Der Vorgang ist degoutant, aber nicht in allen Fällen so anrüchig wie es scheint, denn Personalentscheidungen im Vorfeld können größere Reibereien zwischen den Koalitionspartnern vermeiden.

Weniger oder gar nicht bekannt sind bösartige Maßnahmen in der Sachpolitik, die nur den einen Zweck haben, dem politischen Gegner nicht den geringsten Erfolg zu gönnen. Ein übler Fall war das Abwürgen der Aktion „Erste Hilfe in Bewegung“ im Jahr 2007.

Erste Hilfe

Rettungssanitäter, Notfallmediziner und alle anderen, die im Rettungsdienst aktiv waren oder sind, wissen es: Ein medizinischer Notfall ist für Rettungskräfte leichter zu managen, wenn Ersthelfer zuvor Sofortmaßnahmen ergriffen haben. Leider ist nur eine begrenzte Zahl von Erwachsenen in der Lage, richtig zu reagieren.

Zwei Universitätsprofessoren von der Privatklinik Rudolfinerhaus und von der Universitätsklinik für Notfallmedizin haben 2005 beschlossen, den beiden damaligen Ministerinnen Rauch-Kallat (Gesundheit) und Elisabeth Gehrer (Unterricht) klarzumachen, dass die Vermittlung von Erste Hilfe-Kenntnissen in den Schulen deutlich verbessert werden muss. Ministerin Gehrer gab sofort den Auftrag für eine entsprechende Arbeitsgruppe. Im Frühjahr 2005 wurde mit Hilfe verschiedener Behörden nach engagierten Lehrern, Lehrbeauftragten von Blaulichtorganisationen und Rettungssanitätern „gefahndet“, die bereits einschlägige Erfahrungen gesammelt hatten. Es ist schon lange bekannt, dass Kinder und Jugendliche sehr gute Ersthelfer sein können, weil sie unbefangener reagieren als Erwachsene. Die Idee, die Erste Hilfe in den Regelunterricht einzubauen, war daher besonders vielversprechend.

Aufbruchstimmung

Im Oktober 2005 trafen sich Ärzte, Lehrer und Lehrbeauftragte des Roten Kreuzes in Salzburg, um die Vorgehensweise zu beraten. Alle Beteiligten wussten, dass aus diesem Projekt eine große Sache entstehen könnte. Ausnahmslos alle Schüler sollten in den Schulen im Rahmen des normalen Unterrichts einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren und die Details im Laufe der Jahre mehrmals wiederholen. Dadurch würde ein hochwertiges Sicherheits- und Verantwortungsbewusstsein bei den Jugendlichen entstehen.

Es folgten Seminare in Linz und in Graz. Dazwischen gab es kleinere Besprechungen, meist in Wien. Die Projektleiter standen über Internet in Verbindung. Im Mai 2007 sollte ein Abschlussseminar mit großer Pressekonferenz in Wien stattfinden.

Funkstille

Am 1. Oktober 2006 fanden Nationalratswahlen statt, die Alfred Gusenbauers SPÖ unter der Regie des sinistren Beraters Silberstein knapp gewann. Claudia Schmied übernahm Anfang 2007 von Elisabeth Gehrer das Unterrichtsministerium, das augenblicklich in einen Erste-Hilfe-Autismus verfiel. Alle Anfragen, auch vom Roten Kreuz, wurden nicht beantwortet. Gerüchte besagten, das Projekt sei auf Weisung der Ministerin abgedreht worden.

Das Erste-Hilfe-Projekt war keine Kleinigkeit. Zwei Universitätsprofessoren, ein Universitätsdozent, mehrere engagierte Ärzte und Lehrer aller Schultypen, das Jugendrotkreuz, der ÖAMTC und insgesamt 21 Schulen aus ganz Österreich waren eingebunden. Finanziert wurde die Sache nicht vom Unterrichtsministerium, sondern von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die an einem höheren Sicherheitsbewusstsein der Jugend selbstverständlich interessiert war und ist. Nach weiteren Anfragen beim Ministerium folgten mehrere „Geht-leider-nicht“ Meldungen. Man könne nicht in die Autonomie der Universitäten eingreifen, hieß es. Dieses Argument war blanker Unsinn, denn die Lehrpläne der Schulen sind nicht Sache der Universitäten, sondern des Ministeriums und des Nationalrats.

Dann kamen die üblichen „Die-Sache-ist-zu-teuer“-Geschichten. Auch das waren dümmliche Ausreden, denn die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) hätte den Materialaufwand finanziert. Es ging lediglich darum, allen Volksschullehrern sowie den in den naturwissenschaftlichen Fächern und in Leibesübungen unterrichtenden Lehrern ab der 5. Schulstufe im Rahmen des Probejahrs einen einwöchigen Ausbildnerkurs in Erster Hilfe zu geben. Den Kurs hätten die Blaulichtorganisationen durchgeführt. Die Ausbildungskosten wären minimal gewesen, die laufenden Kosten für alle Schulen gleich null, denn die Erste Hilfe wäre Teil des Regelunterrichtes geworden und das benötigte Material wie Beatmungspuppen und Übungs-Defibrillatoren hatte die AUVA bereits zugesagt. Sogar Vertreter der Lehrergewerkschaft hatten sich zum Projekt positiv (!) geäußert.

Nach wiederholten Interventionen wurden am 5. November 2007 die Projektkoordinatoren und einige prominente Persönlichkeiten als Aufputz ins Unterrichtsministerium geladen. Bei Brötchen und Getränken wurde eine dünne Broschüre verteilt und eine Internetseite vorgestellt, die inzwischen wieder verschwunden ist. Medien waren keine anwesend. Das war’s. Das Projekt war eiskalt abgewürgt worden. Von einem Einbau der Ersten Hilfe in den Regelunterricht war keine Rede mehr. Der Frust war entsprechend groß, als die Projektleiter nach all der vergeblichen Arbeit wieder nach Hause fuhren – mit Fahrkarten, die von der AUVA bezahlt wurden.

Frau Gehrers Leuchtturmprojekt war erfolgreich abgeschossen worden. Das Unterrichtsministerium plante damals vermeintlich wichtigere Dinge, wie etwa eine „Bildungsgerechtigkeit“, deren Leitmotiv lautet: „Was nicht alle können, soll niemand können