Oligarchen aus Russland und Weißrussland wehren sich mit Klagen am Europäischen Gerichtshof gegen die EU-Sanktionen. Derzeit seien bereits 61 Klagen von sanktionierten Personen und auch Unternehmen in Luxemburg anhängig, berichtete die Bild-Zeitung.

Nach Dokumenten, die auf der Website des Gerichtshofes einsehbar sind, verlangen zum Beispiel die zwei Oligarchen Grigorij Bereskin und Gennadij Timtschenko Schadenersatz für einen angeblich erlittenen “immateriellen Schaden”. Bereskin macht so geltend, er habe “schwere Reputationsschäden erlitten” und stehe in keinem Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine. Auch unterstütze er nicht die Regierung der Russischen Föderation. Er verlangt offensichtlich symbolisch einen Euro als Ersatz für den immateriellen Schaden. 

Auch einer der einflussreichsten russischen Oligarchen, Michail Fridman, klagt vor Gericht gegen die EU-SanktionenQuelle: Reuters

Erhebliche Reputationsschäden für Oligarchen

Der in der Schweiz lebende Timtschenko, der mit Kreml-Chef Wladimir Putin Eishockey spielte, will hingegen eine Million Euro Schadenersatz von der EU. Er wirft der EU in seiner Klage einen offensichtlichen Beurteilungsfehler vor, was “die Beziehung zwischen dem Kläger und Präsident Putin” angeht. Zudem nennt er als weitere Klagegründe unter anderem die “Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Schutz und der Begründungspflicht” und einen “Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen die Grundrechte”.

Auf der Liste der Kläger in Luxemburg stehen Gerichtsdokumenten zufolge weitere im Westen bekannte Oligarchen, unter ihnen der Ex-Inhaber des britischen Fußballclubs Chelsea FC, Roman Abramowitsch, oder Michail Fridman, Gründer und Manager des großen Finanzkonzerns Alfa-Group. Abramowitsch fordert dabei wie Timtschenko eine Million Euro “als Ersatz für den entstandenen immateriellen Schaden”. Die Summe soll im Fall einer Verurteilung der EU an eine im Rahmen des Verkaufs des Chelsea FC neu zu gründende gemeinnützigen Stiftung zugunsten von Kriegsopfern gehen. 

Laut der alljährlich vom US-Magazin Forbes veröffentlichten Liste gibt es 2022 in Russland 83 Dollarmilliardäre. Das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahr, als es noch 117 waren. Die Oligarchenkaste ist innerhalb eines Jahres also deutlich geschrumpft.

Ukrainische Oligarchen haben noch mehr Macht und Einfluss

Oft wird der Begriff „Oligarchen“ allein mit Russland in Verbindung gebracht. Dabei gibt es sie auch in anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjet­union. In Georgien, Moldau, Kasachstan, Aserbaidschan und nicht zuletzt in der Ukraine gibt es Milliardäre, die ebenso wie ihre Pendants in Russland im Zuge der Privatisierungen in den 1990er Jahren verdächtig schnell sehr reich geworden sind.

Im Gegensatz zu den russischen Oligarchen, die seit dem Amtsantritt von Wladimir Putin nicht mehr direkt in die Politik eingreifen können, standen die ukrainischen Magnaten stets im Zentrum der Macht – entweder direkt, indem sie die höchsten Ämter bekleideten, über ihnen gewogene Mandatsträger oder aber durch die Kontrolle der wichtigsten Medien.

2014, als die Orangene Revolu­tion blutig niedergeschlagen wurde, wobei 100 Demonstrierende und 20 Polizisten ums Leben kamen, war es ausgerechnet ein Oligarch, der den Auftrag erhielt, ein durch und durch korruptes System zu zerschlagen. Der Schokoladenmagnat Petro Poroschenko wurde bereits im ersten Wahlgang mit 54,7 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Der Mann, so hofften viele, hat genug ­eigenes Geld, um die Macht nicht als ­Quelle persönlicher Bereicherung zu nutzen.

Doch es änderte sich nichts. Angesichts der eher noch zunehmenden Korrup­tion setzten die Wäh­le­rn 2019 auf den Komiker Wolodymyr Selenskyj, einen absoluten Neuling in der Politik, der im zweiten Wahlgang mit 73 Prozent der Stimmen gewählt wurde. Amtsinhaber Poroschenko blieb mit 24 Prozent abgeschlagen zurück.

Der neue Präsident versprach, der Herrschaft der Oligarchen ein Ende zu setzen. Doch seine Kritiker warfen ihm vor, selbst die Marionette eines Oligarchen zu sein: nämlich von Igor Kolomoisky, einem der reichsten Männer der Ukrai­ne, der ­unmittelbar nach der Wahl Selenskis aus dem Exil in sein Heimatland zurückkehrte.