpflicht in Innenräumen oder Luftfiltersysteme waren in Präventionsgespächen oft Thema, wurden aber in der Praxis eher selten umgesetzt. Nun passen aber einige Behörden ihre Empfehlungen an und Aerosole sind – leider auch im wahrsten Sinne des Wortes – wieder in aller Munde. Zu Recht, wie Arbeitshygiene- und Risikoforscher Michael Riediker meint. Ihm zufolge ist die Ansteckungsgefahr in Innenräumen heute um ein Vielfaches höher als noch vor 12 Monaten.

“Es genügen für eine Infektion über Aerosole schon einige Minuten in einem kleineren Raum”, so Riediker, der als Grund für die gesteigerte Ansteckungsgefahr die aggressiveren Mutationen des Virus anführt. “Bei Delta haben viel mehr Personen stark erhöhte Virenlasten. Das bewirkt, dass nun fast jede dritte infizierte Person ein hoher Emittent ist, also jemand, der recht rasch andere Personen in einem kleinen Raum anstecken kann, wenn man keine Vorsichtsmaßnahmen trifft”, so der Experte.

Akute Gefahr durch erhöhte Zahl der Superspreader

Noch vor rund einem Jahr war bei den meisten Infizierten mit durchschnittlicher oder tiefer Virenlast eine Ansteckung über Aerosole selbst bei häufigem Husten sehr unwahrscheinlich. Das sieht nun ganz anders aus: Denn durch die Deltavariante, die viel ansteckender ist als ihre Vorgänger, kommt es statistisch gesehen bei fast der Hälfte der Infizierten zu einer Ansteckung über Aerosole: “Diese viel grössere Anzahl Infizierter, die kritische Mengen Viren als Aerosole freisetzen können, erklärt meiner Meinung nach auch, weshalb sich Delta so rasend schnell verbreiten konnte. dass nun bereits rund jede dreißigste infizierte Person superemittierend ist, beim Wildtyp-Virus der ersten Welle war das noch einer von tausend. So jemand ist hochgradig ansteckend über Aerosole”, so Riedeker.

Das bedeutet: Mittlerweile gibt es um 97 Prozent mehr Superspreader als noch vor einem Jahr und eine Ansteckung kann viel einfacher passieren: “Für eine Ansteckung genügen schon einige maskenfreie Minuten mit so einer Person in einem kleineren Raum, wenn diese singt oder sonst sehr laut ist. Sogar wenn diese Person ruhig bleibt, kann man sich in einem kleinen Büro ohne Maske innert einer Stunde anstecken”, erklärt der Experte. Darum rät Riedeker auch wenn man geimpft ist zu gesteigerter Vorsicht in Innenräumen und rät zum Tragen einer FFP2- oder FFP3-Maske. Im Außenbereich ist das Risiko einer Ansteckung nach wie vor um einiges geringer, dennoch sollte auch hier unbedingt auf Abstand geachtet werden.