„Warum denn einfach, wenn es auch kompliziert geht?“ sagt der bissige Volksmund. Diese bekannte Redewendung kann man auch in der drolligen Sprache gewisser Orchideenfächern ausdrücken: „Es existiert ein Interesse an der generellen Rezession der Applikation relativ primitiver Methoden komplementär zur Favorisierung adäquater komplexer Algorithmen“. Dieser Satz klingt einschüchternd, besagt aber im Grunde nichts anderes als der vorangegangene.

Heißluftsprache

Der bekannte Philosoph Sir Karl Popper hat diese Unart schon vor Jahrzehnten angeprangert. Popper übersetzte Sätze der Philosophen Theodor Adorno, Jürgen Habermas und anderer linker Philosophen vom Soziologen-Kauderwelsch ins Deutsche.

Warmluftsprache: „Sie erweisen sich für einen speziellen Gegenstandsbereich dann als brauchbar, wenn sich ihnen die reale Mannigfaltigkeit fügt“.

Übersetzung: Sie sind auf ein bestimmtes Gebiet dann anwendbar, wenn sie anwendbar sind.

Schaumsprache: „Die gesellschaftliche Totalität führt kein Eigenleben oberhalb des von ihr Zusammengefassten, aus dem sie selbst besteht.“

Übersetzung: Die Gesellschaft besteht aus den gesellschaftlichen Beziehungen.

Heißluftsprache: „Adorno begreift die Gesellschaft in Kategorien, die ihre Herkunft aus der Logik Hegels nicht verleugnen.“

Übersetzung: Adorno verwendet eine an Hegel erinnernde Ausdrucksweise.

Blendersprache: „Er begreift Gesellschaft als Totalität in dem streng dialektischen Sinne, der es verbietet, das Ganze organisch aufzufassen nach dem Satz: Es ist mehr als die Summe seiner Teile.“

Übersetzung: Er sagt daher nicht, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile.

Leersatz: „Theorien sind Ordnungsschemata, die wir in einem syntaktisch verbindlichen Rahmen beliebig konstruieren.“

Übersetzung: Theorien sollten verständlich formuliert werden, ansonsten kannst du sagen, was du willst.

Popper meinte sarkastisch: „Das grausame Spiel, Einfaches kompliziert und Triviales schwierig auszudrücken, wird leider traditionell von Soziologen, Philosophen usw. als legitime Aufgabe angesehen.“ Der wahre Philosoph und Wissenschaftler wählt laut Karl Popper seine Worte so, dass verstanden werden kann, worum es geht.

Ziemlich dämlich

Führende amerikanische Psychologen sind der Sache mit der Schaumsprache auf den Grund gegangen. Daniel Oppenheimer, ein Psychologe der Princeton Universität in New York, veröffentlichte vor Jahren die Studie „Consequences of Erudite Vernacular Utilized Irrespective of Necessity: Problems with Using Long Words Needlessly“ (Folgen des Gebrauchs von Fachjargon ungeachtet der Notwendigkeit: Probleme, die dadurch entstehen, dass man unnötigerweise lange Wörter benutzt). Die Amerikaner hatten raffinierte Tests entwickelt, die Ergebnisse sind eindeutig: Wer als glaubwürdig und geistreich erscheinen will, darf sich nicht kompliziert ausdrücken, wenn das Gleiche einfacher gesagt werden kann. Dieses Ergebnis zeigt den Grund, warum Intellektuelle aus den Gesellschaftswissenschaften nicht selten das Gegenteil dessen erreichen, was sie eigentlich wollen: Sie wollen gescheit wirken, kommen aber mit ihrer aufgesetzten Luftsprache eher dämlich daher.

Einer der bekanntesten Sprachwissenschaftler, der Amerikaner Noam Avran Chomsky, erkannte in den Gesellschaftswissenschaften ein weiteres Problem. In seinem Buch „Sprache und Verantwortung“ (1981) schrieb Chomsky unter anderem: „Ich wurde häufig von Universitäten aufgefordert, in Seminaren und Kolloquien … zu sprechen. Keiner hat mich je gefragt, ob ich die angemessenen Legitimationen hätte, um über diese Themen zu reden. Die Diskussion drehte sich um den Gegenstand, nicht um mein Recht, ihn zu diskutieren. Auf der anderen Seite wird in einer Diskussion oder Debatte über gesellschaftliche Fragen … dieser Einwand ständig erhoben, häufig auf erheblich giftige Weise. Ich wurde wiederholt aufgefordert, meine Qualifikation nachzuweisen, oder gefragt, was für eine Fachausbildung haben Sie, die Sie berechtigt, über diese Angelegenheit zu reden. … In der Mathematik und in der Physik beschäftigen sich die Leute mit dem, was man sagt. Nicht mit den Beglaubigungen, die man hat. Ganz allgemein gesprochen, scheint es gerechtfertigt zu sein, wenn man sagt, je reicher die intellektuelle Substanz eines Gebietes ist, desto weniger besteht Interesse an Qualifikationsnachweisen und desto größer ist das Interesse am Inhalt.“

Chomsky verabreicht hier Ohrfeigen nicht nur gegen Schwätzer. Je ideologischer und substanzloser die Kritik ist, desto persönlicher und untergriffiger ist sie. Wer denkt da nicht automatisch an gewisse Medien!

Eleganter Unsinn

Die beiden Physiker Alan Sokal und Jean Bricmont sind in ihrem Buch „Eleganter Unsinn“ noch einen Schritt weiter gegangen als Popper und Chomsky. Sie kritisieren darin scharf die postmodernen Lieblinge linker Ideologen. Philosophen wie Gilles Deleuze, Félix Guattari, Luce Irigaray, Jacques Lacan und andere werden gnadenlos abgekanzelt. Die genannten „Philosophen“ sprächen laut Sokal und Bricmont “mit einem Selbstbewusstsein, das ihre wissenschaftliche Kompetenz bei weitem übersteigt”. Die Autoren betonen, dass sie Philosophie und Sozialwissenschaften in ihrer Gesamtheit nie angreifen würden. Es gehe nur um die Warnung vor Marktschreiern, deren geschwollene Sätze nur deshalb so schwer zu verstehen sind, weil sie nicht geistreich, sondern hohl sind.

Sinnlos geplappert wurde schon immer, aber heute leben wir dank des Internets im Zeitalter der täglichen Phrasen. Selbständig denkende freie Bürger leiden aus diesem Grund immer öfter unter Anoisiaphobie, der Angst vor Blödsinn.