Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist eine interessante Behörde. Die WKStA erfreut sich nicht nur wegen ihrer notorischen Erfolglosigkeit eines gewissen Interesses. Kürzlich wurden schon wieder Ermittlungen (diesmal gegen Novomatic) eingestellt. Die WKStA ist auch wegen possierlicher Freudenschreie im Zusammenhang mit dem TV-Auftritt eines amtsbekannten Wichtigtuers aufgefallen und wegen der vielen Akten, die direkt vom Kopiergerät an immer die gleichen Medien zu wandern scheinen. Die literarischen Fähigkeiten der Beamten sind zudem bemerkenswert. WKStA-Kommentare zur Anzeige wegen einer mutmaßlichen Falschaussage von Ex-Kanzler Kurz lesen sich wie eine düstere Textpassage aus dem „Herrn der Ringe“.

Krise der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwälte waren niemals Teil der unabhängigen Justiz. Das sind bekanntlich nur die Richter. Eine der schwersten Krisen der Staatsanwälte war der inzwischen fast vergessene Fall rund um die Staatsanwältin Klothilde Eckbrecht-Dürckheim. Parteipolitische Parallelen zu heute sind auffallend. Kurier und profil schrieben damals von „… der schwersten Nachkriegskrise der Republik“. Frau Dr. Eckbrecht-Dürckheim quittierte mit Ende 1975 ihren Dienst bei der Staatsanwaltschaft und wechselte als Untersuchungsrichterin zum Landesgericht Wien.

Den Grund des Aufruhrs in der Staatsanwaltschaft beschrieb das damals noch häufig gelesene Magazin profil (Nr. 51/75) folgendermaßen: „Vor den Richter kommt, wer nicht fähig war, sein Verfahren schon im Stadium der Vorerhebung der wohlverdienten Ruhe zuzuführen. Die besten Staatsanwälte des Landes sind längst nicht mehr unbarmherzige Ankläger, sondern barmherzige Einsteller.“ Während also heute Hinz, Kunz und Kurz und alle anderen rechts der politischen Mitte von der WKStA verfolgt werden, war die Methode damals anders, das Ziel aber gleich. Es wurden laufend Weisungen auf Einstellung von Fällen erteilt, die links der politischen Mitte angesiedelt waren.

Dazu profil: „Und wenn sie [Anm.: die Prozesse] doch zustande kommen oder gar mit einer Verurteilung der Angeklagten enden, ist das für einen Starverteidiger kein Grund mehr, aufzugeben: Als ein Staatsanwalt zu einer Verhandlung vor dem Richter Dr. Wolfgang Kirschner Berufung wegen zu milder Strafe anmeldete, ließ Verteidiger … seinem Ärger vor versammeltem Gericht freien Lauf: … Da geh ich zum Otto F. Müller, der zieht die Berufung zurück.“ Profil betonte im gleichen Artikel mehrmals sinngemäß, dass sich das alles im Rahmen der Gesetze bewegte, denn die Angst der Journalisten vor dem damaligen roten Justizminister Christian Broda war begründet.

Abgewürgt

Otto F. Müller, Behördenleiter der Staatsanwaltschaft mit besten Beziehungen zum dunkelroten Minister Broda, hatte der Reihe nach per Weisung Ermittlungen bzw. Verfahren eingestellt, die von seinen Staatsanwälten begonnen worden waren. Setzte sich ein Staatsanwalt – wie beispielsweise Dr. Franz Fiedler – zur Wehr und vermerkte, dass zügig ermittelt werden müsse, weil sonst Verjährung drohe, wurde die Sache abgewürgt mit schwammigen Begründungen, wie „… nur allenfalls Verjährung drohe“.

Ein nicht näher genannter verärgerter Staatsanwalt ließ in einem Gespräch Dampf ab: „Ein Viertel meiner Zeit bin ich damit beschäftigt, Verbrechen aufzuklären. Drei Viertel meiner Zeit muss ich darum kämpfen, dass ich sie auch anklagen darf“.

Minister Broda gab in seiner ersten Amtsperiode unter Bundeskanzler Kreisky noch schriftliche Weisungen. Dadurch gelangten einige Interventionen peinlicherweise an die Öffentlichkeit, wie etwa die Einstellung eines Betrugsverfahrens gegen eine sozialistische Akademikerin. Später wurde der berüchtigte Altkommunist und Intrigant Broda vorsichtiger. Nach einem politischen Fiasko im Kampf mit der damals noch viel gelesenen Kronenzeitung verfasste er keine schriftlichen Weisungen mehr. Das war nicht mehr nötig, denn Brodas Beamtenapparat hatte den Autopilot eingeschaltet. Notfalls genügte ein kleiner Hinweis, den kein Beamter ignorieren durfte.

Linke Spielwiese

Die Staatsanwaltschaft Wien (die WKStA gab es damals noch nicht) war in den Siebzigerjahren eine parteipolitisch linke Spielwiese von Broda und Müller. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich ein Vorfall um einen Untersuchungshäftling, dessen Anträge auf Entlassung von Untersuchungsrichtern mehrfach abgelehnt worden waren. Auf Weisung von Dr. Müller sollte der Häftling dennoch entlassen werden. Staatsanwältin Eckbrecht vermerkte die Weisung im Akt, war sich aber sicher, dass kein Richter einer Entlassung zustimmen würde. Dr. Müller wusste das und wartete auf den Spätnachmittag. Nachdem alle Untersuchungsrichter nach Hause gegangen waren, schickte Müller einen Boten mit dem Enthaftungsantrag ins Wiener Landesgericht. Dort saß ein junger und naiver Journalrichter, der von der „Causa Abbas R.“ noch nie etwas gehört hatte. Ohne einen Blick in den Akt zu werfen und im Glauben, das Richtige zu tun, unterschrieb er. Der Untersuchungshäftling ging frei. Frau Dr. Eckbrecht, laut Kurier Österreichs „erfolgreichste und bestinformierte Anklägerin“ bekam einen Wutanfall und nahm ihren Abschied.

Kommt uns das nicht bekannt vor? Auch heute wissen WKStA-Staatsanwälte, wer „die Guten“ und wer „die Bösen“ sind. Sie ermitteln gegen „die Bösen“, verschonen die „Guten“, und warten den richtigen Zeitpunkt ab, bis ein argloser Journalrichter unterschreibt, ohne Fragen zu stellen. Sollten Richter dennoch politisch nicht genehme Urteile fällen, so gibt es ehrenwerte Journalisten, die wissen, wie man Attacken gegen die leider weisungsfreie Justiz zu reiten hat.

Superhelden

Die Staatsanwälte der WKStA machen alles richtig. Das wissen Falter-Journalisten und ZiB-Redakteure. Die „gewöhnlichen“ Staatsanwälte, Liverpool-Fans würden sie „the normal one“ nennen, ermitteln derweil im Fall Egisto O. („Alpen-007“) auch gegen nichtlinke Zeitgenossen. Neuerdings müssen sogar die Grünen im Fall Chorherr zittern, und im Prozess gegen den berüchtigten Filmemacher von Ibiza blieben die Richter konsequent, obwohl der Falter-Chefredakteur flehentlich um Verschonung des mutmaßlich zivilgesellschaftlichen Superhelden bettelte. Im Kampf für das Gute und gegen das Böse darf es keine Kompromisse geben. Haltungsjournalisten wissen das.