eXXpress-Kolumnist Rudolf Öller

Die beiden interessantesten Straßen der USA sind die Route 66 von Chicago nach Los Angeles und der Highway 101, auch „Route 101“ genannt. Der Highway 101 beginnt im US-Bundesstaat Washington südlich der Millionenstadt Seattle, umrundet den Olympic Nationalpark, verläuft weiter nach Süden und überquert den Columbia River an der Grenze zum US-Bundesstaat Oregon. Weiter südlich führt der 101er über die Golden Gate Brücke, windet sich durch das Zentrum von San Francisco, verläuft weiter durch das Silicon Valley und endet in Los Angeles.

Silicon Valley

Das Erstaunliche an diesem Highway sind nicht nur die atemberaubenden Landschaften, sondern auch die Firmen, die in unmittelbarer Nähe gegründet wurden. Es beginnt in Seattle mit Amazon, Boeing, Microsoft und Starbucks, geht weiter in Oregon mit Nike, Columbia und anderen und weist im Silicon Valley Firmen von Weltbedeutung im Dutzendpack auf (Apple, Facebook, Google, Hewlett-Packard, Netflix, Intel, Yahoo, YouTube und viele andere).

Das Silicon Valley als Zentrum der modernen Computerindustrie wurde von Studenten der Stanford University (Spitzname „die Farm“) gegründet. Die Denkfabrik liegt eine knappe Autostunde südlich von San Francisco und zählt heute zu den besten Universitäten der Welt. Dreißig seiner Professoren wurden bisher mit einem Nobelpreis ausgezeichnet.

Nur wenige Kilometer von Stanford entfernt befindet sich im kleinen Ort Los Altos ein Einfamilienhaus mit Garage. Die ursprüngliche Hausnummer (11161) wurde inzwischen auf 2066 Crist Drive geändert. Hier haben vor vier Jahrzehnten das Verkaufsgenie Steve Jobs und sein kongenialer Elektroniker Steve „The Woz“ Wozniak den ersten Personal Computer aus zusammengekauften Bestandteilen gebaut. Daraus entstand Apple, eine der wertvollsten Firmen der Erde.

Die Route 101 hat an ihrem Ende noch ein Glanzstück aufzuweisen. Wenn man in Downtown Los Angeles vom Highway 101 auf den Highway 110 wechselt, das ist ein Rest der alten Route 66, erreicht man nach wenigen Minuten den Vorort Pasadena. Hier liegt das „California Institute of Technology“, kurz „Caltech“ genannt. Es ist eine auf Natur- und Ingenieurswissenschaften spezialisierte Privatuniversität von Weltrang.

Die Bewohner der amerikanischen Westküste sind die Nachkommen von Pionieren und Abenteurern, also besonders belastbare Menschen. Freies Denken, Ideenreichtum, Ehrgeiz und Optimismus sind die Merkmale der dortigen Bewohner. Nun zieht es Altkanzler Sebastian Kurz nach Westen zu Technologie-Großinvestor Peter Thiel, zu dessen Imperium Firmen wie Founders Fund, Clarium Capital, Palantir und andere gehören. Thiel gründete gemeinsam mit Elon Musk den Online-Bezahldienst Paypal und war der erste große Kapitalgeber des sozialen Netzwerks Facebook.

Go West!

Palantir Technologies ist eine der interessantesten Firmen der Thiel-Gruppe. Es handelt sich um eine 2004 gegründete US-amerikanische Firma, die Software zur Analyse großer Datenmengen („Big Data“) entwickelt. Zu den ersten Kunden gehörten amerikanische Nachrichtendienste. In der Folge kamen weitere staatliche Behörden, große Wirtschaftsunternehmen und Pharmafirmen dazu. Palantir Technologies ist heute in Denver (Colorado) angesiedelt, dessen Name aus den Wörtern Golden und Silver abgeleitet wurde. Das passt, denn Daten gelten als das Gold des 21. Jahrhunderts. Die Verarbeitung riesiger Datenmengen ist für die erfolgreiche Arbeit großer Konzerne unabdingbar.

Die Begriffe USA und Kurz genügen bei uns, Neider aufzuwecken. Auf Twitter tauchten zu Weihnachten Sätze auf wie „Ich glaube, Kurz hat mich tatsächlich politisch traumatisiert. Sonst würde ich in den Feiertagen nicht darüber nachdenken, warum ein Mann ohne Hochschulabschluss, … einen Leitungsjob in der Privatwirtschaft in den USA antreten soll.“ Die Twitter-Jammerer haben offenbar keine Ahnung. In amerikanischen Hochtechnologiebranchen zählen weder adelige noch akademische Titel, sondern andere Qualitäten. Von den Twitter-Stänkerern hat jedenfalls kaum einer eine Chance, auch nur in die Nähe eines hochdotierten amerikanischen Managerpostens zu gelangen.

„Go West, young man!“ ist ein Slogan, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA populär wurde. Herr Kurz hat ihn zu seinem eigenen Slogan gemacht. Die Floskel „es gilt die Unschuldsvermutung“ hatte in den letzten Tagen der Kurzschen Kanzlerschaft den Klang einer Verhöhnung angenommen. Herr Kurz hat sich von einem Rennen verabschiedet, das er nicht mehr gewinnen konnte. Er beginnt ein neues Rennen in der Pole Position. Herrn Kurz darf man neidlos gratulieren, dass er einen rufmordbedingten verlorenen Kampf in einen persönlichen Triumph verwandeln konnte. Das muss ihm erst einer nachmachen.

Geologische Zeiträume

Der junge Altkanzler muss sich wegen der Verfolgung durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft keine Sorgen machen. Abgesehen davon, dass es wegen dünner Indizien und mangels an Beweisen sehr wahrscheinlich zu keiner Anklage kommen wird, spielt das beschauliche Tempo der wenig produktiven Behörde in der Dampfschiffstraße (nomen est omen) eine nicht unerhebliche Rolle. Auf der internationalen Skala der Geschwindigkeiten gibt es zwei Grenzwerte. Rechts steht die Lichtgeschwindigkeit und links das Tempo der WKStA, deren Eile tektonischen Gebirgsbildungen in sehr langen Zeiträumen entspricht. Mit einer Kurz-Anklage, wenn überhaupt, ist frühestens unter einem späteren Justizminister zu rechnen. Im Falle einer (sehr unwahrscheinlichen) Verurteilung würde eine schriftliche Ausfertigung des Urteils in der Mitte des 21. Jahrhundert erfolgen. Was den kommenden Untersuchungsausschuss betrifft, so werden die Sympathieträger Krisper/Krainer/Tomaselli den üblichen wöchentlichen Hexensabbat samt ÖVP-Verwünschung abliefern. Mehr ist von dem fragwürdigen Tribunal nicht zu erwarten. Herrn Kurz kann das neuerliche abwegige Theater jedenfalls egal sein. Chapeau!