Der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg – das ist der komplette Name – musste aus allen politischen Ämtern ausscheiden, weil er einige Teile seiner Doktorarbeit ohne Quellenangaben abgeschrieben hatte. Heute ist er ein Lobbyist und Unternehmensberater. Die Plagiatsaffäre hat ihm auch den Spitznamen „Googleberg“ eingetragen –benannt nach der beliebten Internetsuchmaschine.

Das Abschreiben in den Wissenschaften ist noch kein Vergehen, man muss den kopierten Text samt Quellenangabe lediglich kennzeichnen. Abgeschrieben wurde und wird überall, aber bei wissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere bei Doktorarbeiten, gelten besonders strenge Regeln, vor allem in Deutschland. Es ist kein Zufall, dass Deutschland im weltweiten Universitätsranking weit vorne, Österreich dagegen weiter hinten liegt.

Es gibt verschiedene internationale Vergleichslisten, die bekannteste nennt sich „QS World University Rankings“. Es gelten folgende Kriterien mit der Gewichtung in Klammern: Akademische Peer Reviews (40%), Professoren-Studenten Verhältnis (20%), Zitierungen in Fachzeitschriften (20%), Arbeitgeber Reputation basierend auf Umfragen (10%), Verhältnis internationaler Studenten (5%), Verhältnis internationaler Mitarbeiter (5%).

Zweimal die Schweiz

Auf der Liste der besten zwanzig Universitäten und Hochschulen sehen wir zehnmal die USA, fünfmal Großbritannien, zweimal die Schweiz, zweimal Singapur und einmal China. Das Massachusetts Institute of Technology liegt seit einem Jahrzehnt unangefochten an erster Stelle, bei den anderen ändert sich die Reihenfolge jedes Jahr geringfügig.

Das Ranking der „Times Higher Education“ (THE) zeigt eine etwas andere Reihenfolge. Das hat nichts mit Fake News zu tun, sondern nur mit anderen Gewichtungen. Es tauchen aber auch hier die gleichen Universitäten auf wie in den anderen Hitparaden der Forschung und Lehre. Im Europa-Ranking listet THE die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich an vierter und die Technische Universität München an siebter Stelle auf. Bei den internationalen Listen fällt auf, dass das kleine Singapur überall vertreten ist und China langsam aufholt.

Kümmerlich

Wo liegt Österreich? Die Universität Wien hatte einmal Weltruf. Im QS World University Rankings 2023 wird Wien an 151. Stelle gelistet. Das ist zwar noch keine Dritte-Welt-Position, aber im Vergleich zum Ansehen vergangener Zeiten ist das kümmerlich.

Abgeschrieben wurde schon immer. Keine Universität ist dagegen immun. Universitäten, die einen Ruf zu verlieren haben, sehen jedoch besonders genau hin. Nicht so die Universität Wien. Es ist bekannt, dass das Internet zum Abschreiben verleitet. Man sucht zunächst einen Text über eine Suchmaschine, und dann weiß jedes kluge Kind, wie die Tastenkombinationen Strg-C und Strg-V einzusetzen sind. Parallel dazu ist aber auch das Aufdecken leichter geworden, denn es gibt Schnüffelsoftware. Die Programme suchen das gesamte Internet nach gleichen und ähnlichen Texten ab und finden auch Textstellen, deren Satzbau etwas verändert wurde. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der kopierte Text im Internet auffindbar ist. Jede gute Universität, die etwas auf sich hält, verwendet heute routinemäßig diese elektronischen Bluthunde. Die Trefferquote ist beachtlich. Guttenberg und Zadic waren nicht die ersten und einzigen, die es erwischt hat.

Hochschulkorruption

Frau Zadic hat abgeschrieben, ohne Quellen anzugeben, das ist erwiesen. Ob sie die Dissertation von einem Ghostwriter verfassen ließ, kann natürlich nicht nachgewiesen werden. Die Wiener Universität hat sich jedenfalls einen „Freispruch“ einfallen lassen, der gründlich missglückt ist: „Eine Täuschungsabsicht zur Erschleichung eines akademischen Grades wurde nicht nachgewiesen“. Das heißt im Klartext, dass in Zukunft an österreichischen Universitäten hemmungslos abgekupfert werden darf, solange keine Täuschungsabsicht nachgewiesen werden kann. Wenn Plagiatsjäger Stefan Weber empört von „Verarsche“ und „Hochschulkorruption“ spricht, ist das zwar heftig, aber verständlich. Die Universität Wien hat sich mit der Angelegenheit keinen guten Dienst erwiesen. Eine ÖVP-Ministerin musste wegen eines ähnlichen Falles zurücktreten – genauso wie der CSU-Ex-Minister Guttenberg. Bei ihnen tauchte nie die Frage auf, ob sie in Täuschungsabsicht abgeschrieben haben. Sie haben abgekupfert und Punkt. Frau Zadic hat auch abgekupfert, aber es ist ihr halt irgendwie passiert. Da hat halt jemand einen Text auf mysteriöse Weise aus einem Paralleluniversum – quasi einem Plagiaversum – in den Zadic-PC gebeamt. Kann schon mal vorkommen.

Mittelmaß

In allen Listen und Rankings, in denen es um Forschung und Lehre geht, ist Österreich internationales Mittelmaß. Die Kleinheit des Landes kann nicht als Begründung akzeptiert werden. Die kleinere Schweiz und das winzige Singapur sind um Klassen besser. Der österreichische Humangenetiker Markus Hengstschläger brachte es vor wenigen Jahren auf den Punkt: „Wir sitzen in der Durchschnittsfalle“. Die oberste Maxime unseres Bildungssystems ist der durchschnittliche Bürger, der seine Sache gut macht. Außergewöhnliche Stärken würden laut Hengstschläger nicht gefördert, sondern eher als störend empfunden. David Alaba wäre in einem österreichischen Verein ein guter Fußballspieler geworden, niemals aber einer der weltbesten Verteidiger. Dass ein Professor Zeilinger den Nobelpreis bekommen hat, ist somit die Ausnahme, nicht die Regel.

Der Fall Zadic wird nicht zum höheren Ansehen der Wiener Universität beitragen. Er ist Symptom für den Zug zur Mittelmäßigkeit und ein alarmierendes Anzeichen dafür, dass auch an unseren Universitäten mit mehrerlei Maß gemessen wird.

Rudolf Öller ist promovierter Genetiker der Universität Tübingen und seit Jahrzehnten sowohl als Kolumnenschreiber als auch als Buchautor publizistisch tätig. Öller ist gebürtiger Oberösterreicher, hat in AHS und BHS Naturwissenschaften und Informatik unterrichtet und war ehrenamtlicher Rettungssanitäter, Blaulichtfahrer und Lehrbeauftragter beim Roten Kreuz. Er lebt heute in Vorarlberg.