Wir blicken jetzt auf die technischen Nebengeräusche.

Die Energie wird in Physik und Technik in Joule oder Kilowattstunden (kWh) gemessen. Kilowatt hat etwas mit Kilowattstunden zu tun, ist aber nicht dasselbe – das nur nebenbei. Mit einer Kilowattstunde kann man eine kleine Herdplatte mit 1.000 Watt eine Stunde lang betreiben. Eine Kilowattstunde sind 3,6 Millionen Joule. Diese abstrakten Zahlen gießen wir jetzt in verständliche Begriffe. Ein Kilogramm Benzin, das sind etwa 1,3 Liter, hat einen Heizwert von etwas mehr als 11 kWh. Eine Energie von einer kWh steckt demnach annähernd in einem achtel Liter Benzin.

In der Technik hat man die Größenordnungen in Tausenderschritte geteilt. Kilo heißt Tausend, Mega ist eine Million, Giga bedeutet eine Milliarde und Tera ist eine Billion. Eine Terawattstunde sind folglich eine Milliarde Kilowattstunden. (In manchen Medien ist irrtümlich von „Terrawattstunden“ die Rede. Teras ist griechisch und bedeutet „Ungeheuer“).

Eine Terawattstunde ist die Energiemenge, die in rund 125 Millionen Litern Benzin steckt. Man kann auch sagen, dass man mit einer Terawattstunde Strom eine Milliarde Herdplatten eine Stunde betreiben kann. Alle Vergleiche zeigen, dass eine Terawattstunde eine sehr große Energiemenge ist. Zehn Terawattstunden entspricht dem Stromabsatz von Wien Energie im Jahr 2021 für zwei Millionen Einwohner.

Das Geld anderer

Bei der drohenden Wiener Finanzkatastrophe geht es um so genannte „Futures“ im Bereich des Stromhandels. Ein Verkäufer (die Wien Energie) vereinbart beispielsweise im Winter mit einem Großabnehmer, dass im Sommer Strom geliefert wird. Ist der Strompreis im Sommer höher als er im Winter vereinbart worden war, muss der Verkäufer (die Wien Energie) die Kaution erhöhen. Das gefürchtete Begriff ist „margin call“. Das dient auf der Strombörse als Sicherheit für den Käufer. Mit den gestiegenen Strompreisen sind die Kosten für die Kaution so stark gestiegen, dass der Wien Energie möglicherweise die finanzielle Luft ausgegangen ist. Sowas kann passieren, wenn sich „Experten“ mit Steuergeld, also mit dem Geld anderer, verzocken.

Der Europäische Stromhandel ist strukturiert. Es gibt den Großhandel, den Spotmarkt, den außerbörslichen Handel, auch OTC genannt, die Futures (Wetten auf Preisentwicklungen) und andere Bereiche. Strom ist außerdem nicht immer Strom. Die Stromanbieter im Westen Österreichs sind mit ihren Pumpspeicherwerken sehr erfolgreiche Händler. In der Nacht wird der überschüssige und daher billige Strom der Laufkraftkraftwerke dazu benützt, Wasser nach oben zu pumpen. Am Tag wird das Wasser in den Stauseen in Strom umgewandelt, den heiß begehrten und daher teuren Spitzenstrom. Die Pumpspeicherwerke der Stromriesen in Westösterreich können auf Knopfdruck innerhalb von Sekunden eine elektrische Leistung mehrerer Kernkraftwerke abrufen.

Casinokapitalismus

Bei der Betrachtung der Größenordnungen wird das Ausmaß der Zockerparty in Wien erkennbar. Die Wien Energie hat an der Strombörse angeblich mit 18 Terawattstunden elektrische Energie gezockt. 18 TWh entsprechen der Energiemenge, die in über zwei Milliarden Litern Benzin steckt. Wien hat diese Energiemengen nicht, es liegt höchstwahrscheinlich fahrlässige Spekulation vor. Da hat ein Familienvater in einem Anfall von Größenwahn nicht nur einen Monatslohn verspielt, sondern mehr als das gesamte Jahres-Familieneinkommen. Das Wiener Debakel ist nur indirekt eine Folge der Strompreise. Es ist eine Folge von rotem Casinokapitalismus.

ORF-Redakteur Tobias Pötzelsberger hat SPÖ-Obfrau Pamela Rendi-Wagner im Rahmen des letzten Sommergesprächs gefragt: „Muss man sich da nicht die alte Frage stellen, ob die Roten wirtschaften können?“ Frau Rendi-Wagner lachte nach dieser Frage auffallend gequält. Herr Pötzelsberger hatte bei der naiven SPÖ-Vorsitzenden erkennbar ins Schwarze getroffen. Die Wiener Energie-Honks haben beim Zocken natürlich Pech gehabt, denn der Ukrainekrieg hat das Energieroulette in ein Desaster verwandelt. Ohne Zocken gäbe es dieses Drama jedoch nicht. Wien Energie hätte sich stattdessen beim Bau von Wasserkraftwerken beteiligen können. Das wären saubere und wünschenswerte Investitionen gewesen.

So aber schwebt Herrn Pötzelsbergers Frage wie ein Damoklesschwert über der SPÖ, die neuerdings mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft etwas gemeinsam hat. Die wirtschaftlichen Misserfolge der von der SPÖ geführten Unternehmen korrelieren mit den juristischen Misserfolgen der WKStA. Das ist bekanntlich die Staatsanwaltschaft, deren Beamte mit Vorliebe auf ÖVP-Handys herumwischen, um deren Inhalte sofort an gewisse Medien weiterzugeben. Was sind dagegen schon ein paar verbrannte Milliarden Euros im Reich eines unbescheidenen Bürgermeisters, der die wahren Gründe seiner Katastrophe nicht beim Namen nennen will?