Die Affäre Sokal

(1) Alan Sokal, Physiker an der Universität New York, beobachtete in den Neunzigerjahren pseudowissenschaftliche Standards in Kreisen der Kulturwissenschaften. Diese Standards lassen sich auf Thesen mit den geschwollen klingenden Bezeichnungen „Antirealismus“, „Relativismus“ und „Widerlegung des Objektivismus“ und anderen verbalen Seifenblasen zusammenfassen.

1996 verfasste Sokal den Artikel „Grenzüberschreitung: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation“ und schickte seine Arbeit an die bekannte sozialwissenschaftliche Zeitschrift „Social Text“. Im ersten Teil des Artikels „widerlegte“ Sokal die Theorie, dass eine reale Welt außerhalb der menschlichen Wahrnehmung existiere und dass einzelne Eigenschaften der Welt die Form von Naturgesetzen annehmen könnten. Kurzum: Die fundamentalen naturwissenschaftlichen Theorien sind falsch und dies sei längst bekannt. Die Wissenschaftler trauten sich nicht, das zuzugeben, auch nicht, dass die Theorien der modernen Kulturwissenschaften mit Hilfe der Quantenphysik bewiesen werden könnten. Sokal behauptete weiterhin, die vermeintlichen Naturgesetze seien in Wahrheit Hirngespinste. Es sei daher dringend nötig, die verlogenen Naturwissenschaften einer politischen Kontrolle zu unterwerfen.

Die Diskussionen über Sokals Aufsatz, die an Universitäten und in kulturwissenschaftlichen Zeitschriften wie New York Times Literary Supplement, Le Monde u.a. geführt wurden, nahmen erstaunliche Dimensionen an. Die kulturwissenschaftlichen Eliten waren von Sokals Text begeistert, vor allem die „politische Kontrolle“ hatte es ihnen angetan. Die kalte Dusche kam, als Alan Sokal bekanntgab, dass sein als Parodie konzipierter Aufsatz nichts als Unsinn enthielt. Kein Bewohner der postmodernen Luftschlösser hatte gewagt, Sokals schwachsinnige Behauptungen zu überprüfen. Nicht nur renommierte Zeitschriften hatten sich zum Gespött gemacht. Auch eine selbsternannte und geschwätzige Elite, die man mit Worthülsen beeindrucken kann, war von dem New Yorker Physikprofessor eiskalt vorgeführt worden.

Baerbocks Energiespeicher

(2) Die wortgewaltige Herrin der deutschen Grünen, Annalena Baerbock, war kürzlich zu Gast bei Sandra Meischberger. Es ging um das Thema Energieversorgung und -speicherung.

Maischberger: „Sie sagen, der Speicher ist im Netz. Wo denn?“

Baerbock: „Nein, auch da würde ich gerne, wenn man schon mal so ne Sendung hat, einiges klarstellen. … Und das Argument, was Sie jetzt vorbringen, der Speicher ist am Netz, das kenn ich schon seit drei Jahren, von der AfD sehr, sehr deutlich betrieben. Ich habe bei einer Deutschlandfunk-Sendung im Radio, als es über die Frage Energie und dass ja nicht immer die Sonne scheint und so, äh, gesagt, dass natürlich in Zukunft der gesamte Energiemarkt, das gesamte Energiemarkt-Design neu gedacht werden muss. … Da gibt es nicht mehr Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke, die laufen durch, sondern wir haben volatile Energie, das heißt, Wind ist nur, wenn Wind weht, logischerweise, und Sonne ist nur, wenn die Sonne scheint, wir haben Grundlast durch Biomasse, und wir haben, und das ist neu, äh, das ist auch interessant für Start-ups und Unternehmen, zum Beispiel Rechenzentren, große Supermärkte, die dann als Energieerzeuger in den Markt reinkommen.“

Energieverbraucher wie Rechenzentren und Supermärkte werden bei Annalena Baerbock zu Energieerzeugern. Einer der großen Internetknoten Europas in Frankfurt am Main verbraucht mehr Strom als der am Rande der Stadt liegende verkehrsreiche Flughafen. Es ist sinnlos, dieses Geplauder über ein baerbocksches Perpetuum mobile zu kommentieren. Den ehemaligen Physiklehrer von Frau Baerbock darf man sich jedenfalls als sehr traurigen Menschen vorstellen.

