Eine “Welle” von Chips und anderen elektronischen Bauteilen wurde nach Russland geschickt. Das haben hochrangige Steuer- und Handelsbeamte aus den USA und der Europäischen Union nun herausgefunden. Sie werden “als entscheidend für die Entwicklung von Waffen angesehen, einschließlich russischer Marschflugkörper, die die Ukraine getroffen haben”, berichtet die “New York Times”.

Millionen Mikrochips aus den Niederlanden

Dabei sollen die westlichen Produkte einen Umweg machen. Sie werden nicht auf direktem Weg nach Russland geschickt, sondern landen dort über Armenien, Kasachstan und andere Länder.

Bereits Ende Jänner 2023 deckte eine niederländische Untersuchung auf, dass Millionen von Mikrochips niederländischer Unternehmen seit dem 24. Februar 2022 in Russland angekommen sein sollen. Die Untersuchung ergibt ein “klares Muster”, nach dem eine kleine Gruppe chinesischer Unternehmen niederländische Chips beschafft und sie Monat für Monat nach Russland exportiert.

IT-Komponenten aus Deutschland und von Texas Instruments

Bereits im Sommer 2022 ist der britische Thinktanks “Royal United Service Institute” (Rusi) zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt: In russischen Waffensystemen sind demnach zahlreiche Komponenten westlicher Anbieter verbaut – etwa in Funkgeräten, Drohnen und Raketen.

Russischer Raketenbeschuss: Ein Luftbild von völlig zerstörten Gebäuden in Borodianka in der Provinz Kiew.Metin Aktas/Anadolu Agency via Getty Images

Rusi hat damals 27 russische Waffensysteme untersucht. Darin stießen sie auf sämtliche Chips und IT-Komponenten von AMD, Intel und Infineon. Elf Komponente stammten von deutschen Unternehmen. So war etwa die Kamikaze-Drohne KUB-BLA des russischen Rüstungsunternehmen Kalaschnikow mit Bauteilen des schwäbischen Modellbauspezialisten Aero Naut ausgestattet. Auch US-Technologiekonzerne sind vertreten. Das WLAN-Modul der Orlan-10-Aufklärungsdrohne soll zum Beispiel vom Tech-Riesen Texas Instruments stammen. Auch in Iskander-Raketensystemen sollen dessen Chips verbaut sein.

Dank dieser Zulieferungen sei Russland nicht gezwungen gewesen, “zunehmend veraltete Technologie einzusetzen”, schrieb damals Rusi. Viele Produkte fänden über nicht-autorisierte Drittanbieter ihren Weg nach Russland.

Ein russischer Iskander-E-RaketenwerferContributor/Getty Images

Der Handel findet zu viele Schlupflöcher

Ein Hauptgrund, weshalb die Russland-Sanktionen nicht die gewünschte Wirkung erzielt haben, liegt an den vielen Schlupflöchern, die der Handel seither gefunden hat. Erst kürzlich stellte sich heraus, dass sämtliche deutsche Waren auf Umwegen weiterhin in Russland landen – der eXXpress berichtete.

Armenien wurde ist mittlerweile laut “Spiegel” zu einem “florierenden Umschlagplatz für Hightech und Industriegüter aller Art”. So lagen die Exporteinnahmen deutscher Firmen aus dem Armeniengeschäft etwa im Dezember 287 Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2020. Gleichzeitig hat sich Armeniens Außenhandel mit Russland innerhalb von zwei Jahren vervierfacht auf 2,5 Milliarden Dollar. Dass beide Entwicklungen gleichzeitig eingesetzt haben, dürfte wohl kaum ein Zufall sein…

Brandneue Chips, die erst im August 2022 hergestellt wurden

Im vergangenen Jahr soll Armenien rund 515 Prozent mehr Chips und Prozessoren aus den USA und 212 Prozent mehr aus der EU importiert haben als im Jahr 2021. 97 Prozent davon sollen anschließend nach Russland exportiert worden sein. Das soll aus einem Papier der US-amerikanischen Sicherheitsbehörde für Hochtechnologie hervorgehen, wie die “New York Times” schreibt.

Die Raketen sind bei Sonnenuntergang auf den Himmel gerichtet.

Gemäß dem Recherchezentrum Conflict Armament Research (CAR) stellt Russland bereits Waffen mit Komponenten her, die nach der Angriff auf die Ukraine gebaut wurden. Die Experten von CAR haben mehr als 150 ausländische Unternehmen identifiziert, die Komponenten in russischen Waffen hergestellt hatten. Darunter sind auch neue Chips, die erst im August 2022 hergestellt wurden. Dies stelle jedoch keinen Verstoß gegen die Exportbestimmungen dar, berichtet die US-Zeitung. Diese Art der Chips sei erst im September 2022 mit Ausfuhrverboten belegt worden.

Fakt ist: Solange Russland weiterhin westliche Technologie erhält, wird es den Krieg auch fortsetzen können, falls sich seine Lagerbestände endgültig leeren.