Die dunkle Seite der Macht

(3) Es gibt eine Schrift der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft lautend „Strafsache gegen Heinz-Christian Strache ua wegen §§ 304 Abs 1 StGB ua.“

Es geht dabei um die vermeintlich falschen Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz im Ibiza-Untersuchungsausschuss des Parlaments. Das Schriftstück hat beeindruckende 58 Seiten und listet viele Aussagen, nicht nur von Bundeskanzler Kurz, auf.

Interessant wird es ab den Seiten 42 („Beurteilung der konkreten Aussagen“) und 54 („Aussageanalysen“). Im letzten Teil scheint kein Jurist am Werk gewesen zu sein, sondern ein Psychiater. Es heißt da beispielsweise:

„So sind die Aussagen häufig sehr abstrakt und unkonkret gehalten (sog. Kargheitssignal: je abstrakter die Aussage, je allgemeiner und unanschaulicher die Ausdrucksweise und je herkömmlicher der geschilderte Handlungsablauf, desto misstrauischer sollte man werden).“ Hier wird Bundeskanzler Kurz vorgeworfen, zu knappe Antworten zu geben.

„Ähnlich dazu das sog. Stereotypiesignal: Je öfter und je gleichlautender die Aussageperson den Kernpunkt ihrer Bekundung wiederholt, umso mehr sollte man der Aussage misstrauen.“ Hier wird kritisiert, dass Bundeskanzler Kurz auf immer wieder gleiche Fragen gleiche Antworten gegeben hat. Die Staatsanwaltschaft listet dazu mehrere ähnliche Antworten auf. Der Bundeskanzler machte sich also verdächtig, weil er bei seinen Aussagen blieb.

„Fluchtsymptome etwa mit Gegenangriffen oder Gegenfragen zur Vermeidung einer inhaltlichen Antwort. Je mehr die Auskunftsperson versucht vom zentralen Beweisthema weg zu irgendwelchen Nebensächlichkeiten überzugehen (…) desto wahrscheinlicher ist, dass die Auskunftsperson im Kernpunkt mit der Wahrheit zurückhält.“ Hier bewertet die Staatsanwaltschaft Antworten des Bundeskanzlers wie etwa „Das verstehe ich nicht“ oder „Bitte um Verständnis, dass ich mich nicht imstande fühle …“ als „Fluchtsymptome“.

Der Vorwurf der Falschaussage von Bundeskanzler Kurz vor dem parlamentarischen Ausschuss ist so durchsichtig, dass er schon die Konsistenz eines Mailüfterls hat. Es reicht nicht einmal für heiße Luft. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum eine vermeintlich finstere Seite von Bundeskanzler Kurz durch eine psychologische „Expertise“ herbeigeraunt wird. Demnach hat der dunkeltürkise Lord Darth Sebastian alle Register der Manipulation gezogen, um die Yediritter des Parlaments in die Irre zu führen. Dass Sätze des Bundeskanzlers wie „es war“ und „man trifft“ irrtümlich als „Passivform“ bezeichnet werden, weist die Staatsanwälte nicht nur als wissenschaftliche, sondern auch als grammatikalische Amateure aus.

Angeblich wird immer noch gegen Bundeskanzler Kurz ermittelt. Es darf die wenig kühne Vermutung geäußert werden, dass eine intensive Suche nach einem sinistren Lord aus dem Star Wars-Universum läuft, der die Mitgliedschaft von Bundeskanzler Kurz bei der dunklen Seite der Macht bestätigen kann.